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Am Donnerstag arbeitet Krishan länger auf dem Dach. Es gibt noch viele Kleinigkeiten, die erledigt werden müssen, die Stromversorgung der Tröpfchenbewässerung, die Verfugung des Pfads aus runden Steinen, die Halterungen der Bambusschirme rund um das Meditationsbecken. Er redet sich ein, dass er nicht eher gehen kann, bis er all diese kleinen Aufgaben abgeschlossen hat, aber in Wirklichkeit ist Krishan neugierig darauf, diesen Mr. Nandha, diesen Krishna Cop wiederzusehen. Er weiß aus den Zeitungen und aus dem Radio, was diese Leute tun, aber er versteht nicht, warum das, was er jagt, eine so gefährliche Bedrohung darstellt. Also arbeitet er, bis die Sonne im Westen hinter den Türmen der Finanzstadt zu einem Globus aus Blut anschwillt. Er zieht Schrauben fest und reinigt Werkzeug, bis er hört, wie unten die Tür geschlossen wird und Parvatis Stimme abwechselnd mit dem tieferen, wortlosen männlichen Brummen erklingt. Das Gespräch wird mit jeder Stufe deutlicher, die er hinabsteigt. Sie bittet ihn, fleht ihn an, verlangt von ihm, dass er mit ihr ausgeht. Sie will irgendwohin gehen, raus aus diesem hoch gelegenen Apartment. Seine Stimme ist müde und tonlos, und Krishan ist klar, das er alles ablehnen wird, was sie vorschlägt. Er stellt seine Tasche ab und wartet an der Tür. Er lauscht gar nicht, redet er sich ein. Die Türen sind dünn, und die Worte haben ihre natürliche Lautstärke. Der Polizist ist jetzt ungeduldig geworden. Seine Stimme wird härter, wie ein Vater, der genug von einem unersättlichen Kind hat. Dann hört Krishan ein wütendes Bellen, einen Stuhl, der scharrend vom Tisch abgerückt wird. Er nimmt seine Tasche und zieht sich über die Haupttreppe zurück. Die Tür fliegt auf, und Mr. Nandha schreitet die Treppe hinunter zur Tür zum Foyer, das Gesicht wie eine Skulptur erstarrt. Er streicht an Krishan vorbei, als wäre er nicht mehr als eine Eidechse an der Wand. Parvati kommt aus der Küche. Sie und Mr. Nandha stehen sich an den entgegengesetzten Enden der Treppe gegenüber. Krishan ist unsichtbar zwischen ihren Stimmen gefangen.

»Dann geh doch!«, ruft sie. »Es ist ja offensichtlich sehr wichtig.«

»Ja«, sagt Mr. Nandha. »Es ist sehr wichtig. Aber ich will dich nicht mit Angelegenheiten der nationalen Sicherheit behelligen.«

Er öffnet die Tür zum Aufzugsvorraum.

»Ich werde allein sein, ich bin ständig allein!« Parvati lehnt sich über das verchromte Geländer, aber die Tür ist geschlossen, und ihr Ehemann ist ohne einen weiteren Blick gegangen. Jetzt sieht sie Krishan.

»Werden Sie auch gehen?«

»Ich sollte.«

»Lassen Sie mich nicht allein. Ich bin hier ständig allein. Ich finde es schrecklich, allein zu sein.«

»Ich glaube, ich sollte wirklich gehen.«

»Ich bin hier ganz allein«, wiederholt Parvati.

»Sie haben Ihr Stadt und Land«, versucht Krishan es.

»Das ist doch nur eine dumme Soap!«, fährt Parvati ihn an. »Ein dummes Fernsehprogramm. Glauben Sie wirklich, ich würde daran glauben? Halten Sie mich für ein Landei, das den Unterschied zwischen einer Fernsehsendung und dem wahren Leben nicht erkennt?« Sie kämpft ihre Wut zurück. Das Training durch die Frauen von Kotkhai macht sich bemerkbar. »Tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen. Es war nicht gegen Sie gerichtet. Das alles hätten Sie gar nicht hören sollen.«

»Nein, mir tut es leid«, sagt Krishan. »Er sollte nicht so mit Ihnen sprechen, als wären Sie ein Kind.«

»Er ist mein Ehemann.«

»Verzeihen Sie, meine Bemerkung war unangemessen. Ich sollte gehen. So ist es am besten.«

»Ja«, flüstert Parvati. Sie steht im Gegenlicht der sinkenden Sonne, die durch die Apartmentfenster hereinstrahlt und ihre Haut golden schimmern lässt. »So wäre es das Beste.«

Das Licht hält den Moment fest wie in Bernstein. Krishan wird übel vor Anspannung. Die Zukünfte balancieren auf einer Nadelspitze. Wenn sie herabstürzen, könnten sie ihn erschlagen, sie erschlagen, sie alle hier in diesem Penthouse-Apartment. Er hebt seine Tasche auf. Doch sein innerer Kitzel reißt ihn mit.

»Morgen«, sagt er und spürt das Zittern tief in seiner Stimme. »Morgen findet ein Cricketspiel im Dr.-Sampurnanand-Stadion statt. England gegen Bharat, das dritte Testspiel. Das letzte, glaube ich. Die Engländer werden ihr Team sehr bald zurückrufen. Würden Sie ... könnten Sie ... möchten Sie mitkommen?«

»Mit Ihnen?«

Krishans Herz schlägt wie Donner, dann wird ihm alles klar. »Nein, natürlich nicht, man könnte Sie sehen ...«

»Aber ich würde mir sehr gern ein Testspiel ansehen, und gegen England erst recht. Ich weiß! Die Ladys aus dem Quartier gehen hin. Wir wären in verschiedenen Bereichen des Stadions, verstehen Sie. Aber wir wären zusammen dort, könnten das Erlebnis teilen. Ein virtuelles Date, wie die Amerikaner sagen würden. Ja, ich werde morgen hingehen und den feinen Ladys zeigen, dass ich keine Ignorantin vom Land bin, was die hohe Kunst des Cricket betrifft.«

Die Sonne ist untergegangen, und Parvatis Haut ist nicht mehr golden, der bernsteinfarbene Schein ist erloschen, aber Krishans Herz leuchtet immer noch nach.

»Dann werden wir es so machen«, sagt er. »Morgen beim Testspiel.« Er nimmt seine Tasche und lässt sich vom Lift hinunter in den ewigen Verkehr bringen.

Das Dr.-Sampurnanand-Stadion ist eine weiße Betonmulde, die unter einem beigefarbenen Himmel simmert, eine Schüssel voller Hitze und Erwartung, die eine Schale aus frischem, gewässertem, mikroklimatisch kontrolliertem Grün umringt. Varanasi war nie eine der großen Cricket-Städte Indiens gewesen wie zum Beispiel Kolkata oder Chennai oder Hyderabad oder selbst Patna, ihre Nachbarin und frühere Konkurrentin um den Hauptstadttitel. Das Stadion des Doktors war einst kaum mehr als ein holpriger, versengter Streifen aus verdorrtem Gras gewesen, eine Crease, auf der kein Bowler von internationalem Ruf einen Wurf riskieren würde, den kein Schlagmann abwehren würde. Dann kam Bharat, und dieselbe umgestaltende Hand der Ranas, die aus Sarnath eine Zitadelle der gewagten Architektur und Hochtechnologie machte, verwandelte den Sportplatz der alten Sanskrit University in eine Arena mit hunderttausend Plätzen. Es ist ein klassischer staatlicher weißer Elefant, es war nie mehr als zur Hälfte gefüllt, nicht einmal zum dritten Test von 2038, als Bharat ein angeschlagenes australisches Team fertigmachte und die Serie gewann, zum ersten und einzigen Mal. Heute sperrt die Klimasenke eine Linse aus kühler Luft ein, während es in der Umgebung vierzig Grad heiß ist, aber die weißen Männer auf dem Feld brauchen trotzdem die Platikbeutel mit Wasser, die auf den Pitch geworfen werden. Bharat steht bei 55 für 3, es ist noch eine Stunde bis zur Mittagspause, und hoch über dem Stadion jagen sich gegenseitig die Flugzeuge von Awadh und Bharat. Im Moment ist das Geschehen in der Stratosphäre interessanter als das auf dem Grün, zumindest für die Cricket-Ladys im Schatten der Überdachung von Block 17. Der Block gehört Mrs. Sharmas Ehemann, ein Bauunternehmer aus Sarnath, der es zur Steuervergünstigung gekauft hat, um sich Freunden, Klienten und Geschäftspartnern gegenüber gastfreundlich zeigen zu können. Während der Saison ist es ein beliebter Treffpunkt für die Damen der Gesellschaft. Sie ergeben einen hübschen Farbklecks, wie ein unerwarteter Blumenkasten in der Fassade eines Mietshauses. Sie blinzeln durch ihre westlichen Marken-Sonnenbrillen hinauf zu den verschraubten Spuren der Kondensstreifen. Alles ist anders, seit Bharats mutige Jawans in der Nacht von Allahabab mit ihrem kühnen Vorstoß begannen und den Kunda-Khadar-Damm eroberten. Mrs. Thakkur ist der Meinung, dass sie einen Awadhi-Angriff auskundschaften.