»Gegen Varanasi?« Mrs. Sharma ist empört. Mrs. Chopra glaubt, dass das typisch für Awadh wäre, eine rachsüchtige, feige Nation. Die Jawans konnten Kunda Khadar so leicht besetzen, weil die Truppen von Awadh bereits gegen die Hauptstadt vorrücken. Mrs. Sood fragt sich, ob sie Seuchen ausbreiten. »Ihr wisst schon, wie man Nutzpflanzen besprüht.« Ihr Ehemann ist im mittleren Management einer großen Biotech-Firma, die Flugzeuge mietet, um Monokulturen in der Größe ganzer Distrikte zu bestäuben. Die Ladys hoffen, dass das Gesundheitsministerium früh genug eine Warnung ausgibt, damit sie in ihre Sommerbungalows in den Hügeln umziehen können, bevor der Ansturm erfolgt.
»Ich würde erwarten, dass die wichtigeren Elemente der Gesellschaft zuerst informiert werden«, sagt Mrs. Laxman. Ihr Ehemann ist ein höherer Beamter. Aber Mrs. Chopra hat ein anderes Gerücht gehört, dass der idiotische Eisberg der Banglas nun tatsächlich Wirkung zeigt und dass die Winde sich drehen und schließlich den Monsun bringen werden. Als sie an diesem Vormittag auf der Veranda ihren Tee genommen hat, war sie sich sicher, ganz sicher, eine Schattenline am südöstlichen Horizont gesehen zu haben.
»Nun gut, dann wird niemand irgendwen erobern müssen«, erklärt Mrs. Laxman, aber die Begum Khan, die mit dem Privatsekretär von Sajida Rana verheiratet ist und immer das Neueste aus der Bharat Sabha erfährt, hat dafür nur Verachtung übrig.
»Im Gegenteil, das wird einen Krieg umso wahrscheinlicher machen. Selbst wenn der Monsun morgen käme, würde es eine Woche dauern, bis der Wasserstand des Ganges ansteigt. Glaubt ihr wirklich, die Awadhis würden uns auch nur einen kleinen Teil davon abgeben? Sie sind genauso durstig wie wir. Nein, ich sage euch: Betet, dass es nicht regnet, denn sobald der erste Tropfen fällt, wird Delhi seinen Damm wiederhaben wollen. Das alles hängt natürlich davon ab, ob der alberne Eisberg der Banglas mehr ist als ein Jagannath der Pseudowissenschaft, und diese Ansicht muss man, offen gesagt, verneinen.«
Die Begum Khan hat den Ruf einer harten Frau mit klaren Standpunkten, einer Frau mit zu viel Bildung und zu wenig Manieren. Muslimische Eigenschaften, aber das ist kein Thema, über das man in Gesellschaft spricht. Doch sie ist eine Stimme, der Männer zuhören, in ihren Artikeln und Radiosendungen und Reden. Und es gibt seltsame Gerüchte über ihren stillen, geschäftigen kleinen Ehemann.
»Wie es scheint, ziehen wir so oder so den Kürzeren«, fasst Mrs. Sharma zusammen. Die Damen nicken, und auf dem Cricketfeld erhebt sich Applaus, als Bharat eine Boundary trifft. Cricket ist ein Sport der leisen, fernen Geräusche, gedämpftes Händeklatschen, der Aufprall eines Balls auf einen Schläger, raunende Stimmen. Der Schiedsrichter senkt den Finger, die Anzeigetafel wechselt, die Damen wenden sich wieder dem Himmel zu. Die Konfrontation ist beendet, die Kondensstreifen werden von einem hohen Wind aus dem Südosten verweht, dem Monsunwind. Die schüchterne Mrs. Sood fragt sich, wer gewonnen hat.
»Natürlich unsere Seite«, sagt Mrs. Chopra, aber Parvati erkennt, dass sich die Begum Khan nicht sicher ist. Parvati Nandha schützt sich mit ihrem Schirm vor der Sonne, die unter die Überdachung scheint. Gleichzeitig dient er als Sonnenschutz für ihren Palmer, auf dem Spielstände und Statistiken des Testspiels angezeigt werden, diagonal über den Pitch projiziert, durch die Schiedsrichter und das Outfield und das Infield und den Wicket-Keeper und den Schlagmann und den Bowler hindurch, gesendet von Krishan, drüben am Spielfeldrand an den Verkaufsständen für die Tageskarten.
Der englische Bowler holt aus. TREVELYAN, sagt ihr der Palmer. SOMERSET. PACE. 16. LÄNDERSPIEL FÜR ENGLAND. BOWLTE SECHS WICKETS GEGEN SRI LANKA IM 2. TEST IN COLOMBO IN DER SAISON 2046.
Der Schlagmann tritt vor und hält den Schläger wie ein kleines schmales Schild vor sich. Er schlägt den Ball nieder, und sein Widerpart am anderen Wicket spannt sich an. Nein. Der Ball rollt ein kleines Stück, bevor ein Feldspieler (SQUARE SHORT LEG, sagt der Palmer) ihn auffängt, sich umblickt, niemanden sieht, der ungeschützt ist, und den Ball zum Bowler zurückwirft.
LETZTER BALL DES OVER, palmt Krishan.
»Ihr Square Short Leg hat gut reagiert«, sagt Parvati. Die Ladys halten leicht irritiert in ihrer politischen Debatte inne. Aber schon wieder hat sie das Gefühl, nicht mithalten zu können, wie ein Deep Fine Leg, der mitansehen muss, wie der Ball auf die Boundary zurollt. Sie hat sich so große Mühe gegeben, die Sprache und die Regeln gelernt, und die anderen haben ihr immer noch so viel voraus: der Krieg, die Strategie der Regierung, die Ranas, internationale Machtpolitik. Unbeirrt fährt sie fort: »Husany ist als Nächster dran, er wird Trevelyans Pace entgegennehmen, als würde es ihm auf einem Thali serviert.«
Ihre Worte verpuffen schneller als die Kondensstreifen in der gelben Luft über dem Sampurnanand-Stadion. Parvati schaltet ihren Palmer auf Zoom und scannt die Reihen der Gesichter auf der anderen Seite des Feldes. WO SIND SIE? Eine Message kommt zurück: RECHTS VON DEN SICHTSCHIRMEN. DIE GROSSEN WEISSEN DINGER. Sie schwenkt das Bild über die braunen, schwitzenden Gesichter. Da. Vorsichtig winkend, um die Spieler nicht zu stören. Alles andere wäre kein Cricket.
Sie kann ihn sehen. Er kann sie nicht sehen. Schöne Züge, natürlich blasse Haut, von der Arbeit in der Sonne auf dem Dach der Diljit Rana Apartments gebräunt. Sauber rasiert. Erst als sie Krishan mit der Menge der Schnurrbärte in seiner Nähe vergleicht, wird Parvati bewusst, dass es für sie schon immer etwas sehr Wichtiges bei einem Mann gewesen ist. Auch Nandha ist ein Mann, der sich rasiert. Das Haar ist leicht geölt und löst sich bereits aus der chemischen Befestigung, fällt ihm in die Stirn. Zähne, wenn er begeistert über irgendein männliches Vergnügen lacht, gut und gleichmäßig und präsent. Sein Hemd ist sauber und weiß und frisch, seine Hose, wie sie bemerkt, als er aufsteht, um zwei guten Runs zu applaudieren, ist einfach und gut gebügelt. Parvati verspürt keine Scham, Krishan anonym zu beobachten. Die erste Lektion, die sie von den Frauen Kotkhais gelernt hat, war die, dass Männer am wahrhaftigsten und schönsten sind, wenn sie sich am wenigsten ihrer selbst bewusst sind.
Weidenholz knackt. Die Menge springt auf. Ein Boundary. Die Anzeigetafel schaltet klickend um. Die Begum Khan sagt gerade, dass N. K. Jinvanjee ziemlich von den Ranas bloßgestellt wurde, seit der Überfall der Awadhis ihn und seine alberne Rath Yatra in Richtung Allahabad in die Flucht geschlagen hat — wie Ravana, der einst nach Lanka floh.
HABE SIE ERSPÄHT, flüstert der Palmer. Der Bildschirm zeigt ihr Krishans lächelndes Gesicht. Sie neigt den Sonnenschirm zum unauffälligen Gruß. Hinter ihr tratschen die Damen nun über die Party der Dawars und warum Shaheen Badoor Khan nicht bis zum Unterhaltungsprogramm geblieben ist. Die Begum Khan weist darauf hin, dass er ein vielbeschäftigter Mann ist, und erst recht in dieser Zeit, schließlich ist Bharat in Not. Parvati hört das leichte Stocken ihrer Stimme. Sie wendet sich wieder dem Spiel zu. Nachdem Krishan sie nun in die Geheimnisse des Cricket eingeweiht hat, erkennt sie, wie viel Raffinesse und Geist darin steckt. Ein Testspiel unterscheidet sich gar nicht so sehr von Stadt und Land.
MAZUMDAR WIRD JARDINE SCHLAGEN, textet Krishan. Jardine läuft gelassen von der Linie zurück, mustert den Ball, bearbeitet ihn mit dem Daumen, poliert ihn. Er bringt sich in Stellung. Die Feldspieler richten sich an ihren Positionen mit den seltsamen Bezeichnungen auf. Mazumdar mit zwei Streifen Blendschutzcreme unter den Augen, wie die Streifen eines Tigers, macht sich bereit für den Wurf. Jardine bowlt. Der Ball springt, trifft eine Scharte im Gras, springt hoch, springt super. Alle im Sampurnanand-Stadion können sehen, wie hoch, wie super. Sie können sehen, wie Mazumdar ihn einschätzt, abwägt, seine Position verändert, mit dem Schläger ausholt, ihn von unten trifft, ihn hoch in den gelben Himmel katapultiert. Es ist ein großartiger Schlag, ein wagemutiger Schlag, ein brillanter Schlag. Die Menge tobt. Eine Sechs! Eine Sechs! Es kann nicht anders sein. Alle Götter wollen es so. Feldspieler rennen, die Augen auf den Himmel gerichtet. Niemand wird ihn fangen können. Dieser Ball fliegt immer höher und höher und hinaus.