Yogendra grinst, streckt die Arme seitlich aus, wackelt mit der Hüfte, schnippt mit seiner Schere schnipp-schnapp schnipp-schnapp. Shiv beobachtet, wie sich die Flussmündung des Blutes auf dem Hals des Amerikaners auffächert. Ein Teil ist bereits getrocknet und verkrustet, Nahrung für Fliegen. Er verfolgt die Spur unter den runden Kragen des Surfer-Hemdes — etwas Blut zeigt sich durch den Stoff —, den Arm hinunter, bis es rote Ringe um die Handgelenke bildet, dort, wo er sich an den Handschellen wundgerieben hat. Abgestochenes Schwein, denkt Shiv.
»Sind Sie Hayman Dane?«
»Nein! Ja. Hören Sie, ich weiß nicht einmal, wer Sie sind.«
»Hayman Dane, wo ist der Sundarban?«
»Sundarban? Welcher verdammte Sundarban?«
Shiv steht auf. Er klopft sich den Staub von seinem neuen bodenlangen Ledermantel. Morgenlicht macht den ganzen Unterschied, wie Reiseführer sagen, die die Rucksacktouristen vor Sonnenaufgang an den Ghats vorbeidirigieren. Es zeigt Kampf! Kampf! über dem billigen und schmutzigen kleinen Seitengassen-Wettschuppen. Es zeigt den Staub und die Brennspuren von Zigaretten und billiges Holz. Keine Kämpfer und Satta-Männer und Spieler. Kein Zirkusdirektor stolziert im Pailletten-Kostüm und singt ins Mikrofon, der Schuppen hat keinen Geist, kein Atman. Shiv öffnet die Tür seiner Box und tritt auf die niedrige Treppe.
»Der Sundarban, in dem die Regierung der Vereinigten Staaten Informationen entschlüsselt, die sie aus dem All empfangen hat.«
Der große Amerikaner rollt den Kopf zurück.
»Mann, verpiss dich, na los. Ich sag es dir, der kleine Arsch mit der Schere kann so viel abschneiden, wie er will, aber ihr solltet euch nicht mit dem Weißen Haus anlegen.«
Shiv geht zur vordersten Sitzreihe. Dies ist das Zeichen, das er vereinbart hat. Die Türen zur Arena öffnen sich, und auf einem Wagen mit Gummirädern schiebt das Mädchen den Käfig mit dem Mikrosäbler herein.
Es tat gut, in das Auto einzusteigen, die Lederpolsterung zu spüren, das Radio neu einzustellen, zu wissen, dass es nicht gemietet war, dass es seins war, sein Raja-Streitwagen, seine eigene Rath Yatra. Gut, eine anthrazitschwarze Karte ohne Limit in der Tasche zu haben, eingebettet in eine Rolle von Banknoten, weil jeder Ehrenmann weiß, dass bei wichtigen Transaktionen nur Bargeld zählt. Gut, die Straße wissen zu lassen, dass Shiv Faraji zurück und unantastbar ist. Im Club Musst blätterte er die Geldscheine hin, eintausend zweitausend dreitausend viertausend, und schob sie mit einer kleinen Fick-dich-Geste über den blauen Tresen zu Salman.
»Sie haben mir mehr gegeben, als Sie mir schulden, Sir.« Der dicke Salman stieß mit einem pummeligen Finger auf den letzten Geldschein, einen großen Zehntausender. Bar-Star Talvin war mit Gästen an der Ecke des Tresens, aber blickte zwischen seiner Cocktail-Akrobatik herüber.
»Das ist Trinkgeld.«
Alle Mädchen starrten, als er ging. Er hielt Ausschau nach Priya, um sie zu grüßen, ihr den Wink des großen Dankes zu geben, aber in dieser Nacht nahm sie ihre Drinks anderswo.
»Meinst du, dass wir jetzt vielleicht ein wenig arbeiten sollten?«
Es war der längste Satz, den er jemals von Yogendra gehört hatte. Shiv spürte eine Veränderung in ihrer Beziehung seit Construxx August 2047. Der Junge wird allmählich übermütig. Er hatte den Mumm, die Sachen zu machen, die Shiv nicht machte, weil er etwas empfand, weil er schwach war, weil er in dem einen Augenblick gehemmt war. Nie wieder. Der Junge würde schon sehen. Der Junge würde lernen. Nun gab es eine weitere Leiche neben der Frau im Sari, die im Ganges trieb: Juhi, rückwärts über das Geländer fallend, mit zuckenden Beinen, ausgestreckten Händen. Was er am allerdeutlichsten sah, waren ihre Augen. Lange aufklebbare Wimpern, die ihren Schock über den ultimativen Verrat signalisierten. Jetzt war es einfacher, und er wusste, es würde noch einfacher werden, aber es richtete ihn auf. Es war schlimm, so schlimm es nur sein konnte, aber er war wieder ein Mann. Ein Raja. Und er hatte jetzt einiges zu tun.
Nun ist es Morgen, und Hayman Dane weicht vor dem im Käfig knurrenden Mikrosäbler zurück. Er faucht, weil Sai, seine niedliche Betreuerin in der großen ausgebeulten Kampfhose und dem kleinen engen Muskeltop seinen Arsch mit Aufputschmitteln und Halluzinogenen vollgeschossen hat, so dass er, wenn er den fetten Amerikaner erblickt, nur ein feindliches böses Katzending sieht, das er hasst, töte Pussycat schneller schneller. Und, oh Gott, der fette Hayman Dane hat vergessen, dass er Handschellen trägt, und er geht mit der Wucht eines schweren Pakets zu Boden, das vom Laster fällt, mit den Beinen um sich tretend und hin und her rutschend, während er aufzustehen versucht. Aber das schafft man nicht, wenn man fett ist und die Hände auf den Rücken gefesselt sind.
»Bedauerlich.« Shiv steht auf und geht einen Schritt, zwei, drei Schritte auf die vorderste Sitzreihe zu.
»Zum Teufel mit dir, Mann!«, brüllt Hayman Dane. »Du kriegst eine Menge Ärger. Du bist tot, kapiert? Du und dein Drecksjunge und deine Hure und deine kleine stinkende Pussy.«
»Nun, eigentlich müsste es hier gar keinen Ärger geben«, sagt Shiv, während er sich setzt und sein Kinn auf den Händen und die Ellbogen auf der Holzbank aufstützt. »Sie könnten mir verraten, für welchen Sundarban Sie arbeiten.«
»Wie oft zum Teufel muss ich es noch sagen?«, brüllt Hayman Dane. Ein Faden aus Speichel läuft von seinem Mund bis zum Sand hinunter, auf dem er seitlich liegt, das Gesicht vor Wut gerötet. Für ein Genie gibt er einen sehr guten Idioten ab, denkt Shiv. Aber das wiederum ist die westliche Vorstellung von einem Genie, von jemandem, der nur in einem kleinen Bereich außergewöhnlich gut ist.
Ein großer Morgen öffnete sich in Scharlachrot und Safrangelb jenseits der Girlanden aus Strom- und Komkabeln, als Yogendra mit dem Wagen losfuhr, um die Lieferung zu erledigen. Unruhige Zeiten standen bevor. Vielleicht sogar der lang versprochene Monsun. Als ihm plötzlich kälter wurde, zog Shiv seine Jacke um sich und machte sich auf den Weg, um seinen technischen Berater zu treffen. Anand war ein aufstrebender Datenraja, der aus dem Hinterzimmer der Schusterwerkstatt seines Onkels in Panch Koshi seine nicht lizenzierten Kaihs der Stufe 2,5 vertrieb. So hatte Shiv ihn kennengelernt, in der Vergangenheit hatte er häufig seine Paare zu ihm gebracht. Anand konnte bestens mit Leder umgehen. Er vernähte es gut und dicht, während Shiv wartete, umgeben von den besten Handnäharbeiten, die er je gesehen hatte. Anand servierte seinen Kunden Kaffee, guten, starken Kaffee in arabischem Stil, mit einem in der süßen, brodelnden, schwarzen Flüssigkeit geschmolzenen Klumpen Nepali Temple Ball für alle, die das wollten.
An diesem Morgen maskierte Anands Gucci-Brille schuppige rote Augenhöhlen. Anand orientierte sich an der US-Zeit. Shiv ließ sich auf dem niedrigen Kissen nieder, hob eine winzige, wunderbar aromatische Tasse und nippte daran. In den Käfigen, die von den Balken des offenen Holzbalkons hingen, krächzten Mainas und kommentierten den aufziehenden roten Morgen. Er legte den Kopf zurück, als der Nepali zu wirken begann.
»Ein Sundarban überfallen.« Anand spitzte die Lippen und wippte mit dem Kopf, in der Art und Weise, wie aufstrebende Datenrajas sich beeindruckt zeigten. »Mein erster Rat lautet: Wenn du irgendwie damit durchkommen kannst, es nicht zu tun, dann tu es nicht.«
»Und dein zweiter Rat?«
»Beobachten, beobachten, beobachten. Ich kann dir was ranzüchten, das dich für die gewöhnlichen Überwachungs-Kaihs wahrscheinlich unsichtbar macht — nur wenige von ihnen erreichen mehr als Stufe eins, aber sie sind nicht gerade Industrie-Standard. Bis ich weiß, mit wem du es zu tun hast, ist alles nur Vermutung.« Anand blies die Wangen auf: Verblüffung bei einem aufstrebenden Datenraja.