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»Mehrere Jahre«, bestätigte Gunaratna. Dann wurde Lisa klar, dass sie auf das Bakschisch warteten. Sie blätterte dreitausend Rupien auf den Tisch.

»Für die Informationsbeschaffung«, sagte sie. Gunaratna steckte es zufrieden ein.

»Wir erinnern uns nur, weil er von uns ein Boot gekauft hat«, sagte Oz-Boy.

»Wir betreiben einen Charterservice für maßgeschneiderte Wasserfahrzeuge auf den Backwaters«, warf Gunaratna ein. »Es ist höchst ungewöhnlich, dass jemand mit Kaufabsichten zu uns kommt, aber ein solches Angebot ...«

»In bar.« Oz-Boy hockte nun auf der Kante des Tresens.

»In bar, was eine Ablehnung für uns unmöglich machte. Es war ein sehr gutes Schiff. Es hatte nicht nur ein, sondern zwei Zertifikate für Seetauglichkeit von der staatlichen Aufsichtsbehörde für Schifffahrt.«

»Haben Sie Unterlagen über die Transaktion?«

»Madam, wir sind ein anständiges Unternehmen von tadellosem Ruf, und alle unsere Rechnungen werden nach den Vorschriften der Finanzbehörde in dreifacher Ausführung archiviert.«

Oz-Boy schaltete einen Rollbildschirm ein und rief eine Datenbank auf.

»Da ist Ihr Bursche.«

22. Juli 2043. Kettuvalam/Hausboot, Länge 10 Meter, umgebaut mit festem Inventar und Zubehör, Alkoholtreibstoff-Motoren, Leistung 10 PS, zuletzt gewartet 18/08/42, Liegeplatz Alumkadavu. Verkauft an J. Noble Boyd, US-Bürger, Reisepass-Nummer ... Typisch Lull, auf seinem gefälschten Ausweis den Namen des Pastors aus Kansas zu benutzen, der es als seine religiöse Pflicht betrachtet hatte, gegen die evolutionistische Häresie von Alterre zu wettern. Lisa Durnau notierte sich die Daten des Hausboots auf ihrer Lade.

»Vielen Dank, Sie waren mir eine große Hilfe.«

Oz-Boy schob eintausend Rupien über den Tresen zurück. »Wenn Sie Dr. Lull finden, könnten Sie ihn überreden, eine weitere Serie wie Lebendes Universum zu machen? Die beste Wissenschaftssendung, die ich seit Jahren gesehen habe. Hat einen zum Nachdenken gebracht. Heute läuft außer Soaps gar nichts anderes mehr.«

Auf dem Weg nach draußen gab sie dem Jungen seine vierhundert Rupien. Während Kumarmangalam die Rikscha mit ihr auf dem Rücksitz den langen und langsamen Weg hügelaufwärts in die Stadt zurückschob, nutzte Lisa Durnau zum ersten Mal die volle Kapazität der Lade. Als Kumarmangalam sich wieder auf den Sattel setzte, hatte sie ihre Antwort. Das Büro von Ray Power Electric im Distrikt Palakkad hatte einen Stromanschluss für das Kettuvallam Salve Vagina registriert, unter der Nummer 187336BG in Thekkady, Liegeplatz St. Thomas Road. Angemeldet auf den Namen J. Noble Boyd, Reverend.

Salve Vagina.

Das Tragflügelboot fuhr während der Monsun-Monate nicht, so dass Lisa Durnau vier Stunden damit verbrachte, sich gegen das Fenster eines Expressbusses mit Klimaanlage zu lehnen und die Büffel in den Dorfteichen und die unter ihrer Bürde schwankenden Frauen auf den erhöhten Pfaden zwischen den überfluteten Feldern zu beobachten. Sie versuchte, das Dsch-dsch-dsch aus den Kopfhörern des Fileplayers ihres Sitznachbarn zu ignorieren, das genauso unüberhörbar und nervtötend war wie das pfeifende Nasenloch von Captain Pilot Beth. Inzwischen kam es ihr völlig unwirklich vor, dass sie im Weltraum gewesen war. Sie zog die Lade hervor und durchstöberte die Daten vom Tabernakel. He, hätte sie gern zu ihrem Mitreisenden mit den Hindi-Hits! gesagt, schau dir das an! Hast du irgendeine Ahnung, was das bedeuten könnte?

Das war die Frage, die sie Thomas Lull stellen sollte. Ihr wurde bewusst, dass sie Angst vor dieser Begegnung hatte. Als die subtile, aber klare Grenze zwischen vorübergehender und dauerhafter Abwesenheit überschritten war, hatte Lisa Durnau sich oft vorgestellt, was sie sagen würde, falls sie Thomas Lull elvismäßig in irgendeinem Einkaufszentrum oder Airport-Dutyfreeshop über den Weg lief. Es war leicht, sich lockere Sprüche auszudenken, wenn man genau wusste, dass man sie nie sagen würde. Doch jetzt brachte sie jeder Kilometer durch den Regen und die tropfenden Palmen dieser unmöglichen Begegnung näher, und sie wusste auf einmal nicht mehr, was sie sagen würde. Sie verdrängte diese Gedanken, während sie sich im klitschnassen Menschengewimmel an einer breiten Stelle der Straße, die den Busbahnhof von Thekkady darstellte, ein Phatphat suchte. Als sie dann über die lagunengroßen Pfützen auf der langen geraden Straße neben dem Backwater ruckelte, kehrte die Angst zurück und setzte sich als furchtsame Übelkeit in ihrem Magen fest. Sie raste an einem älteren Mann vorbei, der sich auf einem riesigen roten Dreirad durch den Regen kämpfte. Der Phatphat-Fahrer setzte sie am Liegeplatz ab. Lisa Durnau stand wie gelähmt im Regen. Dann schob sich das Dreirad quietschend an ihr vorbei, bog im rechten Winkel ab und holperte über den Landungssteg auf das Hinterdeck.

»Nun, Ms. Durnau, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie Professor Lull Ihnen helfen kann, so waren Sie doch sehr offen zu mir, und da ist es nur angemessen, dass ich mich dafür erkenntlich zeige«, sagt Dr. Ghotse. Er schlurft in den Regen hinaus, um in der Gepäcktasche seines roten Dreirads zu kramen, dann kehrt er mit einem Blatt Papier zurück, zusammengefaltet und durchnässt. »Bitte.«

Es ist ein E-Mail-Ausdruck. Amar Mahal Hotel, Manasarovar Ghat, Varanasi. Mein lieber Dr. Darius. Es ist also doch nicht die kleine Tauchschule, die ich mir erträumt hatte. Gegen Ihren Rat halte ich mich mit Kij im schwarzen Norden auf. Das Asthma-Mädchen, Sie erinnern sich? Ein großes Mysterium — ich konnte großen Mysterien noch nie widerstehen. Hier möchte man nicht tot überm Zaun hängen. Obendrein wurde ich in ein kleines Zugunglück verwickelt, von dem Sie vielleicht gelesen haben. Wäre es möglich, dass Sie mir den Aufenthalt in der Hölle etwas erleichtern, indem Sie meine restlichen Sachen an die obige Adresse schicken? Ich werde Sie per BACS-Überweisung entschädigen.

Es folgt eine Liste von Büchern und Aufnahmen, einschließlich des Schubert, der neben dem Kissen liegt.

»Kij?«

Dr. Ghotse korrigiert ihre Aussprache. »Eine junge Dame, die Professor Lull in einem Club kennenlernte. Er brachte ihr eine Technik bei, mit der sie ihr Asthma unter Kontrolle bekommt.«

»Die Buteyko-Methode?«

»In der Tat. Äußerst bedenklich. Ich würde sie niemals professionell empfehlen. Er war höchst beunruhigt, dass diese junge Dame wusste, wer er ist.«

»Moment. Ich war nicht die Erste?«

»Ich bezweifle, dass sie eine Agentin im Auftrag irgendeiner Regierung ist.«

Lisa Durnau erzittert, obwohl es in der Schiffskabine feuchtwarm ist. Sie ruft das erste Bild vom Tabernakel auf den Bildschirm der Lade und dreht es auf dem niedrigen Tisch zu Dr. Ghotse herum.

»Auch das ist keine gute Aufnahme, aber es handelt sich um besagte junge Dame.«

»Dr. Ghotse, auch dieses Foto stammt aus dem Artefakt, das in Darnley 285 gefunden wurde.«

Dr. Ghotse lehnt sich auf dem Diwan zurück. »Nun, Miss Durnau, wie Professor Lull in seinem Brief sagte, haben wir es hier in der Tat mit einem großen Mysterium zu tun.«

Draußen scheint der Regen endlich ein wenig nachzulassen.

31

Lull

Im Büro des Anwalts Nagpal sind sämtliche Fenster und Rollläden aufgerissen. Der Lärm von der Straße ist erdrückend.

»Entschuldigung, Entschuldigung«, sagt Nagpal, als er seine Besucher zu den rissigen Lederclubsesseln führt und sich selbst hinter den kunstvoll geschnitzten Schreibtisch setzt. »Doch ansonsten wäre die Hitze ... Unsere Klimaanlage ... unser Vermieter ist verpflichtet, sie instand zu halten. Ein geharnischter Brief wäre vielleicht ... Bitte, etwas Chai. Ich persönlich finde heißen Chai das erfrischendste Getränk, wenn die Hitze am schlimmsten ist.«