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Sie setzen sich in den Halbschatten der Jasminlaube. Mrs. Sadurbhai mustert die handwerkliche Ausführung und dann die Dächer der Nachbarschaft.

»Hier ist es ziemlich einsehbar«, bemerkt sie und zieht sich den Dupatta über den Kopf. Die abendliche Rushhour hat begonnen, das Gespräch konkurriert mit Autohupen. Auf einem Balkon auf der anderen Straßenseite plärrt ein Radio Chart-Hits. »Es wird netter sein, wenn alles ein wenig gewachsen ist. Dann hast du hier mehr Privatsphäre. Natürlich kann man hier nicht die Art von Privatsphäre erwarten, die man im Quartier mit ausgewachsenen Bäumen hätte, aber hier wird es abends recht angenehm sein, falls du dann noch hier bist.«

»Mutter«, sagt Parvati. »Warum bist du hier?«

»Darf eine Mutter nicht mehr ihre eigene Tochter besuchen? Oder ist so etwas in der Hauptstadt aus der Mode gekommen?«

»Selbst auf dem Land ist es üblich, eine gewisse Vorwarnzeit einzuhalten.«

»Vorwarnzeit? Was bin ich, eine Sturzflut, eine Heuschreckenplage, ein Luftangriff? Nein, ich bin gekommen, weil ich mir Sorgen um dich mache, in dieser Stadt, in der aktuellen Situation. Ja, du schickst mir jeden Tag Nachrichten, aber ich weiß, was ich im Tivi sehe, all die Soldaten und Panzer und Flugzeuge, die brennenden Züge, schrecklich, schrecklich. Und jetzt sitze ich hier und blicke empor und sehe diese Dinger.«

Kaih-Flieger patrouillieren am Rand des Monsuns, weiße Flügel fangen das westwärts wandernde Licht auf, wenn sie abdrehen und Kilometer über Varanasi kreisen. Sie können jahrelang da oben bleiben, hat Krishan zu Parvati gesagt. Sie müssen nie den Boden berühren, wie christliche Engel.

»Mutter, sie sind da, um uns vor den Awadhis zu schützen.«

Sie zuckt mit den Schultern. »Ach was. Man will, dass du das glaubst, aber ich weiß doch, was ich sehe.«

»Mutter, was willst du?«

Mrs. Sadurbhai zieht den Pallav ihres Sari hoch. »Ich möchte, dass du mit mir nach Hause kommst.«

Parvati wirft die Hände hoch, aber Mrs. Sadurbhai unterbricht ihren Protest.

»Parvati, warum gehst du ein unnötiges Risiko ein? Du sagst, du bist hier sicher, aber was ist, wenn all diese wunderbaren Maschinen versagen und Bomben auf deinen schönen Garten fallen? Parvati, das Risiko mag nicht größer als ein Reiskorn sein, aber warum gehst du überhaupt ein Risiko ein? Kehre mit mir nach Kotkhai zurück, dort werden die Kampfmaschinen der Awadhis dich niemals finden. Es wird nur für kurze Zeit sein, bis diese Unannehmlichkeiten vorbei sind.«

Parvati Nandha stellt ihr Chai-Glas ab. Die tief stehende Sonne strahlt ihr ins Gesicht, so dass sie die Augen mit den Händen beschatten muss, um den Ausdruck ihrer Mutter zu deuten.

»Worum geht es wirklich?«

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Ich meine, du warst nie gänzlich davon überzeugt, dass mein Ehemann mich angemessen würdigt.«

»Oh, ganz und gar nicht, Parvati! Du hast innerhalb der Jati geheiratet, und das ist ein unbezahlbares Glück. Es macht mich nur traurig, wenn ehrgeizige Frauen — nein, an diesem Abend wollen wir ganz offen sprechen, also werde ich sie bei ihrem wahren Namen nennen: sie sind Kastenspringer, so, jetzt ist es raus — wenn Kastenspringer mit ihrem Reichtum, ihren Ehemännern und ihrem Status protzen, auf den sie weniger Anspruch haben als du. Das schmerzt mich, Parvati ...«

»Mein Ehemann ist ein sehr angesehener und bedeutender Beamter. Ich kenne niemanden, der auch nur mit dem leisesten Mangel an Respekt über ihn spricht. Es fehlt mir an nichts. Siehst du diesen schönen Garten? Dies sind die begehrtesten Apartments für Staatsdiener.«

»Ja, aber Staatsdiener, Parvati. Staatsdiener.«

»Ich hege nicht den Wunsch, ins Quartier zu ziehen. Ich bin hier zufrieden. Ich möchte auch nicht mit dir nach Kotkhai zurückkehren, um durch irgendeine List die Aufmerksamkeit meines Ehemannes auf meine Bedürfnisse zu lenken, weil du glaubst, er würde mir zu wenig Beachtung schenken.«

»Parvati, ich habe niemals ...«

»Oh, verzeihen Sie.«

Die Frauen verstummen, als die dritte Stimme hörbar wird. Krishan steht in seinen besten Cricket-Sachen am oberen Ende der Treppe. »Ich muss, äh, die Tröpfchenbewässerung überprüfen.«

»Mutter, das ist Krishan, mein Garten-Designer. All dies ist das Werk seiner Hände.«

Krishan namastiert.

»Eine bemerkenswerte Verwandlung«, sagt Mrs. Sadurbhai widerstrebend.

»Oft wachsen die schönsten Gärten auf Böden, die am wenigsten versprechen«, sagt Krishan und geht, um sinnlos mit Rohren, Hähnen und Reglern zu hantieren.

»Ich mag ihn nicht«, flüstert Mrs. Sadurbhai ihrer Tochter zu. Parvati fängt Krishans Blick auf, als er kleine Terrakotta-Öllampen an den Rändern der Beete entzündet, während das Tageslicht am Himmel schwindet. Die winzigen Flammen flackern und tanzen im Wind, der stärker zwischen den Dächern hindurchweht. Donner grollt im dunklen Osten. »Er hat etwas sehr Vertrauliches. Und seine Blicke. Es ist nie gut, wenn sie sich so etwas erlauben.«

Er ist gekommen, um mich zu sehen, denkt Parvati. Er ist mir gefolgt, um hier mit mir zusammen zu sein, um mich vor den Zungen der kastenspringenden Frauen zu schützen, um für mich stark zu sein, wenn ich Hilfe benötige.

Der Garten hat sich in ein Sternenmeer aus Lampen verwandelt. Krishan verbeugt sich vor den Damen des Hauses.

»Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und hoffe, Sie am Morgen wohlauf wiederzusehen.«

»Du hättest ihm sagen sollen, dass er diese Aprikosensteine aufsammelt«, wirft Mrs. Sadurbhai hinterher, als Krishan über die Treppe hinuntersteigt. »Damit lockst du nur die Affen an.«

33

Vishram

Marianna Fusco hat in der Tat die allerprächtigsten Brustwarzen, denkt Vishram, als sie sich aus dem Pool stemmt und über die Fliesen zur Sonnenliege tröpfelt. Er spürt sie durch das feuchte Lycra, sie sind rund und liegen gut in der Hand, die Poren haben sich zu kleinen Nebennippeln aufgerichtet, mit reizender Textur. Das kalte Wasser hat sie wie Champagnerkorken hervorgetrieben.

»Oh Gott, tut das gut«, erklärt Marianna Fusco, schüttelt das nasse Haar aus und knotet sich ein Seidentuch um die Hüfte. Sie lässt sich wuchtig auf die Liege neben Vishram fallen, lehnt sich zurück, setzt die Sonnenbrille auf. Vishram winkt dem Kellner, dass er Kaffee nachschenken soll.

Er hatte gar nicht beabsichtigt, ins selbe Hotel zu ziehen wie seine Rechtsberaterin. Der Krieg hat die Zimmer verteuert, auf jedem Hotelparkplatz in Varanasi drängen sich die Übertragungswagen, jede Bar ist voller Auslandskorrespondenten, die sich über die langweiligen Details zwischen den Konflikten auf dem Laufenden halten. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass es dasselbe Hotel war, an dem er sie nach der katastrophalen Autofahrt am ersten Abend abgesetzt hatte, bis er sah, wie sie in einer Aufzugskabine durch das gläserne Atrium herunterfuhr. Ihren Anzug hätte er überall wiedererkannt.

Die Suite ist untadelig komfortabel, aber Vishram kann dort nicht schlafen. Ihm fehlen die hypnagogen Rankenmuster an der bemalten Decke seines Schlafzimmers. Es fehlt ihm, mit einer Morgenlatte aufzuwachen und die erotischen Schnitzereien von Shanker Mahal zu erblicken. Ihm fehlt der Sex. Vishram beobachtet, wie sich Schweißperlen auf Mariannas Arm bilden, noch bevor sämtliche Wassertropfen getrocknet sind.

»Vish.« So hat sie ihn noch nie zuvor genannt. »Vielleicht bleibe ich nicht mehr allzu lange.«

Vishram stellt vorsichtig seine Kaffeetasse ab, um seine Bestürzung nicht durch lautes Klappern zu verraten.

»Wegen des Krieges?«

»Ich hatte einige Anrufe aus der Hauptgeschäftsstelle. Das Außenministerium rät allen Besitzern eines britischen Passes, die nicht dringend benötigt werden, zur Abreise, und auch meine Familie macht sich Sorgen, vor allem seit den Unruhen ...« Ihre Familie, diese zerstrittene Konstellation aus Partnerschaften und Neuheiraten zwischen fünf verschiedenen Ethnien, die sich über die Rotziegelterrassen im Süden von London verteilen. Die Vorderseite ihres Badeanzugs ist in der Sonne getrocknet, aber unten auf der Liege ist der Stoff noch feucht und klebt am Körper. Vishram hat schon immer eine Vorliebe für Einteiler gehabt. Verstecken, um zu necken. Die nasse Passform betont die Wölbung der Muskeln am Ansatz von Marianna Fuscos Hintern. Vishram spürt, wie sich sein Schwanz in seiner Badehose aus Varanasi-Seide regt. Er würde sie gern hier nehmen und anschließend in den Pool steigen, die Beine im schwappenden Wasser übereinandergeschlagen, während das Dröhnen der morgendlichen Rushhour von der Straße über die Mauer springt.