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»Aber warum haben Sie uns nichts davon gesagt?« fragte Yua, die ein wenig das Gefühl hatte, nicht für verläßlich gehalten worden zu sein.

Zigeuner seufzte.

»Wir wußten nicht, was für einen Empfang Sie hier erleben würden. Wir wußten nicht einmal, ob Brazil es geschafft hatte. Aber wenn er es geschafft hatte — und es gelang ihm auch —, dann hätte die Möglichkeit bestanden, daß man euch allen möglichen Hypnosen und Hirnsondierungen unterwirft oder was es da alles gibt. Wir mußten möglichst viel Zeit gewinnen, und das hieß, sich darauf verlassen zu können, daß Sie glaubten, Brazil sei noch nicht aufgetaucht, und das jedem vermittelten, der danach fragte. Es funktionierte.«

»Und als Sie — Ihr anderes Ich — in das Tor zur Sechseck-Welt traten, hörte es einfach auf, zu existieren«, meinte Mavra nachdenklich. Jetzt begann alles klarzuwerden. Solche Wesen, die nicht um ein lebendes herum aufgebaut waren, konnten nicht aufrechterhalten werden. Das war der Grund, warum die Sechseck-Welt überhaupt gebaut worden war, und warum man für die Neuerschaffung lebende Prototypen brauchte. Es erklärte nicht, wie Zigeuner, Brazil ähnelnd, hier durchgekommen war, ohne umgebracht zu werden, und auch nicht, warum er seine alte Gestalt wieder hatte. Mavra wollte gerade nachsetzen, als er ihr zuvorkam.

»Brazil will losschlagen«, erklärte er. »Er ist gut versteckt, kann ich Ihnen versichern, aber sobald er unterwegs ist, wird er zur Zielscheibe — und das wissen Ortega und die anderen. Er ist jetzt dort ein bißchen ungeduldig, wo er sich aufhält. Er hat es, offen gesagt, verdammt unbequem. Wir haben verläßliche Leute an wichtigen Stellen, und alles ist vorbereitet. Ich habe nun die Ablenkung geliefert, die es ihm ermöglichte, so weit zu kommen. Jetzt hängt es von Ihnen ab, beim Rest des Spieles so weiterzumachen.« Er griff in seine Weste und zog eine alte, zerknitterte Landkarte heraus. Es war eine Darstellung eines Teiles der südlichen Halbkugel aus der Nähe. Sie richteten ihre Blicke darauf, während er auf ein bestimmtes Hex deutete. »Das ist Glathriel. Die Wilden dort sind die Prototypen dafür, was ich und außer Asam alle von Ihnen vor dem Schacht gewesen sind — und ich noch immer bin. Marquoz, du fängst als erster an, weil Hakazit im Südwesten liegt und du den leichtesten Weg hast. Es wird nicht einfach sein, aber abgesehen von den Ambrezaner solltest du auf keinen großen Widerstand stoßen, und sie sind nicht der Typ, der zusieht, wie ihre schöne kleine Welt zerstört wird. Unterwegs werden sich dir Verbündete anschließen. Dann gehst du den Isthmus hinauf — in Ginzin gibt es das einzige scheußliche Klima der Gegend. Wir bekommen Bescheid, wenn du durch bist. Dann stößt Ihr Heer, Mavra, das genau nach Westen unterwegs ist, dazu, und das Ihre, Yua, räumt den Weg frei, bis die Hauptstreitmacht Sie einholt. Sie ziehen weiter zur Verion-Ellerbante-Avenue und erhalten weitere Anweisungen, sobald Sie in der Gegend sind.«

Marquoz sah ihn an.

»Ich nehme an, wir haben bestimmte diplomatische Kontakte mit unseren unter der Haut wesensgleichen Brüdern? Wir werden nicht pausenlos kämpfen?«

»Das bezweifle ich«, gab Zigeuner zurück. »Wahrscheinlich überhaupt nicht, bis ihr zusammentrefft, abgesehen von ein paar störrischen und vereinzelten Widerstandsnestern. Sobald ihr euch aber in Richtung auf eine Avenue in Bewegung setzt, wird man euch alles entgegenwerfen, was verfügbar ist. Dann dürfte es haarig werden, aber wir werden auch ein paar Überraschungen auf Lager haben.«

»Immerhin bestimmen sie Zeit und Ort«, stellte Asam fest. »Wir sind ihnen gleichgültig — sie haben es auf Brazil abgesehen. Selbst wenn Brazil entkommt, wird er ein fremdes Wesen in einer völlig fremdartigen Landschaft sein, wo jeder ein Fahndungsplakat von ihm besitzt.«

»Das entspricht so ziemlich den Tatsachen«, gab Zigeuner zu:

»Nicht ganz«, sagte Mavra. »Ich glaube, ich kenne mich aus. Brazil wird nicht dabei sein. Während alle hinter uns herhetzen, wird er anderswo unterwegs sein.«

Zigeuner lächelte geheimnisvoll. »Möglich«, räumte er ein.

»Dann werdet ihr Ortega nichts vormachen können«, behauptete sie. »Er wird das nach zehn Minuten, wenn wir es versucht haben, durchschauen.«

»Vermutlich haben Sie recht«, gestand er zu. »Aber wir legen unterwegs logisch erscheinende Köder aus, die zu übersehen er sich nicht leisten kann. Falls Brazil wirklich entdeckt und bei euren Streitkräften gesehen wird — vor allem bei Ihnen, die Sie hier im Zimmer sind —, wird es keine Frage geben. Ortega weiß, wie der Schacht funktioniert. Er hat in der letzten Zeit genug falsche Brazils durchkommen sehen, um dem richtigen hier in Zone vermutlich zu erklären, er möge sich verdrücken. Aber nur so lange, bis jemand durch den Schacht geht. Dem System zufolge wird nur Brazil am anderen Ende noch wie Brazil aussehen. Niemand sonst wäre dazu imstande — und die medizinischen Techniken, die wir auf den Kom-Welten angewendet haben, sind hier nicht bekannt. Weshalb auch? Sie sind nicht nötig.«

»Wie wollen Sie zwei Brazils zustande bringen?« erkundigte sich Yua.

»Passen Sie genau auf«, sagte Zigeuner grinsend und schloß die Augen. Kurze Zeit geschah nichts, dann schien sein Körper plötzlich zu schimmern und zu wabern und ein wenig zu schrumpfen. Langsam, ganz langsam nahm Zigeuner die äußere Erscheinung von Nathan Brazil an.

»Du hast mir nie erzählt, daß du das kannst«, murrte Marquoz. »Das hätte mir eine Menge erspart, Mann.«

Die Erscheinung Nathan Brazils, jetzt verfestigt und ganz echt wirkend, zeigte ein Zigeuner-Grinsen.

»Es gibt vieles, was ich dir nicht erzählt habe, alter Freund.« Er sah sie der Reihe nach an. »Also? Glaubt ihr, daß es funktionieren wird?«

Bis auf Asam, der Brazil nie gesehen hatte, gafften sie alle die Gestalt an. Es war Brazil, vollkommen, ganz exakt, bis aufs Haar. Selbst Stimme und Tonfall waren richtig.

»Es wird klappen«, bestätigte Mavra. »Sie konnten mich überzeugen, und ich habe es gesehen.« Aber im Innersten beunruhigte sie das sehr. Obie hatte ihm trotz Zigeuners Behauptungen nicht die Fähigkeit verliehen, das zu bewirken.

Obie mochte gewußt haben, daß Zigeuner diese Fähigkeit besaß, und entsprechend geplant haben, aber Zigeuner das Talent zu verleihen, überstieg selbst Obies Möglichkeiten. Um jemand anders zu werden, nach Wunsch aufzutauchen und zu verschwinden, mußte man durch die Parabol-Antenne. Es gab nur eine mögliche Erklärung.

»Hypnose wird einen lebendigen Beobachter täuschen«, erklärte sie, »aber niemals eine Kamera.«

»Es ist keine Hypnose«, sagte der Brazil, der nicht Brazil war. »Es ist echt. Es läßt sich fotografieren, es hält sogar — angenehmer Gedanke! — einer Obduktion stand. Ich bin Zelle für Zelle Brazils genaues Abbild. Und solange ihr mich alle behandelt, als wäre ich Brazil, und solange ich darauf achten kann, mich ständig wie Brazil zu verhalten, wird es klappen. Sie werden hinter uns her sein wie die Bienen hinter dem Honig.«

Yua starrte ihn kurze Zeit an.

»Sie sind mächtiger als Brazil«, sagte sie tonlos. »Wie kann das sein?«

Zigeuner lachte ein wenig unsicher.

»Wenn das nur wahr wäre. In einem gewissen Sinn bin ich mächtiger. Aber nur in bezug auf mich selbst. Ich könnte keinen von Ihnen auf irgendeine Weise verwandeln, könnte Sie nicht hypnotisieren, nicht zwingen, irgend etwas zu tun, was Sie nicht tun wollten, außer ich rede Ihnen ein Loch in den Bauch oder etwas Ähnliches. Nein, Yua, ich habe Fähigkeiten, die Brazil in seiner jetzigen Form nicht besitzt. Sie haben sie alle, wenn Sie genau nachdenken. Aber das ist auch schon alles. Eigentlich ein Schwindel. Nur ein Trick. Merken Sie sich nur das eine: Ich kann genauso leicht getötet werden wie irgendeiner von Ihnen. Ich rechne damit, daß ich dabei umkomme. Vielleicht sterben wir alle. Aber nicht Brazil. Er kann nicht sterben. Der Schacht läßt es nicht zu.« Er schwieg einen Augenblick und überdachte seine Worte, beinahe so, als versuche er zu entscheiden, ob er überhaupt etwas sagen sollte. Schließlich erklärte er:»Hören Sie, das sind alles Vermutungen, aber ich glaube, Brazil will sterben. Ich glaube, er plant das.«