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Ja, entschied er. Er hatte sich verändert — vor der Sechseck-Welt. Jahrzehnte als Schmuggler, Pirat, Söldner, was auch immer, hatten gegen Ende seines Lebens ein Gefühl gelangweilten Unbehagens erzeugt. Er war zu dem Schluß gekommen, daß er alles getan hatte, was man tun konnte, alle Welten erobert hatte, die er würde erobern können, mit allen schönen Frauen geschlafen hatte, die er sich wünschen konnte. Er hatte alles getan und viel Spaß dabei gehabt, aber was blieb noch? Deshalb war er mit seinem Raumschiff hinausgeflogen, bemüht, den Mut aufzubringen, sich zu töten, ohne in der Lage sein, über seinen strengen katholischen Glauben hinwegzukommen, von dem er sich abgewandt hatte, als er noch sehr jung gewesen war, aber der ihn nun wieder verfolgte. Selbstmord, das einzige Verbrechen, das nicht bereut werden konnte… Er war hinausgeflogen, immer weiter hinaus in noch unerforschte, unvermessene Bereiche, und hatte sich bei dem Wunsch ertappt, es möge irgendeine neue Welt geben, neues Erleben für ihn, das seinem Leben neuen Sinn verleihen konnte. Dann war jenes seltsame Notsignal gekommen, ein Blick auf einen dichten Asteroidengürtel in einem riesigen leblosen System um einen roten Riesen, und ganz plötzlich hatte er sich auf der Sechseck-Welt befunden, der Antwort auf seinen Traum.

Oder doch nicht? fragte er sich. Als junger Ulik hatte er neu angefangen, eine neue Gesellschaft, neue Kultur kennengelernt, während er Macht erwarb, ein ganzes neues Spektrum von Lust erlebt. Aber das war lange her.

Und nun stand er wieder einmal an dem gleichen Punkt wie vor so langer Zeit. Es blieb einfach nichts mehr zu tun. Ein mit Samt bespanntes Gefängnis, hatte Brazil es genannt. Aber diesmal gab es keine markovischen Löcher, durch die er stürzen, keine neuen Sechseck-Welten mehr, wo er neu anfangen konnte.

Er dachte wieder an Brazil. Wenn der so alt war, wie er behauptete, war er weit über vierzehn Milliarden Jahre alt. Vierzehn Milliarden Jahre. Der Verstand konnte das gar nicht erfassen. Er bezweifelte sogar, ob Brazils Gehirn dazu imstande war. Nie verändert, nach einiger Zeit immer wieder dasselbe Leben, eines nach dem anderen. Keine Wiedergeburt, keine neuen Erfahrungen. Dieselbe Form, immer das gleiche, beschränkt sogar durch die Technologie der Leute, bei denen er sich von der Außenwelt abgeschnitten hatte. Die Verhöre bei den Neuzugängen — wenigstens bei den letzten — ergaben, daß man ihn durch Nachforschungen aufgespürt hatte, denn sogar er hinterließ Spuren.

Brazil war kaum unauffällig gewesen. Er schien an allen Kriegen und Bewegungen auf der Alten Erde beteiligt gewesen zu sein, stets in den Schlagzeilen, immer im Vordergrund, aber doch so klug, daß, selbst wenn seine Tarnung einmal verrutschte, neue Legenden entstanden. Der Fliegende Holländer, der Ewige Jude, Gilgamesch.

Brazil versuchte, der letzten Langeweile und dem Wahnsinn zu entrinnen, begriff Ortega als einziger. Aber was, zum Teufel, tut man, wenn man alles getan hat und nichts mehr zu tun bleibt? Man steuert ein Frachtschiff zwischen Langeweile und Eintönigkeit und versucht zu vergessen, wer man ist, was man ist, schließt sich innerlich einfach ab.

Brazil meinte, das könnte lustig werden. Lustig! Und nur für Ortega ergab das Sinn.

Aber damit stand er vor einem Problem. Sollte er es noch einmal mit Brazil aufnehmen, um festzustellen, ob er immer noch der Meister der schmutzigen Tricks und des Schlages unter den Gürtel war, immer Herr der Lage? Die Verlockung war da — ganz gewiß. Es würde Spaß machen, wie Brazil gesagt hatte.

Aber wenn er, Ortega, gewann, würde es einen Sieg geben? Wenn er darauf nur die Antwort gewußt hätte…

Dillia

Asam und Mavra Tschang blickten auf ihre Armee. Sie war nach den Maßstäben der Geschichte des Universums nicht riesig, aber für die Sechseck-Welt gewaltig.

»Sechs Wochen«, murmelte Asam vor sich hin, »all das in sechs Wochen.«

Sie hörte ihn, drehte sich um und lächelte.

»Wenn wir mehr Zeit hätten, würden wir noch mehr erreichen«, erwiderte sie. »Die Neuzugänge strömen immer noch herein.«

Es war in der Tat zum größten Teil eine Armee von Neuzugängen, eine Armee, bestehend aus Wesen, die flogen, krochen, glitten, wirbelten und sogar quollen. Ungefähr hundertfünfzig bis zweihundert von etwa achtzig Hexagons — achttausend fremde Wesen. Dazu kamen über tausend Dillianer, die besten von Asam ausgesucht, um die Ehre von Dillia zu rächen, und vielleicht noch einmal tausend einheimische Sechseck-Welt-Bewohner, die von sich aus oder auf Anraten ihrer Regierungen beschlossen hatten, auf dieser Seite am Kampf teilzunehmen.

Eine solche Armee hatte natürlich mit mehreren Problemen zu kämpfen, vor allem, was Kommunikation und Logistik anging. Dadurch, daß man einfach dafür gesorgt hatte, die Kommandeure jeder Rassenkompanie mit Übersetzer-Kristallen auszurüsten, und sie dadurch die Kom-Sprache gebrauchen konnten, war die Kommunikation ein wenig erleichtert worden.

Was die Ernährung der Massen anging, wollte man mitnehmen, was man konnte, und sich im übrigen aus der jeweiligen Umgebung versorgen. Es war keine Armee zur Eroberung, sondern eine marschierende; immerhin veranlaßte ihr Zielbewußtsein sie dazu, dort, wo man hinkam, Eigentumsrechte nicht sonderlich zu beachten. Nahezu die Hälfte der Soldaten waren Pflanzenfresser wie die Dillianer und konnten sich fast überall durchbringen, auch wenn die Kost nicht so gut schmeckte. Was die übrigen betraf, so hatten sie Vorräte dabei, aber diese würden für den langen Marsch niemals reichen oder auch nur frisch bleiben. Die Frage der Lebensmittel beunruhigte Mavra am meisten, besonders, weil einige Arten für andere durchaus eßbar waren.

Ein weiteres Problem bestand darin, daß sie zu viele aus dem Westen erhielten; überflüssige Leute, die sie besser dort gelassen hätten. Viele hatten sich an die Anweisungen einfach nicht gehalten, andere konnten es nicht. Man konnte nicht mehr als eine Milliarde Wesen ausreichend informieren.

Den Vogel schossen die Waffen ab, die zum Teil furchterregender Art waren. Nichttechnologische Hexagons erforderten Armbrust, Schwert, Axt und Pike. Die Dillianer konnten dabei bestehen, während einige von den anderen unterwegs ausgebildet wurden. Zusätzlich zu den Dillianern konnten auch noch andere mit Projektilwaffen umgehen. Es erforderte sehr wenige Kenntnisse, eine Maschinenpistole wirksam zu bedienen.

Es waren die Hochtech-Hexagons, die sie fürchteten. Dillia konnte diese Art von Rüstung nicht liefern, und durch eine Neulingsarmee, nackt auf dieser Welt wiedergeboren, ließ sich arg wenig kaufen oder stehlen. In sechs Wochen war da auch nicht viel zu erreichen.

»Es wundert mich nur, daß so viele von den Sechsecken, die gegen uns gestimmt haben, hier vertreten sind«, erklärte Mavra. »Ich hätte viel mehr Schwierigkeiten erwartet.«

Asam bewegte die Schultern.

»Nicht, daß viele Hexagons ihr Leben wirklich in die Schanze schlagen werden, gleichgültig, wo sie politisch stehen. Es gibt eine ziemlich starke gefühlsmäßige Reaktion, daß alles viel schöner wäre, wenn wir nur fortgehen würden, und genau das versuchen wir. Das wird sich noch verstärken, wenn ein Heer von dieser Größe Grenzen überschreitet. Man kann leicht mit dem Säbel rasseln, wenn der Feind fünftausend und mehr Kilometer entfernt ist.«

Sie nickte hoffnungsvoll, dann sagte sie:»Aber manche werden kämpfen.«

»Manche werden kämpfen«, bestätigte er. »Und die Entscheidungsschlacht, die zu erzwingen sie versuchen werden, wird eine scheußliche sein. Mach dir da nichts vor. Viele von diesen Leuten werden sterben, bevor das alles vorbei ist.«

Das war ein ernüchternder Gedanke, und sie schwieg eine Weile. Schließlich sagte sie:»Es heißt, daß auch eine Tiefsee-Armee aufgebaut wird. Hast du das gewußt?«

»Ich habe damit gerechnet«, gab er zurück. »Zigeuner sagte, wir wären nicht die einzigen — und jedes Hex nimmt gleich viele Neuzugänge auf. Vergiß nicht, Brazil hat viele alte Freunde gerufen, und da war die Besatzung deiner kleinen Welt. Ich nehme an, daß auch die Tiefsee-Streitkräfte nötig sein werden.« Er zog eine große Landkarte heraus und studierte sie.