»Kolonnen bilden«, knurrte er, und die Nachricht wurde abgesandt. »Ausschwärmen und Abwehrfront bilden.«
Dort unten konnten natürlich nicht alle durch eiserne Disziplin zusammengehalten werden. Auch für diese Soldaten war es der erste Kampf, und den Feind zurückweichen zu sehen, war für eine emotionell schon aufgeheizte Armee berauschend. Die Reihen dahinter, die in den Kampf noch nicht eingegriffen hatten, waren jedoch leichter zu führen, wobei Dillianer die Spitze übernahmen, und auf der freien Fläche wurde eine Abwehrfront gebildet, in die sich immer mehr Truppen ergossen, wobei manche vorrückten, die meisten aber nach rechts und links ausscherten.
Und plötzlich brachen aus dem Wald lebende Körper. Olbornier, ja, aber nicht nur Olbornier. Der Boden selbst schien lebendig zu werden unter Hunderten und Aberhunderten von Mäulern, alle vollgefüllt mit endlosen scharfen Zahnreihen.
Wieder wurden die vordersten Linien überrascht und niedergemäht, die hinteren aber bildeten Reserven, die nach beiden Seiten ausbrachen, um ihren angegriffenen Kameraden beizustehen.
Mavra blickte durch ihr Fernglas und schüttelte den Kopf. »Zu weit weg«, sagte sie seufzend. »Was sind das für Wesen?«
»Die von den Bäumen springen, sind natürlich auch Olbornier — und ich glaube, daß ich da oben noch viele Scharfschützen-Nester sehe. Aber sie haben den Wald und die natürliche Farbe ihrer Verbündeten dazu benützt, um die eigentliche Streitmacht zu tarnen.«
»Verbündete?« wiederholte sie verwirrt.
Er nickte.
»Riesenechsen mit den größten Mäulern und Bäuchen, die du je gesehen hast. Sie können tagelang regungslos liegen, aber wenn sie sich bewegen wollen, dann geht das wie der Blitz! Ich habe Zhonzhorpier auf zwei Beinen mit über zwanzig Kilometern in der Stunde laufen sehen — auf allen vieren können sie fast doppelt so schnell sein und hinter dir an einem Baum oder einer glatten Wand hinaufklettern.« Er blickte wieder durch das Glas. »Ha! Siehst du? Sie haben vergessen, daß ein Maschinengewehr kein Todesstrahler ist! Es kann Dauerfeuer abgeben, aber nur niedermähen, was es trifft, und es kann nicht alle treffen!« Er wandte sich an den Signalmann. »Alle Reserven Flankenangriff!«
Fast im selben Augenblick, als der Befehl hinausging, rückten die Reste ihres Heeres, ungefähr tausend Soldaten, aus einer Entfernung von je einem halben Kilometer beiderseits an und schlossen die Kämpfenden ein.
Asam seufzte und stellte sein Fernglas weg. Er wirkte plötzlich sehr alt und müde.
»Wir haben sie«, sagte er seufzend. »Wir haben gesiegt. Es muß noch viel gekämpft werden, aber wir sind die Sieger.«
Mavra sah ihn verwirrt an.
»Ich verstehe das alles immer noch nicht«, sagte sie.
Er griff nach einer Flasche, schraubte den Verschluß ab und trank einen großen Schluck. Es war viel stärker als Bier, aber er schluckte die Flüssigkeit wie Wasser.
Er hustete kurz, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und ließ die Flasche, die an einer Kette um seinen Bauch befestigt war, fallen. Er seufzte und grinste.
»Verbündete«, sagte er. »Und wen konnten sie bekommen? Nicht Alestol — sie sitzen in ihrem Hex fest. Auch keine Palim. Also blieb Zhonzhorp im Westen. Ein Hochtech-Hex. Da wurden diese hervorragenden Gewehre und Geschütze hergestellt. Die Zhonnies haben auch gegen uns gestimmt — wie die meisten, versteht sich —, und sie möchten außerdem, daß der Kampf auf dem Gebiet von anderen ausgetragen wird. Da bleibt die Landschaft unberührt.«
Die Reserven griffen wieder an und rückten näher zusammen.
»Die Olbornier werden jetzt versuchen, sich zu sammeln und neu anzugreifen, aber das wird ihnen nichts nützen. Siehst du? Einige von unseren Fliegern zeigen es ihnen, gleich hinter den Bäumen. Wenn wir uns vereinigen, wird in unserer Gegend kaum noch ein Feind da sein, und unsere vereinigten Truppen werden die Olbornier zurückdrängen. Damit ist es aus. Nicht mal ein ganzer Tag.«
»Ich verstehe immer noch nicht ganz«, sagte sie beharrlich.
»Warum hast du so angegriffen?«
Er grinste.
»Wenn wir uns in drei Gruppen gespalten hätten, hätten vielleicht zwei- oder höchstens dreitausend Truppen die offene Fläche überquert. Die Kätzchen wären nach der Bombardierung ungefähr bei derselben Zahl gewesen, so daß es gleich auf gleich ausgesehen hätte: zwar ihr Gelände, aber unsere überlegene Kampfführung. Wenn die Flankentruppen unseren vordersten Reihen zu Hilfe gekommen wären, hätten die Zhonzorpier eingegriffen. Wieder wäre die Zahl gleich gewesen, aber sie hätten den Überraschungseffekt für sich gehabt. Ihre drei Gruppen hätten sozusagen Rücken an Rücken gekämpft. Wenn irgendeine sich durchgesetzt hätte, wäre sie dort in den Kampf geworfen worden, wo es für sie mulmig stand. Wir wären auseinandergerissen worden, eine feindliche Truppe zwischen je zwei von unseren. Sie hätten standgehalten.«
Sie stürzte auf ihn zu, umarmte und küßte ihn.
»Oh, Asam! Was hätte ich nur ohne dich gemacht?«
Er blickte auf sie hinunter und lächelte.
»Einen anderen Trottel gefunden«, erwiderte er trocken. Sie wußte nicht recht, ob er einen Witz machte oder nicht.
An der Grenze Bahabi-Ambreza
»Die Leute sind ziemlich sauer, Sir«, meldete der Hakazit-General verärgert. »Ich meine, das ist nicht das, wofür sie sich gemeldet haben. Ich kann es selbst nicht glauben. Fast neunhundert Kilometer, und wir haben noch niemanden getötet.«
Marquoz hob die Schultern.
»Was soll ich machen? Die ganze Armee von Durbis hätte angreifen sollen — Kraftfeld-Projektoren, Kampfhubschrauber und alles —, und als wir über den Hügel da marschierten, kamen plötzlich alle zu dem Entschluß, sie wollten doch lieber ans Meer, um sich zu erholen. Ich gebe zu, es ist viel leichter gegangen, als ich dachte — bis jetzt. Sagen Sie den Leuten aber, es wird kein Sonntagsausflug werden, den Isthmus hinaufzumarschieren.«
»Wollen wir auch hoffen«, murrte der General. »Sonst bringen sie uns alle beide um und begeben sich aus Prinzip auf einen Vernichtungszug.«
Marquoz lachte in sich hinein und wandte sich der Grenze zu. Kinder, dachte er. Wie kleine Kinder, die ständig träumen und Krieg spielen. Der ruhmvolle Kampf und so. Innerlich war er dankbar dafür, daß ein Heer von fünfzehntausend Hakazit-Kämpfern im Präzisionsmarsch durch einen breiten Landstreifen die Einheimischen gehörig erschreckt hatte. Er würde diese Armee später brauchen, das wußte er, und war seiner Sache nicht sicher, ob die Romanze nicht vorbei sein mochte, wenn ringsum die Kameraden niedergemacht wurden.
Er baute einen geradezu religiösen Glauben um den Absolutismus der Genetik auf, entschied er, und konnte nur hoffen, daß das keine falsche Gottheit war.
Ambreza würde auch keine Mühe machen, vermutete er. Man brauchte ihn in Glathriel und würde nahezu alles tun, um ihn dort hineinzulassen. Wieder hinauszukommen, das würde das Problem sein.
Wie bei vielen anderen Rassen und den meisten Hexagons hier bedeutete eine weiße Flagge oder ein Stofftuch dieser Art, man möge nicht schießen. Eine logische Wahl. Man konnte dergleichen auf weite Entfernung eben besser sehen. Manchmal fragte er sich unbehaglich, was wohl geschehen würde, wenn er je einer Armee begegnete, deren Nationalflagge weiß war.
Er befestigte die Flagge an einem Stock und ging den Hügelhang hinunter zu der Gruppe, die unter einem ähnlichen Banner wartete. Das wurde langsam alltäglich.
Die Ambreza waren riesige Nagetiere, die entfernt zu groß geratenen Bibern glichen, bis hin zu den vorstehenden Zähnen und dem großen, breiten Schwanz. Sie gingen aber aufrecht, auf starken Hinterbeinen, gebrauchten ihre Schwänze zum zusätzlichen Halten des Gleichgewichts. Ihr Ausdruck äußerster Unschuld täuschte. Einmal war dieses Hex Glathriel gewesen und nicht Ambreza. Ein Hochtech-Hex, dessen ›Menschen‹ eine starke, mächtige Zivilisation aufgebaut hatten, eine, die allein aus ihrer Trägheit heraus über ihren Lebensraum hinauswuchs, so daß man zu dem Schluß kam, man brauche, um weiter bequem leben zu können, das üppige Ackerland der Ambreza nebenan. Statt einen Kampf zu führen, der aussichtslos war, hatten die Ambreza sich auf die Suche begeben und, wie üblich, wenn man bestimmte unmögliche Dinge brauchte, das Nötige im Norden gefunden, bei so seltsamen, fremdartigen Rassen, daß man sie dazu veranlassen konnte, bestimmte Dinge zu produzieren, wenn man die richtigen Handelswaren hatte. Sie kamen nie auf den Gedanken, eine Waffe hervorzubringen, in diesem Falle ein Gas von brutaler Wirkung, das für alle, außer Menschen vom Typ 41, harmlos war.