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»Würde nicht gehen«, erwiderte er. »Obie könnte zwar ein Gebilde herstellen, das wie Zigeuner aussieht, aber keines, das sich bei Freunden und Mitarbeitern halten könnte. Nein, ich vermute etwas anderes. Als Sie Zigeuner begegneten, haben Sie gesehen, was Zigeuner Sie sehen und hören lassen wollte. Ich glaube, so viel Macht besitzt er. Und als er den Markovierplaneten erreichte, erhielt er von dessen Computergehirn genug an Reserven, um die Illusion sogar dann noch aufrechtzuerhalten, als er fort war.«

»Sie gelten doch als Markovier«, stellte Asam fest. »Konnten Sie denn einen anderen nicht erkennen? Wenn es einen gibt, warum nicht auch zwei?«

Er schüttelte den Kopf.

»Nein, ich glaube nicht, daß das die Lösung ist. Sie ist möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Ich habe einfach das Gefühl, daß die Lösung von Zigeuners Rätsel vor unseren Augen steht, einfach, logisch, naheliegend, aber wir können sie nicht sehen. Es spielt in Wahrheit auch gar keine Rolle, nur wird es mich eines Tages verrückt machen. Tatsache ist, daß er eben tun kann, was er tut, und Obie das genutzt hat.«

Marquoz sah den kleinen Mann schief an.

»Wenn Zigeuner diese Dinge tun kann, warum Sie nicht?«

»Weil ich kein Markovier bin und nicht die geringste Ahnung habe, wie das System arbeitet«, erwiderte er rasch. »Das heißt nicht, daß ich den Schaden nicht beheben kann — ich weiß sozusagen, welche Knöpfe ich drücken muß. Abgesehen davon, unterscheide ich mich von Ihnen beiden gar nicht so sehr. Ich kann die markovische Energie nicht sehen, nichts Besonderes spüren und die Kraft auch nicht anwenden. Ich besitze Macht nur im Inneren der Maschine — und selbst dort bin ich derjenige, der den Computer bediene, und nicht sein Konstrukteur. Das ist ein großer Unterschied.«

»Das hört sich an, als schätzten Sie sich recht gering ein«, meinte Asam. »Viele Leute haben für Sie gekämpft und ihr Leben verloren.«

»Oder was noch alles«, erwiderte er düster. »Nein, es ist nichts Besonderes an mir, Asam. Ich konnte nicht einmal bei Mavra die Verantwortung übernehmen. Ich habe das lästige Kind anderen zugeschoben. Sie hat mir wohl zu Recht etwas vorzuwerfen.«

»Sie werden sich doch da nicht ein bißchen schuldig fühlen, hm?« bohrte der Zentaur.

Brazil lachte leise.

»Nein, Asam, eigentlich nicht. Die Wahrheit ist die, daß ich wirklich wahnsinnig werden müßte, wenn ich Schuldgefühle an mich heranlassen würde. Vielleicht bin ich das ohnehin, aber ich kann einfach nicht mehr viel empfinden. Ich lebe eben schon zu lange. Viel zu lange.«

»Bitterkeit?« fragte Marquoz.

»Keine Bitterkeit. Ich bin nur müde. Sehr, sehr müde, Marquoz. Sie können sich nicht vorstellen, was es heißt, unzählige Jahrhunderte hindurch Tag für Tag, Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert zu leben. Ich bin sehr, sehr dumm, Marquoz. Ich habe mir das selbst angetan. Ich habe das frei und unbehindert gewählt, ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur eine Sekunde lang zu zweifeln. Aber niemand, wirklich niemand kann sich die grauenhafte Einsamkeit vorstellen. Es ist einsam und langweilig. Rassen reifen nicht über Nacht; sie brauchen Jahrtausende dazu. Und du wartest und siehst, wie alle, die dir etwas bedeuten, alt und zu Staub werden, und die Menschheit rückt jedes Jahrhundert vielleicht einen Millimeter oder noch weniger vor. Schließlich stellst du fest, daß du aussteigen willst, stellst fest, daß du es nicht mehr aushältst — und du kannst nicht aufhören. Man sitzt in der Falle.«

»Zigeuner hat uns gesagt, Sie würden sich vielleicht umbringen, sobald Sie den Schacht repariert haben«, meinte Asam beunruhigt. »Offenbar liegt er nicht so weit daneben.«

Brazil lächelte bitter.

»Es kommt ganz darauf an, Asam. Das ist der einzige Ort, wo ich es überhaupt tun kann, aber es geht nicht, wenn nicht jemand da ist, der mich ablöst und die Verantwortung übernimmt.«

Der Dillianer packte Brazil plötzlich mit eisernem Griff.

»Nicht Mavra! Mavra werden Sie das nicht antun!« knurrte er.

Brazil langte hinauf und löste die Hände des zornigen Zentauren von seinen Schultern.

»Ich werde das keinem antun, Asam«, sagte er leise. »Ich könnte es gar nicht. Alles, was ich tun kann, ist, etwas zur Wahl stellen. Das ist alles, was jemand in seinem Leben bekommt — die Wahl. Ich bin in dem ganzen verdammten Universum der einzige, der in Wirklichkeit überhaupt keine Wahl hat.«

Darauf gab es nicht viel zu sagen, und Marquoz kam wieder auf das eigentliche Thema zurück.

»Wie soll diese irre Geschichte dann weitergehen?«

Brazil sah zu Asam hinauf und rieb sich ein wenig die Schulter.

»Haben Sie vielleicht eine von Ihren Zigarren dabei, Colonel? Diese miesen, billigen Zigaretten, die ich geraucht habe, um Ihnen vorzutäuschen, ich sei Zigeuner, machen mich fertig.«

Asam kramte in seinen Sachen, fand zwei Zigarren, warf ihm eine davon zu und steckte die andere in den Mund. Marquoz sah traurig zu, als sie die Zigarren anzündeten, und wünschte sich nichts sehnlicher, als mitrauchen zu können.

»Ich schnuppere bei euch mit«, sagte er dumpf.

Als sie es sich wieder bequem gemacht hatten, sprach Brazil weiter und erläuterte, wie die Dinge bis jetzt abgelaufen waren.

»Zwei Nächte später wird Zigeuner sich bewußt in meiner Form zeigen«, fuhr er fort. »Das wird sie zu der richtigen Schlußfolgerung führen, daß der, von dem sie wissen, der Echte ist. Und ich werde nach wie vor hier sein — sozusagen.«

Marquoz nickte.

»Ich glaube, ich verstehe. Zigeuner wird seine Kräfte gebrauchen, um augenblicklich hierherzukommen. Brazil wird in gewohnter Weise auftauchen — nur werden Sie fort sein. Man wird glauben, den Richtigen vor sich zu haben, und zupacken.«

Er nickte.

»Und ich werde einen Tag Vorsprung haben. Ich beabsichtige, morgen abend fortzugehen. Ein paar von den Agitar-Neuzugängen, die wir vor ein paar Tagen aufgenommen haben, sind nicht, was sie zu sein scheinen. Sie gehören zur Besatzung der ›Nautilus‹ und haben zwei von diesen Pegasussen — Pegasi? Ach, egal. Jedenfalls bin ich ungefähr von derselben Größe wie einer von ihnen, und sie können ohnehin die doppelte Last tragen. Wir stellen die Hälfte der Mannschaft. Zwei Eflik werden auf einem Transportmittel, das für diesen Zweck gebaut worden ist, Mavra mitführen. Keine Angst, Asam, wir haben es ausprobiert. Es ist völlig sicher, und die Eflik können das Gewicht spielend bewältigen, wenn wir nicht länger als zwei Stunden hintereinander fliegen.«

»Das habe ich nicht gemeint«, sagte der Zentaur düster.

Brazil seufzte.

»Ich habe Ihnen doch erklärt, daß ich niemanden zu etwas zwingen würde. Sehen Sie mich nicht so an. Ich werde überhaupt nichts tun. Das hängt alles von Mavra selbst ab. Eigentlich ist das ihr Unternehmen.«

»Dann sollte sie lieber was anderes machen«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Sie fuhren herum.

Vor ihnen stand, ganz der alte, Zigeuner.

»Sie haben mich erwischt, bevor ich bereit war«, sagte der Neuankömmling angewidert. »Konnte nichts tun. Sie wollten mich unter Drogen setzen.«

»Ach, Scheiße«, murmelte Brazil. »Dann werden wir uns wohl auf den Weg machen. Es wird schwer für die Eflik, aber für uns ein bißchen riskanter. Wir müssen nachts fliegen und uns untertags verstecken. Verion wird in den nächsten Tagen nicht durchquert werden können — da tritt eine Art Brunstzeit ein, und die Würmer leuchten wie elektrische Lampen. Man wird uns bemerken, und was entdeckt wird, kann gemeldet und vielleicht abgeschossen werden. Das heißt, wir müssen nach Süden gehen — und Yuas Awbrier sind noch nicht weit genug gekommen, um Khutirs Truppen von der Avenue fortzulocken, oder auch nur als brauchbare Ablenkung zu dienen.«