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»Aber dann prallt sie direkt auf Khutirs Armee«, wandte der fremdartige Mann mit dem dunklen Teint ein. »Das wird ein Gemetzel. Khutir ist ihr zahlenmäßig und an Erfahrung weit überlegen.«

»Aber er wird ganz schnell erfahren, daß die Hauptarmee von seiner Flanke her auf die Avenue vorstößt. Ich wette, er wird entlang der breiten Front alles auf Abwehr umstellen und sie zu halten versuchen, bis Sangh hinter eurer Armee auftauchen kann. Er muß mit seiner Armee beide Verbände aufhalten, vergeßt das nicht, und dadurch ist er ausschließlich in die Defensive gedrängt, zahlenmäßig und waffentechnisch überlegenen Truppen gegenüber.«

»Während Sie inzwischen über seinen Kopf dahinfliegen«, meinte Marquoz leise lachend. »Nicht schlecht. Durchaus nicht schlecht.«

»Und nicht so einfach, wie es sich anhört«, warnte Brazil. »Es kann immer noch sein, daß ihr uns aus den Händen der Gegner befreien müßt, aber das ist trotzdem unsere beste Möglichkeit. Wenn eine der beiden Armeen Khutirs Abwehrfront durchstoßen kann, schön und gut. Marschiert zur Avenue, sucht euch die beste Stellung aus und führt notfalls ein Nachhutgefecht.«

»Wie… wie werden wir es erfahren, ob Sie es geschafft haben?« wollte Zigeuner wissen.

Brazil lachte leise.

»Nun, die Gedemondaner könnten es euch sagen, aber es wird einen einfacheren Weg geben, vor allem, wenn es dunkel ist.«

»Hm?«

»Wenn Mavra mir den Auftrag gibt, schalte ich ab«, erklärte er. »Dann erlöschen die Sterne.«

Zigeuner schluckte nervös.

Bache, im Morgengrauen

Mavra Tschang hatte sehr wenig Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorgängen zu äußern, aber es blieb ihr auch kaum eine Wahl. Immerhin, alles war besser, als sein Leben in Kuhgestalt zu beschließen, soviel stand fest, und die Ereignisse hatten sie auf den Weg zum Schacht der Seelen gezwungen, ob sie hinwollte oder nicht.

Sie wußte selbst nicht mehr genau, was sie für Brazil empfand, aber die Nachricht von Asams Verrat an der Sache war niederschmetternd für sie gewesen. Sie konnte sich so etwas nicht vorstellen, es nicht begreifen und kam sich beschmutzt vor, weil es in ihrem Namen erwogen worden war. Wieder eine Illusion zerstört, wieder etwas Schönes plötzlich faulig geworden, verrottet. Sie fragte sich manchmal, ob sie nicht irgendeinen Fluch mit sich herumtrug, etwas, das alle verdarb oder zugrunde richtete, denen sie sich verbunden fühlte.

Die zweite Überraschung hatte der ersten geglichen; das Tier war zu ihr gebracht worden, und ein Gedemondaner hatte seine Hände auf ihren Kopf gelegt, ein zweiter die seinen auf den Pegasuskopf, ein dritter eine Hand auf die Köpfe seiner Genossen. Dann war sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf verfallen.

Diesmal war es schwerer für sie, vor allem deshalb, weil das Gehirn des Pegasus komplexer, wacher zu sein schien als das der Kuh. Seine eigene anfängliche Angst und Betroffenheit überwand sie nicht durch unbarmherzigen geistigen Druck wie bei der Kuh, sondern durch sanft beruhigende Einflußnahme, durch das Angebot einer Art Partnerschaft. Nach anfänglichem Widerstand und dem Wiederauffluten der Angst, hervorgerufen durch Verwirrung, schien das mächtige geflügelte Pferd sich zu beruhigen und sich mit dem Gedanken abzufinden. Als es sie annahm, schien es einen Augenblick des Schwindels zu geben, des Doppeldenkens und Doppeltsehens, bevor sich alles einrenkte. Sie war das Wesen, das Wesen war sie, und trotzdem gab es keine Unterdrückung, kein Auslöschen.

Auch Brazil erlebte das Neuartige, das ihn noch mehr erstaunte als Mavra. In gewissem Sinn trug sein Tier einen größeren Sieg davon, weil ihn mehr beschäftigte, was es für ihn tun konnte, als daß er auf lange Sicht der Pegasus hätte werden wollen.

Eine weitere Überraschung stellte die Sehfähigkeit der geflügelten Pferde dar. Sie sahen in helleuchtenden Farben, viel schärfer und mit stärkerer Auflösung, als Mavra oder Brazil das je erlebt hatten, und dazu kam ein fast unfaßbares Gefühl der Tiefe. Beide stellten fest, daß sie mit nur geringer Anstrengung den Blick mit außerordentlicher Klarheit auf ein Objekt an die vier Meter vor ihnen richten konnten, während die Schärfe ins Unendliche hinein erhalten blieb. Nur ganz Nahes war schwer zu sehen; die Augen waren entlang der Schnauze ein bißchen weit hinten angesetzt, aber wenn man ein Auge schloß, konnte man ein gutes, zweidimensionales Bild erhalten.

In der Ferne war die Armee bereits auf dem Marsch. Man konnte den Lärm bis hierher nach Süden hören, und im ersten Tageslicht waren große Schwärme von Flugwesen zu erkennen, die Wache hielten, während die Truppen nach Nordwesten vorstießen.

Prola rückte an Brazil noch einiges zurecht. Er hatte den Schock der Übertragung gerade überwunden, richtete sich in dem neuen Körper noch ein und versuchte mit der Tatsache zu leben, daß er von grellem Pastellrosa war, während Mavra in Hellblau erstrahlte. Die Reittiere der Agitar gab es in allen Farben. Obwohl dies ein Schlag für Brazils Experimentierlust war, handelte es sich bei beiden geflügelten Pferden um operierte Weibchen.

»Fertig für den Testflug?« fragte der Agitar nervös. Er hatte eigentlich nicht viel Erfahrung mit den Tieren und hatte sich auf die gute Ausbildung der Pferde verlassen. Seit Brazil darin steckte, waren beide Neulinge.

Brazil, der auch ziemlich nervös war, gab sich Mühe, das nicht zum Pegasus selbst durchdringen zu lassen. Er hatte alles geflogen, was der Mensch an Fliegendem jemals erfunden hatte, und flog mit Begeisterung — aber ganz allein für sich hatte er es noch nie versucht. Er spürte jetzt die Last auf seinem Rücken, als der Reiter sich auf dem eigens dafür gebauten Sattel niederließ, die Zügel ergriff und ihm die Fersen leicht in die Flanken stieß.

»Also«, sagte Prola heiser. »Traben wir zur Lichtung, damit wir feststellen können, ob das alles umsonst war.«

Brazil versuchte sich zu entspannen und dem Pferd die ganze Arbeit zu überlassen, aber das gelang ihm nur zum Teil. Die Augen zu schließen, nützte gar nichts, doch wenn er das nicht tat, fiel es schwer, abzuschalten und die Reflexe und die fremdartigen Gene das Kommando übernehmen zu lassen. Den Wind empfand er als so stark wie noch nie; die Wesen konnten offenbar die leichtesten Luftströmungen und -wirbel erspüren und sich ihrer bedienen. Er trabte hinaus und im Kreis herum, bis er im Wind stand. Fast bevor er einen Gedanken fassen konnte, spürte er, wie der Reiter die Schenkel zusammenpreßte, hörte er den Schrei»Hei!« und war unterwegs, über die Lichtung galoppierend. Er fühlte, wie die riesigen Flügel sich ausbreiteten, sich schräg in den Wind stellten, und begriff plötzlich, daß vieles von dem, was hier organisch vorging, seinen Erfahrungen als Flugzeugpilot entsprach.

Und verblüffenderweise konnte er den Wind sehen! Ganz transparent, freilich, und die Sehfähigkeit sonst nicht behindernd, aber es gab deutliche Unterschiede in den Luftströmungen, die er erkennen konnte.

Er spürte, wie er abhob, und unterdrückte seine Bedenken; seine Beine zappelten noch kurze Zeit, dann falteten sie sich wie ein Fahrwerk in am Boden nicht erkennbaren Höhlungen zusammen, wodurch Luftwiderstand und Hemmungen verringert wurden. Einmal in der Luft, ging es leicht, und das Gefühl zu fliegen war berauschend, hochzusteigen und mit den Winden, ja, manchmal gegen sie, dahinzusegeln, zu kreisen und sich frei hinauszuschwingen, ohne irgendein Gerät zwischen sich und den Elementen.