»Na und? Ist ja ein freies Land mit freier Berufswahl. Oder ist es dir unangenehm, mit mir zusammenzuarbeiten?«
»Quatsch. Aber ich brauche Mitarbeiter, die an dem Projekt interessiert sind, nicht an mir.«
»Wer sagt dir denn, dass ich nicht an dem Projekt interessiert bin? Lass dir doch mal von Sommer meine Bewerbungsunterlagen geben. Ich glaube kaum, dass du einen besseren Assistenten findest. Ich bin n?mlich ziemlich gut.«
Jetzt muss Nina grinsen. Warum eigentlich?
»Das weiss ich, Alexander. Aber darum geht’s hier nicht.«
»Ach. Und worum geht es dann?«
»Das weisst du ganz genau.«
»Nee. Erkl?r’s mir.«
Die beiden starren sich an. Nina r?uspert sich. »Gut. Was muss ich tun, um dich nicht mehr zu sehen?«
»Gib mir eine Chance. Geh mit mir essen. Verbringe vierundzwanzig Stunden mit mir. Und wenn du mich dann immer noch loswerden willst, verspreche ich, mich in Luft aufzul?sen.«
»Okay. Also vierundzwanzig Stunden?«
Alexander nickt.
»Vierundzwanzig Stunden.«
»Abgemacht.«
DREIUNDZWANZIG
Noch so ein Tag, und ich schmeisse hin. Meine Augen tr?nen, und meine Nase ist von dem Gestank der Autos schon richtig geschwollen. Das ist das Schlimmste! Abgesehen von meinen tauben Ohren, die nun seit mehreren Tagen den Krach von vorbeiknatternden Wagen und Motorr?dern ertragen m?ssen. Und das alles ohne jeden Erfolg. Ich beginne zu jaulen.
»Ehrlich, Herkules, jetzt reiss dich mal zusammen! Ich habe dir gleich gesagt, dass so eine Fahndung kein Zuckerschlecken ist.«
Herr Beck guckt mich streng an.
»Aber ich kann nicht mehr! Dieser ganze Verkehr macht mich fertig!«, verteidige ich mich.
»Nun sei doch nicht so weinerlich! Hart in der Sache und gegen sich selbst – das ist das Erfolgsrezept des wahren Kriminalisten.«
Das sagt nun gerade der Richtige. Sonst ist es doch immer Beck, der rummeckert. Und ausserdem bin ich ein Dackel, kein Kriminalist. Ich weiss ja nicht mal genau, was das Letztere ?berhaupt bedeutet.
»Beck, vielleicht ist unser Plan einfach gescheitert, und wir sollten nach Hause gehen.«
»Quatsch. So schnell willst du doch wohl nicht aufgeben. Denk an deine grosse Liebe – f?r eine H?ndin finde ?brigens selbst ich sie recht attraktiv und sportlich, wenn sie jeden Tag auf der Hundewiese trainiert. Ich muss sagen: Geschmack hast du.«
Tats?chlich hat unser bisheriger Einsatz zumindest dazu gef?hrt, dass Beck Cherie kennengelernt hat, als sie gestern mit ihrem Frauchen zur Hundewiese spazierte. Sie war sichtlich erstaunt, mich ohne Mensch, daf?r aber in Begleitung eines Katers anzutreffen.
»Wahrscheinlich findet mich Cherie jetzt erst recht wunderlich. Wir h?tten ihr schon mal von unserem Plan erz?hlen sollen.«
»Auf keinen Fall. Der ist streng geheim. Und nun mach dir nicht so viele Sorgen. Denk einfach daran, was f?r ein Held du sein wirst, wenn du ihr den Schurken auf dem Silbertablett pr?sentierst.«
»Genau:wenn. Ich meine, seit fast einer Woche h?ngen wir in jeder freien Minute hier rum – und von dem Typen keine Spur.«
»Ach, der wird schon kommen. Und unser Beobachtungsposten ist perfekt: Hier muss eigentlich jeder vorbei, der von Cheries Haus zur Alster will. Du siehst doch, wie viel hier los ist.«
Keine Frage, das sehe ich. Und riechen und h?ren tue ich es leider auch. Ich seufze und frage mich, ob ich unseren Kandidaten schon verpasst habe. Vielleicht ist er so schnell gefahren, dass ich keine Witterung aufnehmen konnte. Andererseits – die Stelle ist von Beck tats?chlich perfekt gew?hlt. Denn an der neben uns liegenden Kreuzung m?ssen alle, die Richtung Alster wollen, abbiegen, werden also langsamer oder halten ganz an. W?re der Kurier an mir vorbeigekommen, h?tte ich ihn bemerken m?ssen. Ich beschliesse, der Sache noch eine letzte Chance zu geben. Ohnehin m?ssen wir gleich wieder in die Werkstatt zur?ck. Zu lange k?nnen wir nicht auf unserem Posten bleiben, denn sonst w?rde Carolin merken, dass ich gar nicht mehr mit Beck im Garten bin.
»He, guck mal, ist das unser Mann?«
W?hrend mich diese Bemerkung von Beck noch vor drei Tagen elektrisiert h?tte, wende ich jetzt nur kurz den Kopf. Es ist immerhin das ungef?hr f?nfhundertste Mal, dass Herr Beck einen Verd?chtigen sichtet.
Von unserem Blickwinkel aus sieht der Fahrradfahrer allerdings schon sehr nach dem Typen aus, den wir suchen. Ich m?sste mal an ihm schnuppern. Ich trabe n?her an den Bordstein zur Strasse – und habe endlich mal Gl?ck: Die Ampel springt offensichtlich gerade auf Rot, jedenfalls h?lt der Mann direkt neben mir. Ich schn?ffele an dem Bein hoch, das er praktischerweise direkt vor meiner Nase abgestellt hat: Pfefferminz! Nun bin ich wirklich elektrisiert.
»Beck! Ich glaube, das ist unsere Zielperson! K?nnte es zumindest sein!«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»Okay. Zugriff!«
Mit diesem Kommando beginnt Teil zwei unseres Plans. Und ich hoffe sehr, dass wir uns dabei nicht alle Knochen brechen. Immerhin steht unser Mann schon, das erleichtert das Vorhaben immens. In voller Fahrt w?re alles deutlich gef?hrlicher, aber auch dann h?tten wir versucht, was wir nun in die Tat umsetzen.
Wie vorher tausendmal besprochen, l?uft Herr Beck zum Fahrrad, springt auf das Vorderrad und krallt sich in den Reifen. Dann passiert tats?chlich das, was er vorausgesagt hatte: Der Typ steigt von seinem Fahrrad ab.
»Sach mal, bist du irre, du Viech? Geh weg von meinem Fahrrad, los!«
Ah! Die Stimme! Jetzt habe ich?berhaupt keinen Zweifel mehr – der Kurier ist der Typ von der Alster. Und bestimmt ist er auch der Verkehrsrowdy, den wir suchen.
»He, weg da!«
Aber Herr Beck denkt gar nicht daran, dieser Aufforderung zu folgen. Stattdessen attackiert er den Vorderreifen, als h?tte er es mit einer sehr appetitlichen Maus zu tun. Ich schleiche mich von hinten an die beiden heran. Der Mann beugt sich zu Beck, versucht ihn zu verscheuchen. Aber noch hat er leider seine Tasche nicht abgelegt. Beck macht also weiter und versucht, einen Kampf zu provozieren. Er beisst in den Reifen, faucht und kreischt, was das Zeug h?lt. Der Kurier wiederum versucht, ihn von dem Fahrrad wegzuziehen, hat aber deutlich Respekt vor Becks Krallen. Und dann, endlich, endlich, nimmt er seine Tasche von der Schulter, um sich beim Kampf mit Beck besser bewegen zu k?nnen.
Als er sie neben sich auf den B?rgersteig gestellt hat und sich wieder zu Beck umdreht, schleiche ich so unauff?llig wie m?glich in Richtung Tasche. Nicht dass der Typ noch merkt, dass er es in Wirklichkeit mit zweien von uns zu tun hat. Ich packe die Tasche und ziehe sie vorsichtig weg. Gott sei Dank ist sie nicht besonders schwer. Beck besch?ftigt den Mann derweil, so gut er kann. Schliesslich brauche ich ein bisschen Vorsprung, um nicht gleich geschnappt zu werden. Ich halte nach dem n?chsten Geb?sch Ausschau. Dorthin schleppe ich meine Beute und gucke vorsichtig durch die Bl?tter. Bisher funktioniert unser Plan:Der Mann hat das Fehlen der Tasche noch nicht bemerkt und versucht inzwischen, mit seinen durch die Hemds?rmel gesch?tzten H?nden Beck von dem Fahrradreifen zu ziehen. Verdeckt durch die Str?ucher, laufe ich immer weiter von den beiden weg.
Ich renne mittlerweile so schnell, wie ich es mit einer Tasche im Maul eben kann. Einfach ist das nicht, mein Nacken ist schon ganz steif, aber die Angst, erwischt zu werden und eine Riesenmenge?rger zu kriegen, treibt mich voran. Noch zwei Ecken – dann bin ich endlich im Park vor unserem Haus. Ich halte kurz an und drehe mich um: Niemand folgt mir. Mir f?llt ein ziemlich grosser Stein vom Herzen, denn wer Hunde mit dem Fahrrad auf die Strasse schubst, hat bestimmt auch wenig Skrupel,Dackeln das Fell ?ber die Ohren zu ziehen. Ich hoffe nur, dass die Kuriertasche auch wirklich die Informationen enth?lt, die wir brauchen. Sonst war alles umsonst.
Am Haus angekommen, schleppe ich die Tasche nicht in die Werkstatt, sondern versteckte sie hinter einem der Blumenbeete. Aus der Werkstatt klingt Musik. Carolin spielt auf einer Geige. Sehr gut. Offenbar hat sie mich noch nicht vermisst. Ich lege mich unter den grossen Baum und warte auf Beck. Hoffentlich ist bei ihm auch alles glattgegangen – immerhin tut er das nur mir zuliebe.