»Puh, ganz sch?n scharf. Vielleicht sollte ich auf den Sekt umsteigen, das liegt mir doch mehr.«
»Oder mal ein Wasser zwischendurch?«
Caro kichert.»Quatsch. Das wirft uns doch Stunden zur?ck. «
»Hast Recht. Dann nehme ich den Cognac, und du kriegst den Sekt.«
Auf dem Hinweg zum Schr?nkchen stellt Daniel noch das Radio an. Langsam geht es hier zu wie in einer Bar, und ich ?berlege, ob mir diese Entwicklung gef?llt.
Irgendwann ist das Schr?nkchen leer. Daf?r stehen alle Flaschen und Fl?schchen, die es zuvor enthielt, sch?n ordentlich in Reih und Glied auf dem Tisch vor dem Sofa. Und es ist eine ziemlich lange Reihe – erstaunlich, was so alles in diesen kleinen Schrank reingepasst hat. Caro sitzt nicht mehr auf dem Sofa, sondern liegt, und Daniel krault ihren Kopf, denn der wiederum liegt praktischerweise auf seinem Schoss. Gesagt haben die beiden schon eine ganze Zeitlang nichts mehr, sie gucken sich einfach nur in die Augen.
Auweia. So sch?n friedlich dieses Bild auch ist – ich kann mich daran nicht erfreuen. Denn Caro ist doch Marcs Frau, nicht Daniels. Und auch, wenn sie von Marc nun das Schlechteste denkt – ich weiss ja, dass es nicht stimmt. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass wiederum Marc nicht begeistert w?re, wenn erCaro und Daniel so s?he. Das w?re vielleicht sogar das Ende unserer kleinen Familie, oder? Immerhin hat Caro damals mit Thomas kurzen Prozess gemacht, als sie ihm auf die Schliche mit der anderen Frau gekommen ist. Oh, oh, oh, diese Menschen! Die treiben mich irgendwann noch in den Wahnsinn! Dabei will ich doch einfach nur friedlich mit ihnen zusammenleben.
Jetzt sagt Caro doch etwas.»Weisst du, ich bin schon ganz sch?n m?de. Und ganz sch?n betrunken. Kann ich vielleicht bei dir ?bernachten? Ich will heute nicht nach Hause.«
»Wenn du m?chtest, gerne. In meinem Schlafzimmer steht ein sehr komfortables Doppelbett. Da passt du locker mit rein.«
»Danke, das klingt geradezu verf?hrerisch.« Carolin kichert.
Mir hingegen stellen sich die Nackenhaare auf. Ins Bett? Gemeinsam? Das verheisst nichts Gutes – jedenfalls nicht, wenn man wie ich der Meinung ist, dass Carolin und Marc sehr gut zusammenpassen und deswegen bittesch?n ein Paar bleiben sollen. Denn nach meiner Kenntnis nutzen M?nner und Frauen das Bett auch gerne f?r andere Dinge als den reinen Nachtschlaf. Kein Dackel k?me zwar auf die Idee, mit der Dame seines Herzens im Hundek?rbchen … aber lassen wir das. Fakt ist: Hier ist Gefahr im Verzug, und ich muss einschreiten.
Als Daniel und Caro Richtung Schlafzimmer wanken– undwanken ist hier w?rtlich zu nehmen, denn die vielen sehr kleinen und etwas gr?sseren Fl?schchen scheinen ihre Wirkung zu tun – trabe ich sofort hinterher. Das Gute daran ist, dass die beiden so mit ihrer Koordination besch?ftigt sind, dass sie mich ?berhaupt nicht beachten. Ich gelange also problemlos ins Schlafzimmer. Caro wirft sich aufs Bett, Daniel legt sich dazu. Ich ?berlege kurz – dann springe ich hinterher und platziere mich m?glichst unauff?llig am Fussende. Von hier aus kann ich alles gut beobachten und notfalls sofort eingreifen. Und ich werde nicht z?gern, es zu tun!
W?hrend ich noch ?berlege, ob mich ein beherzter Biss in empfindliche Teile von Daniel wohl die Freundschaft zu ihm kosten w?rde, deutet ein Ger?usch direkt ?ber mir darauf hin, dass zumindest Carolin heute Nacht keine wilden Dinge mehr plant: Sie schnarcht, und zwar ziemlich laut. Daniel drehtsich zu ihr – will er sie etwa wecken? Untersteh dich! Ich schiebe mich ein St?ck h?her und knurre ihn ganz unmissverst?ndlich an. H?nde weg von meiner Carolin!
»He, Herkules – willst du dein Frauchen besch?tzen? Brav! Ist aber nicht n?tig. Bei mir ist sie sicher wie in Abrahams Schoss. Ich weiss ja, dass ihr alles andere als ein friedliches Nickerchen in meinem Bett morgen leidtun w?rde. Also, Kumpel, keine Sorge. Ich gebe dir mein Wort als Gentleman. « Er streichelt mir kurz ?ber den Kopf.
Na gut. Ich habe zwar keine Ahnung, wer nun wieder dieser Abraham ist. Aber Daniels Wort vertraue ich. Und mit diesem sicheren Gef?hl schlafe auch ich beruhigt ein.
»Weisst du noch, was du beim Umzug zu mir gesagt hast?«
Beck sch?ttelt den Kopf.
»Nein, was denn?«
»Dass es deiner Erfahrung nach kein Happy End bei Menschen gibt.«
»Echt? Das habe ich gesagt?«
»Ja, hast du. Und langsam glaube ich, du hattest Recht.«
Meine Laune k?nnte heute kaum schlechter sein. Erstens habe ich nicht besonders gut geschlafen, weil ich trotz aller Beteuerungen von Daniel zwischendurch immer wieder kontrolliert habe, ob jeder von den beiden auch noch brav auf seiner Seite des Betts lag. Zweitens zerbreche ich mir den Kopf dar?ber, wie mandas Missverst?ndnis zwischen Marc und Caro aus der Welt schaffen k?nnte – doch leider f?llt mir nichts ein. Drittens – und das ist nun wirklich eine Katastrophe – habe ich heute Morgen im Garten gleich als Erstes nach der versteckten Tasche geschaut. Weg! Spurlos verschwunden! Unser sch?ner Plan komplett zunichte! Der Schmerz in meinem eigenen kleinen Herzen erinnert mich daran, dass ich auch auf ein Happy End f?r mich pers?nlich gehofft hatte. Beck starrt mich an.
»Kein Happy End? Ach, ich weiss nicht. Vielleicht lag ich damit auch falsch.«
Bitte? Endlich will ich den Grundpessimismus von Herrn Beck mal geb?hrend w?rdigen, da ?ndert der seine Meinung? Offenbar sehe ich sehr erstaunt aus, denn Herr Beck setzt zu einer Erkl?rung an.
»Ja, m?glicherweise wird manchmal doch alles gut. Nehmen wir zum Beispiel Nina: Zum einen hat sie jetzt einen total netten und zuverl?ssigen Mitbewohner – n?mlich mich. Und zum anderen scheint sie frisch verliebt zu sein. Und das, obwohl sie den Typen neulich noch unangespitzt in den Boden rammen wollte. Tja – und heute fr?h kommt sie bestens gelaunt und fr?hlich pfeifend in unsere Wohnung spaziert. Mit dem Herrn Nachbarn an der Hand. Die beiden haben zusammen gefr?hst?ckt, was gar nicht so einfach war, weil sie sich zwischendurch immer k?ssen mussten. Und dann ist sie mit ihm wieder abged?st. So schnell kann’s also gehen mit dem Gl?ck.«
Ich bin beeindruckt. Aber nur kurz. Dann fallen mir alle Sachen wieder ein, die bei mir f?r extremes Kopfzerbrechen sorgen.
»Trotzdem. Ich f?rchte, dein Verdacht war richtig. Bei Marc und Carolin sieht es eher so aus, als w?rde dort alles m?chtig schiefgehen. Wegen eines ganz bl?den Missverst?ndnisses.«
Ich schildere Herrn Beck haarklein die ganze Geschichte von Caro, Marc und Sabine und zwar inklusive des Treffens im Violetta und des verd?chtigen Buches. Beck h?rt aufmerksam zu und sch?ttelt hin und wieder den Kopf.
»Und leider ist das mit dem fehlenden Happy End nicht auf Menschen beschr?nkt: Ich weiss immer noch nicht, ob ich jemals wenigstensein Rendezvous mit Cherie haben werde. Denn irgendjemand hat die bl?de Tasche aus dem Blumenbeet geklaut.«
»Ja, das habe ich auch schon gesehen. ?rgerlich, aber kein Drama.«
»Kein Drama? Mit unserem tollen Plan ist es jetzt Essig! Die ganze M?he umsonst. Ach, es ist einfach alles aussichtslos. « Frustriert lasse ich mich neben Beck ins Gras fallen. Wenigstens f?hlt sich das gut an, denn es ist warm und weich.
»Herkules, das ist ein klarer Fall von Katzenjammer, den du da gerade hast.«
»Katzenjammer? Was ist denn das? Klingt wie etwas, das Hunde gar nicht bekommen k?nnen.«
Herr Beck sch?ttelt den Kopf. »Nee. Den kann jeder kriegen, der eigentlich besonders gut gelaunt ist. Damit h?ngt der n?mlich zusammen. Mit der guten Laune, oder besser gesagt: mit zu guter Laune. Also, wenn sich jemand ganz doll freut und dann pl?tzlich merkt, dass doch nicht alles so rund l?uft, wie erdachte, dann ist er nat?rlich besonders entt?uscht. Und diese Entt?uschung nennt manKatzenjammer. Was eigentlich eine Frechheit ist, weil gerade wir Katzen doch viel zu schlau sind, um so?bertrieben euphorisch zu sein. Es m?sste vielleicht eherHundeungl?ck heissen.«
Na, vielen Dank. Wenn mir noch etwas gefehlt hat, dann Becks Schlaumeierei. Ich rapple mich wieder auf und laufe in Richtung Terrassent?r zur Werkstatt. Anstatt mich weiter verspotten zu lassen, gucke ich mal, ob es nicht wenigstens etwas zu fressen f?r mich gibt. Immerhin ist die Mittagszeit schon fast vorbei.