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»He, warte doch!«, ruft mir Beck hinterher. »Das war nicht so gemeint! Entschuldige!«

Pah. Der kann mich mal. Bevor ich jedoch die Treppen zur Werkstatt hinunterspringen kann, kommt Herr Beck im gestreckten Galopp angeprescht und direkt neben mir zu stehen.

»Hallo, Herr von Eschersbach! Ich habe mich entschuldigt. Nun sein Se mal nicht nachtragend, sondern lassen Sie uns lieber ?berlegen, wie wir Sie aus diesem Stimmungstief wieder nach oben kriegen.«

Ich setze mich.

»Na gut. Was schl?gst du vor?«

»Mal sehen. Die Sache mit der Tasche, um die k?mmere ich mich. Es war meine Idee, also bringe ich das auch zu Ende. Wirst schon sehen.«

»Aber wie willst du das denn machen? Ohne die Tasche geht’s doch gar nicht. Wir h?tten sie einfach besser verstecken m?ssen – sie draussen liegen zu lassen war echt hirnrissig.«

»Mag sein, aber Selbstvorw?rfe bringen uns nun auch nicht weiter. Und Aufgeben kommt nicht in Frage. Mir wird schon etwas einfallen. Mir f?llt immer etwas ein.«

Ich seufze. Der Kater scheint wild entschlossen.

»Und mit Marc und Carolin?«

»Auch da w?rde ich sagen: nur die Ruhe. Denn sein wir mal ehrlich: Wenn Carolin mittlerweile so wenig Vertrauen zu Marc hat, dass sie ernsthaft glaubt, er w?rde hinter ihrem R?cken wieder was mit seiner Exfrau anfangen, dann kannst du auch nichts dran machen. Wenn sie ihn wirklich liebt, muss sie sich ein Herz fassen und mit ihm sprechen. Dir empfehle ich, dich da rauszuhalten. Das ist eindeutig Menschenkram.«

Wahrscheinlich hat Beck Recht. Ich sollte mich da raushalten. Das wird mir allerdings verdammt schwerfallen. Vielleicht haben wir auch Gl?ck, und alles regelt sich von selbst? Ich beschliesse vorzuf?hlen, ob die Stimmung in der Werkstatt vielleicht schon ein bisschen besser ist. Eben war Caro verdammt schweigsam, hoffentlich ist sie mittlerweile munterer.

Nein. Sie steht immer noch an ihrer Werkbank, scheinbar konzentriert auf ihre Arbeit. Daniel lehnt neben ihr an der Wand und mustert sie nachdenklich.

»Willst du ihn denn nicht wenigstens mal zur?ckrufen?«

»Nein.«

»Er hat schon dreimal angerufen. Beim vierten Mal verleugne ich dich nicht mehr.«

Schweigen. Daniel zieht sich seine Jacke an.»Ich fahre jetzt noch mal zu Lemke und komme heute nicht mehr rein. Und ich glaube, du machst einen Fehler. Marc weiss doch gar nicht, was eigentlich los ist.« Dann schnappt er sich die Schl?ssel, die auf seiner Werkbank liegen, und geht los.

Als die T?r ins Schloss f?llt, nimmt sich Caro das Telefon und tippt eine Nummer ein.

»Hallo, Nina. Bist du an der Uni? Und noch mit deinem Experiment besch?ftigt? Ach so … na, ich dachte, wir k?nnten vielleicht einen Kaffee zusammen trinken.« Nina scheint etwas l?nger auszuholen, jedenfalls sagt Caro eine ganze Weile gar nichts. »Aha. Na gut, dann komme ich sp?ter auf ein Glas Wein vorbei … nee, muss ich dir pers?nlich erz?hlen. Bis dann.« Klick.

Sie hat aufgelegt. Ohne mich eines Blickes zu w?rdigen, geht Caro in die kleine K?che und holt sich ein Glas Wasser. Aus ihrer Handtasche kramt sie ein kleines Pappsch?chtelchen, holt zwei kleine weisse Bonbons daraus hervor und schluckt diese. Dann stapft sie wieder zu ihrer Werkbank zur?ck.

Wenn Carolin in dieser Stimmung ist, mag ich sie gar nicht. Gut, so grimmig wie heute ist sie selten, und es ist?berdeutlich, dass es ihr nicht gut geht. Aber ist das ein Grund, seinen treuen vierbeinigen Freund zu ignorieren? Ich laufe hinter ihr her, springe dann auf den Korbsessel neben ihrer Werkbank und belle einmal laut und kr?ftig. Hallo, Caro! Nun guck mich doch wenigstens mal an! Endlich dreht siesich zu mir um.

»Mann, Herkules! Jetzt nerv du nicht auch noch!«

Bitte? So eine Unversch?mtheit! Ich, der immer nur ihr Bestes im Sinn hat. Undank ist der Welten Lohn. Ach, Quatsch: Undank ist der Menschen, insbesondere der Frauen Lohn. Beleidigt igle ich mich im Kissen des Sessels ein und starre b?se zu Caro hin?ber. Aber sie beachtet mich schon nicht mehr, sondern bl?ttert wieder in dem unseligen Buch von Sabine. Von wegendu bist der einzige Mann, auf den ich mich wirklich verlassen kann. Wenn du alle anderen M?nner auch so behandelst wie mich, dann bist du bald verlassen. Du wirst schon sehen, was du davon hast.

Genau– das ist ?berhaupt die Idee! Verlassen! Warum bin ich nicht schon eher darauf gekommen? Ich werde sie verlassen. Ich haue ab! Und zwar noch heute. Vielleicht kommt Caro dann wieder zur Besinnung. Ha, ein Spitzenplan! Wenn sie nachher mit Nina ein Glas Wein trinkt, mache ich mich davon. Ich weiss auch schon genau, wohin ich fl?chten werde. Zu einem Leidensgenossen. Und ich bringe ihm etwas mit. Etwas, das ihm geh?rt.

F?NFUNDZWANZIG

Herkules, was machst du denn hier? Und was hast du da im Maul?«

Marc beugt sich zu mir hinunter und zieht vorsichtig an dem Buch, das ich immer noch im Fang halte. Langsam lasse ich los und hoffe, dass es meine Flucht aus der Werkstatt heil?berstanden hat. Na ja, es ist ein bisschen vollgesabbert, aber insgesamt sieht es doch noch anst?ndig aus. Marc wischt mit seinem ?rmel ?ber den Buchdeckel und betrachtet ihn eingehend.

»Die zweite Chance. Hm.« Dann schl?gt er das Buch auf und liest. »Lieber Marc… auweia!« Irritiert starrt er mich an. »Woher hast du das, Herkules?« Er steht auf und geht kurz aus dem Behandlungszimmer. Ich h?re ihn mit seiner Mutter sprechen.

»Sag mal, und sonst war niemand vor der Haust?r?«

»Nein. Nur Herkules mit dem Teil im Maul. Wollte er mir ?brigens nicht geben, hat gleich geknurrt. Ich habe mich auch gewundert. Aber er wird ausgeb?xt sein. Typisch Jagdhund. Erinnerst du dich noch an unseren Terrier Trudi? Die ist doch auch immer …«

»Ja, Mutti«, unterbricht Marc sie, »ich weiss. Ich dachte nur, dass Carolin vielleicht mit ihm unterwegs war, und er schon mal vorgelaufen ist.«

»Aber Junge, Carolin hat doch einen Schl?ssel. Die w?rde einfach reinkommen. Und falls sie ihn vergessen h?tte, h?tte sie l?ngst geklingelt. Nein, als ich eben zur Post wollte, sass nur Herkules vor dem Hauseingang. Sonst niemand.«

»Hm.«

»Sag mal, wo steckt Carolin denn? Ich habe sie heute Morgen gar nicht gesehen.«

»?h … sie hat doch gerade diesen Riesenauftrag. Musste zu einem Ausw?rtstermin.«

»Na, und l?sst dich hier einfach allein? Ja, ja, diese berufst?tigen Frauen.« Sie lacht.

»Ach, Mutter, wo du gerade davon sprichst – wenn du mit der Post fertig bist, w?rde ich mich gerne mal in Ruhe mit dir unterhalten.«

»Wor?ber denn?«

»Wie wir hier weitermachen. Sag einfach Bescheid, wenn du wieder da bist.« Er kommt zur?ck zu mir ins Behandlungszimmer.

»Herkules, ich w?nschte, du k?nntest sprechen. Wie bist du nur an dieses Buch gekommen? Und was ist gestern passiert? Weisst du, ich mache mir wirklich Sorgen.«

Da sagt er was! Auch ich w?rde ihm zu gerne erz?hlen, was es mit dem Buch auf sich hat und warum Carolin sich so schrecklich verh?lt. Aber stattdessen kann ich nur die Ohren h?ngen lassen und ihn traurig angucken. Marc seufzt.

»Tja, Kumpel. Hoffen wir einfach mal, dass sich alles wieder einrenkt. Ich schlage vor, du vergn?gst dich ein bisschen im Garten. Und wenn ich das unangenehme Gespr?ch mit meiner Mutter hinter mich gebracht habe, machen wir beide etwas Sch?nes: Wir holen Luisa vom Hort ab und gehen gemeinsam ein Eis essen. Was h?ltst du davon? Ich finde, das haben wir uns als kleinen Lichtblick verdient.«

Ich wedele mit dem Schwanz. Solche positiven Ans?tze m?ssen unbedingt verst?rkt werden! Bis es so weit ist, werde ich mich ein bisschen in der Sonne entspannen. Schliesslich waren die letzten Tage auch f?r mich sehr anstrengend – da muss ein kleines Schl?fchen drin sein.

Als wir vor der Schule ankommen, wartet Luisa schon auf uns.