»Mensch, Papa, du bist zu sp?t!«
»Tut mir leid, mein Schatz. Ich musste noch etwas mit der Oma besprechen, und das hat l?nger gedauert. Aber daf?r habe ich Herkules mitgebracht.«
»Oh, klasse! Ist Carolin denn auch wieder da?«
»?h, nein, die ist noch unterwegs. Kommt aber bestimmt bald nach Hause. Ich finde, wir gehen jetzt mal ein Eis essen.«
»Superidee!«
»Wie war es denn sonst so?«
»Och, ganz gut. Greta vom Tussi-Club feiert Geburtstag, und ich bin auch eingeladen. Sie macht eine Rollschuh-Rallye, und du, Herkules, sollst auch mitkommen. Toll, nicht? Ich geh?re jetzt richtig dazu. Und alles wegen Herkules!«
Stolz recke ich mich und mache M?nnchen. Genau, alles wegen mir! Endlich mal eine Frau, die das erkennt und zu w?rdigen weiss. Luisa nimmt Marc die Leine aus der Hand und l?uft mit mir los.
»Kommt, wer als Erster an der Eisdiele ist!«
»Auch das noch! Dein armer, alter Vater!«
Auch Marc beginnt zu laufen, und schon kurz darauf biegen wir um die Ecke zur Eisdiele.
»Erster!«, ruft Luisa und stellt sich mit mir an die lange Schlange vor dem Eingang.
»Ja, aber du hast geschummelt. Herkules hat dich gezogen. Das z?hlt nicht.«
»Nee, Papa, du bist einfach zu langsam.«
Sie gibt Marc einen Kuss, und ich merke, wie mir wohlig warm wird. Nicht vom Rennen, sondern von dem sch?nen Gef?hl, dass hier endlich mal zwei Menschen miteinander gl?cklich sind. Hach, wenn Carolin nicht mehr auftaucht, bleibe ich einfach bei Marc und Luisa. Die kann mich gernhaben.
Offenbar kann Marc meine Gedanken lesen.
»Na, wir machen uns das auch ohne dein Frauchen nett, was?«
Luisa guckt Marc streng an.»Aber Papa! Wir k?nnen Caro doch ein Eis mitbringen! Oder ist sie heute Abend immer noch nicht da? Wo ist sie denn bloss?«
Marc streicht sich durch die Haare, er scheint zu?berlegen, was er Luisa antworten soll.
»Sag mal, Schatz, du hast mir gesagt, dass Caro noch mal wegwollte?«
»Genau. Du hast mir doch erkl?rt, dass sie momentan viel um die Ohren hat.«
»Richtig. Aber habt ihr euch noch ?ber irgendetwas anderes unterhalten?«
Luisa denkt nach.»Nein, eigentlich nicht … obwohclass="underline" doch! Ich habe ihr erz?hlt, dass du neulich mit Mama im Violetta warst.«
»Was? Woher weisst du das?«
»Von Mama. Mama hat mir ein Buch f?r dich mitgegeben. Sie sagt, dar?ber habt ihr im Violetta gesprochen. Und dann wollte Caro das Buch mal sehen. Aber ich habe mich gar nicht mehr mit ihr dar?ber unterhalten, denn dann musste sie ja schon weg.«
Marc schl?gt sich mit der Hand vor die Stirn. »Verdammte Scheisse!«
»Papa! So was darf man nicht sagen, das ist doch ein Klo-Wort!«
»Du hast Recht, entschuldige. Ist mir so rausgerutscht.«
»Bist du irgendwie b?se auf mich?«
»Nein, nein! Ich bin froh, dass du mir das erz?hlt hast.«
Und ich erst! Vielleicht wird doch wieder alles gut. Auch, wenn ich noch ziemlich sauer auf Carolin bin: Ich h?tte sie sehr, sehr gerne wieder zur?ck.
Auf dem R?ckweg erz?hlt Luisa jede Menge Geschichten aus dem Tussi-Club. Offenbar sind Lena und sie nun ein Herz und eine Seele, und ich bin froh, dass sich Luisa an der Schule endlich wohl zu f?hlen scheint. Und okay – stolz bin ich nat?rlich auch. Immerhin bin ich der Held in dieser Geschichte. Der Gedanke daran gibt meinem Herzen allerdings einen Stich: Eigentlich wollte ich doch auch f?r Cherie ein Held sein. Und dieser Plan ist wohl trotz aller Anstrengung grandios gescheitert. Ich glaube nicht, dass Herr Beck daran noch etwas ?ndern kann. So werde ich f?r Cherie immer der kleine, lustige Dackel bleiben.
Ich atme schwer. Irgendwie tue ich mir heute selbst leid. Der?rger mit Carolin, kein Gl?ck in der Liebe – das Dackelleben ist schwer. Ich lasse die ?hrchen h?ngen und laufe mit gesenktem Kopf hinter Marc und Luisa her. Vielleicht ist es auch besser, wenn ich Cherie nie, nie wiedersehe. Genau: Ich muss sie mir aus dem Herzen reissen! Besser einmal leiden, als immer das Gef?hl zu haben, ihr nicht gut genug zu sein. Wenn ich sie also in Zukunft sehe, werde ich einfach die Strassenseite wechseln. Ich werde mich in B?schen verstecken und werde in Zukunft …
»Hallo, Herkules.«
Ha! Eine Wahnvorstellung! Wir sind vor der Praxis angekommen, und direkt neben dem Hauseingang sitzt Cherie. Das ist doch nicht m?glich!
»Guten Tag, Herr Doktor Wagner!«
»Hallo, Frau Serwe! Alles in Ordnung? Ich habe heute ein bisschen fr?her Schluss gemacht, um meine Tochter abzuholen. Meine Mutter sollte mich allerdings anrufen, wenn etwas Dringendes passiert.«
»Nein, nein, alles in Ordnung. Es klingt verr?ckt, aber Cherie wollte unbedingt in diese Richtung. Wir drehen um diese Uhrzeit immer unsere Runde, und sie hat so gezogen und gezerrt, bis ich diesen Weg eingeschlagen habe. Seltsam, nicht? Wahrscheinlich kehrt sie immer gerne zu ihrem Lebensretter zur?ck.«
Marc zuckt mit den Schultern.»Tja, man h?rt die unglaublichsten Dinge ?ber Hunde. Sie sind eben schon sehr intelligente Tiere. Na, Cherie, wolltest du mich besuchen?« Er streichelt ihr ?ber den Kopf. Sie dreht sich zu mir.
»Nee, wollte ich eigentlich nicht. Ich wollte zu dir, Herkules. «
»Zu mir?«
»Dein Freund, der fette Kater, hat mich heute auf der Hundeauslaufwiese an der Alster besucht. Das war vielleicht ein Hallo unter den Hunden – er musste sich schnell auf einen Baum in Sicherheit bringen. Jedenfalls hat er mir erz?hlt, dass ihr diesen Verkehrsrowdy gefunden und ihm sogar seine Tasche geklaut habt.«
Ich nicke.»Ja, stimmt. Wir dachten, dass dein Frauchen ihn vielleicht mit der Tasche finden kann. Aber der zweite Teil des Plans hat nicht mehr geklappt – irgendjemand hat die Tasche aus unserem Versteck geklaut.«
»Herkules, du bist wirklich s?ss.«
Bilde ich es mir ein, oder strahlt mich Cherie an.»Aber … aber … jetzt bin ich doch kein Held. Weisst du, so wie der bl?de Alonzo. Ich meine, ich hab’s echt versucht. Und bin gescheitert.«
»Ist mir doch egal. Noch nie hat sich jemand so viele Gedanken um mich gemacht und so etwas Wagemutiges f?r mich getan. Das ist, was z?hlt. Wieso glaubst du denn, dass du ein Held sein musst?«
»Weil ich doch so gerne mal mit dir zusammen w?re. Nur wir zwei, weisst du?«
Es ist keine Einbildung: Cherie schenkt mir einen sehr warmen, liebevollen Blick.
»Ach, Herkules, warum hast du mich das denn nicht einfach mal gefragt?«
Gute Frage. Warum eigentlich nicht?
»Hm. Also, ich habe mich das nicht getraut. Du bist doch so eine tolle Frau. Und ich nur ein kleiner Mischling. Ich dachte, du lachst dich schlapp. Immerhin musstest du mich aus der Alster retten und nennst mich immerKleiner. Da dachte ich, ich muss erst etwas Besonderes schaffen.«
»Aber du bist doch selbst etwas Besonderes! Welcher Dackel kommt schon auf so viele verr?ckte Ideen wie du?«
Ich lasse wieder die Ohren h?ngen. Verr?ckte Ideen – das ist nun nicht gerade ein Kompliment. Aber Cherie stupst mich mit der Schnauze an und leckt mir ?ber das Maul. Ein tolles Gef?hl – mein ganzer K?rper f?ngt an zu kribbeln.
»He, das meine ich nett! Die meisten anderen wollen mich durch Kraft und Gr?sse beeindrucken. Das hast du gar nicht n?tig. Ich mag dich. Ehrlich!«
Wirklich? Ich gucke sie erstaunt an und werde verlegen.
»Ui, guck mal, Papi – ich glaube, Cherie und Herkules m?gen sich. Die haben sich eben abgeschleckt.«
Marc r?uspert sich, dann grinst er. »Tja, tats?chlich ein untr?gliches Zeichen f?r Zuneigung zwischen M?nnern und Frauen.«
»Sag mal, Luisa«, macht nun Claudia Serwe einen Vorschlag, »wo sich unsere beiden hier doch so gut verstehen, wollen wir da nicht mal mit ihnen zusammen spazieren gehen? Ich muss jetzt leider los, aber ich finde, wir sollten uns bald verabreden, damit Herkules und Cherie sich wiedersehen k?nnen.«
»Au ja!«, ruft Luisa. »Das ist eine Superidee. Vielleicht werden die beiden dann richtige Freunde. Und neue Freunde finden ist toll, das weiss ich von mir selbst.«