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Zehn Minuten sp?ter befinde ich mich auf Carolins Schoss, und gemeinsam sitzen wir wieder in Ninas Auto. Nina ist offensichtlich bester Stimmung, jedenfalls pfeift sie fr?hlich vor sich hin.

»Mensch, so gute Laune?«, will Carolin von ihr wissen.

»Och ja, das war doch jetzt mal ganz interessant. Quasi eine Mittagspause der anderen Art. Ich war vorher noch nie beim Tierarzt.«

»Tja, warum auch. Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass du nicht gerade ein grosser Tierfreund bist. Deine neu entdeckte Hundeliebe ?berrascht mich ehrlich gesagt etwas.«

»Wieso? Herkules ist doch so ein s?sses Kerlchen. Also, wenn ihr noch mal in die Praxis m?sst, komme ich gerne mit.«

»Aha. Bist du sicher, dass das nicht mit einem anderen s?ssen Kerlchen zu tun hat?«

»Bitte? Ich weiss nicht, wovon du redest.«

Hier bin ich allerdings mit Nina auf dem gleichen Stand. Mir ist auch nicht klar, wovon Carolin redet. Welches andere s?sse Kerlchen? Ich habe ausser mir niemanden entdecken k?nnen, der dieses Pr?dikat verdient.

»Ach komm, nun tu mal nicht so. Denkst du wirklich, ich habe nicht gesehen, wie du ihn angeschmachtet hast, den Herrn Doktor?«

Nina sagt nichts, sondern pfeift einfach weiter.

»Komm, gib zu, dass er dir gefallen hat. Verstehe ich. Er sieht wirklich ziemlich klasse aus - und wie er dich gleich aufgefangen hat: ganz alte Schule.«

Carolin kichert, Nina sagt immer noch nichts. Menschliche Kommunikation ist r?tselhaft.

Zu Hause angekommen, m?chte ich mich am liebsten sofort in mein K?rbchen verziehen. Daraus wird aber nichts, denn noch bevor Carolin die Haust?re aufschliessen kann, kommt Beck wie zuf?llig an uns vorbeigeschn?rt und raunt mir ein »Wir m?ssen reden, sofort!« zu. Hat man denn hier niemals seine Ruhe? Andererseits macht Beck aber eine dermassen wichtige Miene, dass meine Neugier siegt.

»Okay, gleich im Garten?«, seufze ich gottergeben.

Beck nickt und ist verschwunden. Ich schaue zu Carolin hoch, beginne zu fiepen und laufe scheinbar unruhig hin und her.

»Was ist los, Herkules? Musst du mal?«

Ich belle kurz und renne schon mal in Richtung Garten.»He, nicht so schnell! Ich muss eigentlich gleich in die Werkstatt.

Ich halte kurz inne und fiepe noch einmal.

»Na gut, wenn es so dringend ist…«

Im Garten angekommen, sehe ich Beck auch schon unterunseremBaum sitzen. Ich hocke mich neben ihn.

»Und, was gibt’s?«, will ich wissen.

Beck holt theatralisch Luft.»Ich habe eine sensationelle Entdeckung gemacht.«

SIEBEN

»Wo denn? Ich seh nichts!« »Na, da dr?ben!« Angestrengt starre ich zu einer H?userzeile schr?g ?ber der Strasse, aber die Sensation, die Beck dort erkannt haben will, kann ich beim besten Willen nicht ausmachen. Gut, liegt wahrscheinlich daran, dass ich mit dem v?llig ?berdimensionierten Plastikteil um meinen Hals eine tendenziell eingeschr?nkte Sicht habe, aber das l?sst sich jetzt eben nicht ?ndern. Beck schnauft ungeduldig.

»Na, denn m?ssen wir halt n?her ran. Los, renn r?ber!« »Halt mal, ich will jetzt erst mal wissen, was wir hier ?berhaupt wollen«, weigere ich mich. Das fehlte noch. Laufen kann ich mit dem Kragen n?mlich auch nicht wirklich gut, st?ndig bleibe ich an irgendwas h?ngen. Beck seufzt. »Wir sind hier, um dein grosses Problem zu l?sen.« »H??« Der Kater nervt langsam.

»Ach, was rede ich - kein grosses Problem, es ist dein gr?sstes Problem.«

»Mein gr?sstes Problem? Sag bloss, da dr?ben finden wir den Beweis, dass ich doch komplett reinrassig bin und Eschersbach die ganze Zeit halluziniert hat.«

Vor meinem inneren Auge sehe ich eine Abstammungsurkunde, lang wie eine Rolle K?chenpapier, ausgestellt auf meinen Namen.

Beck grunzt.»Quatsch. Doch nicht dieser Abstammungskram. Der interessiert doch keinen. Dein gr?sstes Problem ist Thomas.« »Na ja.«

»Du hast doch gesagt, dass Thomas dich loswerden will.« »Richtig.«

»Und was folgt daraus?«

»Dass ich mich besser benehmen muss?«

»Falsch. Daraus folgt, dass du ihm zuvorkommen musst. Du musstihnloswerden. Und zwar, bevor er dich wieder in Richtung Tierheim bugsieren kann.«

»Ich muss Thomas loswerden?« Ungl?ubig starre ich Beck an. »Wie soll das denn gehen? Soll ich ihn anfallen und heimlich verscharren? Ich glaube, du ?bersch?tzt mich da etwas, ich bin schliesslich ein Dackel, kein Kampfhund.«

Beck sch?ttelt den Kopf. »Mein Gott, bist du schwer von Begriff. Doch nicht so! Du hast jetzt die historische Chance, dir Thomas ein f?r alle Mal vom Hals zu schaffen. Allerdings nicht, wenn du hier weiter wie angewurzelt stehen bleibst. Also los, mir nach!«

Ich seufze. Wann endlich wird dieser Tag beginnen, etwas ruhiger zu werden?

Auf der anderen Strassenseite angekommen, kann ich den Grund f?r Becks Aufregung immer noch nicht verstehen.

»Entschuldige, offensichtlich verf?ge ich heute einfach nicht ?ber deinen Scharfsinn. Was gibt es hier so Weltbewegendes zu sehen?«

»Du stehst direkt davor.«

»H??«

»Vor Beweisst?ck A.«

»Beweisst?ck A? Langsam mache ich mir Sorgen um dich. Ich sehe hier lediglich zwei Autos und einen Stromkasten.

Also mach es nicht so spannend. Ich bin nach meinem heutigen Arztbesuch auch ziemlich schlapp. Wenn du mir jetzt endlich erl?utern k?nntest, was ich hier soll, w?re ich dir sehr verbunden.«

»Nat?rlich. Du siehst hier nur zwei Autos. Ich hingegen sehe einen BMW, schwarz-metallic. Dieser ist das erste Teilchen einer brillanten, l?ckenlosen Beweisf?hrung, an deren Ende Thomas vor der T?re und du auf seinem Sofa landen wirst. Kommen wir also als N?chstes zu Beweisst?ck B. Herr von Eschersbach, folgen Sie mir bitte. Wir haben einen Ortstermin.«

Erw?hnte ich, dass Beck mal einem Anwalt geh?rte? Eine sehr unangenehme Sp?tfolge aus dieser Zeit ist der willk?rliche Einsatz von Juristengeschwafel. Tragisch, wie sehr Menschen auf ihre Tiere abf?rben. Ich w?nschte, es w?re umgekehrt genauso. Die Welt w?re ein freundlicherer Ort.

»Na los, Dackel! Rauf auf den Stromkasten!«

Mit einem Satz ist Beck oben.

»Spinnst du jetzt komplett? Wie soll ich da raufkommen? Da kann ich schon unter normalen Umst?nden nicht - und mit diesem Halsdings ist es v?llig ausgeschlossen. Also entweder, du sagst mir jetzt sofort, was der ganze Zirkus soll, oder ich laufe wieder nach Hause.«

Beck schaut beleidigt.»Ich h?tte ein bisschen mehr Engagement von dir erwartet. Schliesslich tue ich das hier nur f?r dich. Mir k?nnte es eigentlich v?llig egal sein, was euer Thomas so mit seiner Zeit anf?ngt. Aber weil du nun ein Freund von mir bist…«

»Halt mal, was meinst du denn damit? Was ist mit Thomas?«

Beck springt wieder von dem Kasten herunter und landet punktgenau neben mir. Das k?nnen sie einfach, die Katzen.

»So, jetzt mal zum Mitschreiben: Heute Morgen machte ich meinen ?blichen kleinen Spaziergang. Ich bin immer ganz gerne auf der anderen Seite des Parks, irgendwie bessere Luft hier, mehr M?use, ruhiger - du wirst es schon noch merken, wenn du selbst erst mal l?nger …«

»Beck«, unterbreche ich ihn ungeduldig, »was ist mit Thomas?«

»Als ich hier entlangkomme, h?lt der besagte BMW direkt neben mir. Und wer steigt aus?« Beck gibt seiner Stimme einen wichtigen Unterton: »Thomas!« Er macht eine bedeutungsschwangere Pause.

»Ja und? Warum soll er nicht hierherfahren? Wahrscheinlich arbeitet er hier. Er f?hrt doch jeden Morgen ins B?ro.«

»Mensch, Herkules! Sei doch nicht so naiv! Die Strecke von unserem Haus hierher schafft selbst ein fauler Mensch in maximal zehn Minuten zu Fuss. Hier ist nicht das B?ro! Und es kommt noch viel besser!« Jetzt zuckt seine Schwanzspitze aufgeregt hin und her. »Thomas ist dann zu diesem Hauseingang, vor dem wir jetzt stehen. Er schliesst die T?r auf und - wird von einer jungen Frau begr?sst! Sie fiel ihm sofort um den Hals! Im Hausflur, ich konnte es noch sehen!«