»Aber, Schatz, jetzt lass mich doch mal erkl?ren …«, stammelt Thomas. »Das ist ein ganz dummer Zufall, mehr nicht!«
»Ich finde in deiner Jackentasche einen schwarzen Spitzenslip, und das ist ein dummer Zufall? F?r wie bl?d h?ltst du mich eigentlich?«
Sie sollte sich lieber fragen, wie bl?d Thomas ist. Es kam ihm nicht mal komisch vor, dass ich eben seine Jacke durch den Flur geschleppt habe. So ist das eben, wenn man Haustieren keine Beachtung schenkt. Es r?cht sich bitterlich. Carolin hingegen hat sich sofort gewundert und nach mir geschaut. Tja, und dann den Zipfel desH?schens entdeckt.
»Glaub mir, Carolin, ich habe nicht die geringste Ahnung, wie der Slip da reinkommt. Nicht die geringste!«
Thomas klingt verzweifelt. Carolin erweicht er damit allerdings nicht.
»Ich habe deine L?gen satt, Thomas. Die ganze Zeit schon hatte ich das Gef?hl, das irgendetwas nicht stimmt. Die seltsamen Anrufe, deine ganzen angeblichen Dienstreisen.«
Mit diesem Gef?hl lag Carolin goldrichtig. Denn dass Thomas das Objekt seiner Begierde nicht erst seit gestern am Wickel hatte, wurde mir in dem Moment klar, als Herr Beck mit dem H?schen im Maul durch die auf Kipp stehende Terrassent?r schl?pfte. Einmal kurz geschnuppert, und ich wusste, woher ich denGeruch kannte: aus dem Bett von Thomas und Carolin. Genau das war es, was ich damals nicht zuordnen konnte: der Geruch dieser Frau. Sie hatte ganz offensichtlich auch schon in Carolins Bett gelegen! Ist es zu fassen? Ohne mich schon l?nger mit der Materie befasst zu haben, bin ich mir ziemlich sicher, dass das eine weitere Steigerungsform der Kategorie »Betrug« ist. Ich hoffe sehr, dass sich Carolin nicht von Thomas erweichen l?sst. Er hat es einfach verdient, hier im hohen Bogen rauszufliegen. Die Chancen daf?r stehen exzellent. Carolins Stimme klingt nicht im Mindesten vers?hnlich.
»Die Hotelbuchung damals auf Herrnund FrauBrodkamp - angeblich ein Versehen deiner Sekret?rin. Der Geruch von einem fremden Parf?m, den ich mir angeblich einbilde. Vergiss es, jetzt ist endg?ltig Schluss! Ich will, dass du gehst. Und zwar sofort! Ich fahre jetzt zu Nina. Wenn ich wiederkomme, bist du weg.«
Sie dreht sich um und geht Richtung T?r.
»Aber, aber - Carolin!« Thomas greift nach ihrem Arm. »Das kannst du doch nicht machen. Du kannst mich hier doch nicht einfach rausschmeissen. Ich dachte, wir lieben uns!«
Carolin blickt ihm direkt in die Augen und sagt dann mit sehr fester Stimme:»Ja, das dachte ich auch. Aber anscheinend habe ich mich get?uscht. Leb wohl, Thomas. Komm Herkules. Nina wartet schon auf uns.«
Carolin, ich bin so stolz auf dich. Klasse hat sie das gemacht. Ohne mit der Wimper zu zucken. Nahezu eiskalt. Von meinem Platz im Fussraum ihres Autos kann ich sie zwar nicht so gut sehen, aber bestimmt hat sie ein Strahlen auf dem Gesicht. Endlich ist sie den Betr?ger los - wenn das kein Grund zum Feiern ist!
Ich jedenfalls bin gl?cklich. Vor meinem inneren Auge sehe ich Carolin und mich beim gem?tlichen Fernsehabend auf dem Sofa rumlungern. Ob ich demn?chst vielleicht auch im Bett schlafen darf? Immerhin ist es f?r einen Menschen doch viel zu gross. Ein kleines Kerlchen wie ich w?rde schon noch gut mit - hoppla! Der Wagen h?lt abrupt an, ich werde sehr unsanft tiefer in den Fussraum gedr?ckt. Aua, hatten wir einen Unfall? Ich hangle mich wieder nach oben. Dort wird mir schlagartig klar, warum Carolin so stark gebremst hat: Sie liegt mit dem Oberk?rper auf dem Lenkrad, das Gesicht in den Armen vergraben und - weint. Nein, sie weint nicht nur, es sch?ttelt sie geradezu. Ihre Schultern beben, und ich h?re ein Schluchzen, das mir richtig Angst macht. Was ist bloss los? Gl?cklich ist Carolin jedenfalls nicht. Stumm sitze ich neben ihr und ?berlege, was ich jetzt tun k?nnte. Wie tr?stet man einen Menschen?
Langsam schiebe ich meine Schnauze unter ihren Armen durch und komme an ihr Gesicht. Es ist ganz warm und nass. Ich beginne, es abzuschlecken. Erst ganz vorsichtig, dann ein bisschen mehr. Hm, sch?n salzig. Erst reagiert Carolin gar nicht, was erstaunlich ist, denn normalerweise hat jeder Mensch eine genaue Meinung zu Hunden, die ihm das Gesicht abschlabbern, und oft ist es keine gute.
Schliesslich richtet sich Carolin aber wieder auf, dreht sich zu mir und streicht mir ?ber den Kopf. »Willst mich tr?sten, nicht? Das ist lieb. Ich bin wirklich froh, dass ich dich habe.«
Ich versuche, irgendeinen zustimmenden Laut von mir zu geben, was mir nat?rlich nicht gelingt. Also lecke ich ihr noch mal die H?nde ab. Sie kichert ein bisschen. Wenigstens das!
»Schon gut, S?sser. Du wunderst dich wahrscheinlich, nicht wahr? Weisst gar nicht, was passiert ist, du Armer.«
Na ja, das w?rde ich so direkt nicht sagen, aber es ist vielleicht ganz gut, dass Carolin ?ber die n?heren Umst?nde der ganzen Angelegenheit nicht so genau informiert ist. Sie wischt sich die Tr?nen aus dem Gesicht.
»Alles gut, keine Sorge, wird alles wieder gut.«
Redet sie jetzt mit mir? Oder mit sich selbst. Auf alle F?lle hat sie aufgeh?rt zu weinen und f?hrt wieder weiter.
Carl-Leopold von Eschersbach, Hoffentlich war es wirklich eine gute Idee, sich in diesen Menschenkram einzumischen.
ACHT
»Herkules, alter Kumpel, ich w?nschte, du k?nntest sprechen.« Daniel hebt mich auf seine Werkbank und schaut mich an. »Ich w?sste zu gerne, was da wirklich passiert ist zwischen Thomas und Carolin.« Er krault mich im Nacken. »Aber sie will es mir nicht sagen - und dukannstes mir nicht sagen.«
Wenn ich ehrlich bin: Selbst wenn ich reden k?nnte, w?rde ich Daniel nicht erz?hlen, was passiert ist. Denn mittlerweile w?nschte ich, Beck und ich h?tten nie die bescheuerte Idee mit dem H?schen gehabt. Als Carolin und ich von Nina kamen, war Thomas zwar schon weg. Aber ansonsten ist nichts von dem, was ich mir erhofft hatte, eingetreten. Wir sitzen nicht gem?tlich auf dem Sofa und kuscheln zusammen. Ich schlafe auch nicht auf Thomas’ Seite im Bett. Nein, seit Thomas weg ist, ist auch Carolin nicht wiederzuerkennen. Sie weint viel. Sie spricht nicht mehr mit mir. Sie spricht eigentlich mit niemandem. Und sie schl?ft kaum. Sie geht in der Wohnung hin und her und h?rt laut Musik. Manchmal so laut, dass es selbst den anderen Menschen zu viel wird - und das will bei denen schon etwas heissen. Aber wenn die Nachbarn klingeln und sich beschweren, guckt Carolin sie nur wortlos an und macht die T?r wieder zu. Zwar dreht sie die Musik dann etwas runter, sonst ?ndert sich aber nichts. Sie l?uft weiter ziellos in der Wohnung umher.
Seit vier Tagen geht sie auch nicht mehr zur Arbeit in die Werkstatt. Hat mich morgens geschnappt und ist mit mir runter zu Daniel. Sie hat kaum etwas gesagt, nur gefragt, ob sich Daniel tags?ber um mich k?mmern k?nne. Also verbringe ich momentan meine Tage mit ihm, abends bringt er mich dann wieder hoch. Dabei versucht er bei jeder Dackel?bergabe, Carolin in ein Gespr?ch zu verstricken, doch das klappt leider nie.
»Echt, Herkules, ich mache mir Sorgen. Dass sie das mit Thomas so mitnimmt, ist doch furchtbar. Ich meine, du wirst mir sicher Recht geben: Der Typ war ein kompletter Idiot, dem man nicht hinterherweinen muss. Erst recht nicht, wenn man so eine Klassefrau wie Carolin ist.«
Wuff, genau! Beim NamenThomasknurre ich ein bisschen, ansonsten wedele ich ob der Daniel’schen Analyse mit dem Schwanz.
Das einzig Nette in der momentanen Situation sind tats?chlich die M?nnergespr?che zwischen Daniel und mir. Na ja, Gespr?ch ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber immerhin redet Daniel ziemlich viel mit mir. Ist wahrscheinlich kein Wunder, schliesslich sind wir jetzt meistens allein. Aber ich erfahre dadurch doch eine ganze Menge ?ber die Menschen im Allgemeinen und Carolin im Speziellen. Und nat?rlich ?ber Daniel. Er kannte Carolin schon, bevor Thomas um die Ecke kam. Die beiden haben n?mlich zusammen gelernt, wie man diese Holzdinger, also Geigen und Celli und so, baut. Irgendwo ganz weit weg war das. In einem Ort mit einem wundervollen Namen: Mittenwald.Mitten im Wald.Das muss einfach eine ganz tolle Stadt gewesen sein, wenn sie schon so heisst.