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Er?ffnet ihr die T?r; bevor sie rausgeht, haucht sie ihm noch ein K?sschen auf die Wange. Ohne Zunge.

Carolin macht uns die T?r auf und sieht irgendwie seltsam aus. Sie riecht auch seltsam. Ein Geruch, den ich schon das ein oder andere Mal beim alten von Eschersbach geschnuppert habe.

»Nabend ihr beiden, kommt rein.«

»Alles in Ordnung bei dir?«, will Daniel wissen.

»Sicher, sicher, alles in Ordnung.«

Kaum zu glauben: Auch Carolins Stimme klingt seltsam. So schleppend und verwaschen. Ich f?hle mich mit einem Schlag sehr unwohl.

Daniel geht hinter mir in die Wohnung, ich laufe zu meinem K?rbchen, er setzt sich auf das Sofa im Wohnzimmer.

»Aurora Herwig war heute da«, berichtet er dann.

»Oooh - die sch?ne Geigerin! Wie geht es ihr denn?«

»Es geht ihr ausgezeichnet - sie hat in London einen alten italienischen Meister recht g?nstig bekommen. Cremona, glaube ich. Habe allerdings das Gutachten noch nicht gelesen. Aurora war jedenfalls total happy.«

Carolin f?ngt an, zu kichern. »Na, das ist doch toll, dass die Aurora so happy ist. Dann ist ja alles bestens.«

»Sag mal, Carolin, ist wirklich alles in Ordnung? Du wirkst etwas angeschlagen. Ich mache mir echt Sorgen um dich, davon abgesehen, vermisse ich dich nat?rlich sehr in der Werkstatt.«

Carolin setzt sich neben Daniel und legt ihm eine Hand auf die Schulter.»Brauchste nicht, ehrlich. Kommt alles wieder hin. N?chste Woche bin ich bestimmt wieder die Alte, ich muss mich nur ein bisschen erholen.«

Daniel z?gert, dann steht er auf. »Na gut, dann fahre ich nach Hause. Aber versprich mir, mich anzurufen, wenn es dir nicht gutgeht.«

»Ja, ja, machich machich. Nu fahr mal. Bin auch m?de und gehe gleich ins Bett.«

»Also, gute Nacht!«

Daniel will sich zu Carolin herunterbeugen, aber sie weicht ihm aus.

»Jaja, gute Nacht.«

Daniel geht, ich bleibe allein mit Carolin zur?ck. Ich kann nicht genau sagen, warum, aber aus dem Unwohlsein wird langsam Angst. Irgendetwas stimmt hier nicht. Am liebsten w?rde ich Daniel hinterherlaufen und ihn zur?ckholen, aber wie soll ich das anstellen? Mist, irgendetwas sagt mir, dass Carolin momentan nicht allein sein sollte. Also, »allein« im Sinne von »ohne andere Menschen«. Ich will meine Gesellschaft nicht untersch?tzen, aber hier braucht es mehr als einen kleinen Hund. Definitiv.

Eine Weile sitzt Carolin noch auf dem Sofa, dann steht sie auf, geht zur Anlage und macht wieder Musik an. Es ist zum verr?ckt werden: Diese Musik h?rt sie beinahe schon eine Woche, ich k?nnte mir die Ohren zuknoten. Ich laufe zu ihr und zerre ein bisschen an ihrer Jeans. Hey, jetzt beachte mich mal, ich bin schliesslich auch noch da! Aber sie guckt mich nur kurz mit glasigen Augen an und geht dann in die K?che. Ich laufe hinterher. Zwar hat mich Daniel schon gef?ttert, aber gegen ein St?ck Vers?hnungswurst h?tte ich jetzt nichts einzuwenden. W?re doch sch?n, wenn Carolin auch mal an mich denken w?rde, langsam bin ich n?mlich etwas beleidigt.

Tats?chlich ?ffnet sie den K?hlschrank - aber nur, um eine Flasche herauszuholen. Sie nimmt ein Glas und giesst etwas ein. Aha, daher kommt der Geruch! Offenbar hat sie schon mehr von dem Zeug getrunken. Als sie wieder Richtung Wohnzimmer geht, tritt sie mir fast auf die Pfoten. Autsch! Ich belle laut auf. So geht das hier aber nicht! Ich beschliesse, mich ins K?rbchen zu verziehen.

Eine ganze Weile sp?ter h?re ich ein Rumpeln. Neugierig springe ich auf und laufe Richtung Ger?usch. Im Wohnzimmer angekommen, sehe ich, wie sich Carolin gerade aufrappelt. Auweia, ist sie etwa gest?rzt? Ich trabe zu ihr und lecke ihre H?nde ab. So b?se bin ich ihr dann doch wieder nicht.

»Hui, danke der Nachfrage, Herkules. Allesinordnung, allesinordnung. Wollte nur was von dem Bord da oben holen, aber der Stuhl war so wackelig.«

Ich blicke nach oben. Auf besagtem Bord stehen noch mehr Flaschen. Carolin steht auf, stellt den Stuhl wieder hin und klettert noch mal drauf. Diesmal klappt es, und sie holt eine der Flaschen herunter. Die Fl?ssigkeit hat eine sch?ne goldbraune Farbe, aber als Carolin die Flasche ?ffnet, schwappt ein stechender Geruch zu mir her?ber. Urks, das ist doch wohl eher zur ?usserlichen Anwendung bestimmt - das will Carolin doch wohl nicht trinken.

Sie will. Sie giesst die Fl?ssigkeit in ihr Glas und nimmt entschlossen einen sehr grossen Schluck.

»Na, auch mal probieren, Herkules?«

Sie h?lt das Glas in meine Richtung, ich ziehe den Schwanz ein und jaule. Pfui Teufel!

»Na, dann eben nicht. Prost!« Sie hebt das Glas noch mal in meine Richtung, dabei schwappt ein Teil auf den Teppich. Carolin kichert.

»Endlich kriegt der Scheiss-Hochflorflausch mal ein interessantes Muster. Cognac auf Creme, das isses doch. Ich mochte den ja nie, aber Thomas stand ja auf diesen Sch?ner-Wohnen-Mist. Was meinst du, Herkules, soll ich ihn auf die passende Gr?sse schneiden und in dein K?rbchen legen? Ist sch?n kuschelig.« Sie grinst und giesst sich noch ein Glas ein.

Das kann sie doch nicht ernst meinen, das ist doch bestimmt wieder menschliche Ironie. Auch wenn auf dem Teppich nun ein hellbrauner Fleck ist, muss man ihn doch nicht gleich zur K?rbchenmatte verarbeiten. Ich h?tte zwar nichts dagegen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das wirklich macht. Tats?chlich geht sie zum Schrank, holt eine Schere heraus und kniet sich auf den Teppich.

»So, wolln mal sehen, ob man aus dem Teil noch etwas Sinnvolles machen kann.« Sie hebt einen Rand hoch, nimmt die Schere und schneidet hinein. »Huch, ganz sch?n schwer. Aber so leicht gebe ich nicht auf, ich nicht!«

Mit?chzen und St?hnen macht sie sich weiter mit der Schere an dem Teil zu schaffen - ich staune wirklich Baukl?tze. Bald hat der Teppich seine vormals runde Form eingeb?sst und sieht aus, als h?tte ein sehr grosses, sehr w?tendes Tier ein paar Mal abgebissen. Carolin macht eine kleine Pause und schenkt sich noch ein Glas ein. Die Flasche, die eben noch ziemlich voll war, ist jetzt fast leer. Carolin schaut mich an.

»Du S?sser, du bleibst bei mir, oder?«, fl?stert sie.

Bilde ich mir jedenfalls ein, denn mittlerweile spricht Carolin so undeutlich, dass es kaum noch zu verstehen ist. Ich lege meinen Kopf auf ihren Schoss. Nat?rlich bleibe ich bei dir, Carolin! Selbst wenn meine empfindliche Dackelnase gerade ganz sch?n unter deinem penetranten Geruch leidet. Ich hoffe, der geht wieder weg.

Fast mechanisch krault mich Carolin im Nacken. Dann murmelt sie»muss mal Nachschub holen«, will aufstehen -und f?llt ziemlich unvermittelt um. Himmel, was hat sie denn jetzt? Sie versucht sich aufzurappeln, aber das will nicht recht klappen.

»Mir iss garnichgut«, murmelt sie, beginnt kurz darauf zu w?rgen. Ihr ganzer K?rper kr?mmt sich, und es sieht aus, als h?tte sie Schmerzen.

Ich bekomme auf einmal furchtbare Angst. Was mache ich bloss? Was ist hier los?

Carolin w?rgt immer mehr, und ich sehe, dass sie dabei auf den hellen Teppich - oder das, was von ihm ?brig geblieben ist - spuckt. Jetzt ist mir alles klar: Carolin hat sich vergiftet! Wahrscheinlich mit dem Zeug aus dieser Flasche! Das letzte Mal, dass ich gesehen habe, wie sich jemand ?bergeben hat, handelte es sich um Mamas Schwester Luise, und der hatte ein b?ser Nachbar etwas ins Futter gemischt. Wir brauchen sofort einen Arzt, sonst ist das Schlimmste zu bef?rchten!

Ich renne aufgeregt hin und her, schliesslich wieder zum Kopf von Carolin, die mittlerweile regungslos neben ihrem Erbrochenen liegt. Ich belle laut, damit sie wieder aufwacht - aber sie r?hrt sich nicht. Was soll ich bloss machen? Carolin braucht Hilfe, und zwar sofort.

Vielleicht kommt wieder ein Nachbar, wenn ich nur mehr L?rm mache? ?ber die Musik haben die sich schliesslich auch beschwert. Ich belle und knurre, springe auf und ab. Drei Minuten, f?nf Minuten, bestimmt zehn Minuten lang. Aber nichts passiert. Ersch?pft mache ich eine Pause. Verdammt, ist denn ausgerechnet heute niemand ausser uns im Haus?Nicht mal Beck?

Carolin ist immer noch bewusstlos und langsam ganz bleich im Gesicht. Ich robbe an sie heran und horche angestrengt hin. Gott sei Dank, sie atmet noch. Ich lege mich an ihr Kopfende, die Schnauze auf meine Vorderl?ufe und lausche ihrem Atem. Manchmal stockt der kurz, und Carolin gibt ein St?hnen von sich. Was f?r eine furchtbare Situation. Und ich habe uns da reinman?vriert. Es ist n?mlich alles meine Schuld - h?tte ich Thomas nicht die Falle gestellt, dann w?re er noch hier, und Carolin h?tte sich nicht vergiftet.