Sagte ich Schnepfe? So ein Quatsch. Eine ganz Nette ist sie, die Nina.
»Guten Morgen, ihr beiden. Na, ich weiss jetzt nicht, wer schlechter aussieht - du oder Daniel.«
Nina und ich sind am n?chsten Tag nicht in die Werkstatt, sondern direkt ins Krankenhaus gefahren. Daniel hat n?mlich die ganze Nacht an Carolins Bett gewacht. Entsprechend zerknittert sieht er in der Tat aus. Das ist dann wieder der Nachteil, wenn man kein Fell im Gesicht hat: Ein ungesunder Lebenswandel l?sst sich eindeutig schlechter verbergen.
Carolin ist zwar sehr, sehr blass um die Nase, aber immerhin ist sie nicht mehr bewusstlos. Sie sitzt in ihrem Bett und ringt sich sogar zu einem L?cheln durch.
»Hallo, Nina, sch?n, dass du da bist. Und danke, dass du Herkules mitgebracht hast.«
»Na ja, Tiere sind auf der Station eigentlich verboten, aber als ich der Oberschwester erkl?rt habe, dass Herkules gewissermassen dein Lebensretter ist, hat sie ein Auge zugedr?ckt.«
Carolin nickt.»Daniel hat es mir schon erz?hlt. Komm her, Herkules, lass dich mal ein bisschen kraulen.«
Nur zu gern! Nina setzt mich auf den Stuhl neben Carolins Bett und dann schmusen wir eine Runde.
»Ach Leute, das ist mir alles so wahnsinnig peinlich! Wie konnte das nur passieren? Leider kann ich mich auch an gar nichts mehr erinnern - wobei, ist vielleicht auch besser so.«
Daniel nimmt Carolins Hand.»Komm, vor uns muss dir echt nichts peinlich sein. Wir sind doch deine Freunde. Ausserdem erwarten wir nat?rlich, dass du auch zu uns h?ltst, wenn wir dereinst eine Flasche Cognac niedermachen und seltsame L?cher in Teppiche schneiden.«
Unter ihrer Bl?sse wird Carolin ein bisschen rot. »H?r bloss auf, ich kann es gar nicht h?ren. Esistpeinlich!«
Daniel lacht.»So, ihr Lieben. Ich fahre nach Hause. Auf meiner Werkbank stapelt sich die Arbeit, gerade gestern hat mir Aurora eine wichtige Restaurationsarbeit vorbeigebracht, ich weiss gerade echt nicht, wo mir der Kopf steht. Aber vorher muss ich mich noch mal kurz aufs Ohr hauen, nicht, dass ich noch aus Versehen L?cher in Auroras Fundst?ck bohre, wo gar keine hingeh?ren.«
Als Daniel gegangen ist, sitzen Nina und Carolin erst einmal eine Weile schweigend da. Ich habe meinen Kopf auf Carolins Schoss gelegt und geniesse es, von ihr hinter den Ohren gekrault zu werden.
»Carolin, ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich«, sagt Nina schliesslich.
»Na ja, ich bin eben nichts gewohnt. Das war schliesslich keine Absicht. Aber ich war nicht gut drauf, und da habe ich eben ein bisschen zu viel getrunken.«
»Hallo? Du hast nichtein bisschen zu viel getrunken.Ich meine, 3,2 Promille - noch ein Cognac mehr und du w?rst vielleicht ins Koma gefallen. Das ist dir nicht einfach so passiert.«
Carolin h?rt auf, mich zu kraulen. »Was meinst du denn damit?«
»Das weisst du genau. Daniel hat erz?hlt, dass du die ganze Woche nicht in der Werkstatt warst. Und dass er sich tags?ber um Herkules k?mmert, weil es dir so schlechtgeht.«
Carolin schweigt.
»Ist doch wohl klar, dass ich mir da Sorgen mache. Mensch, Carolin, ich weiss, du willst es nicht h?ren, aber Thomas ist doch keine einzige Tr?ne wert. Seit Jahren hat der Typ dich schlecht behandelt, ich war richtig froh, dass du ihn endlich rausgeschmissen hast. Nat?rlich f?hlst du dich nicht gut, aber das ist normal, und du wirst dar?ber hinwegkommen. Bilde dir bitte nicht ein, dass dein Leben nun f?r immer triste sein wird. Das stimmt n?mlich nicht.«
Carolin f?ngt an zu schluchzen, Nina gibt ihr ein Taschentuch.
»Seit Thomas weg ist, bin ich so einsam. Ich habe Angst, dass ich nie wieder gl?cklich sein werde. Ich wollte immer eine Familie, Kinder. Aber davon bin ich weiter entfernt, als ich jemals gedacht h?tte. Im Grunde genommen habe ich nur noch Herkules.«
Was heisst denn hier »nur«? Lieber ein treuer Hund als ein betr?gerischer Schurke! Ich werde Carolin garantiert niemals so entt?uschen. Schnell schlabbere ich ihre H?nde ab. Nina nickt mir zu.
»Das hast du verstanden, Herkules, nicht wahr? Aber so niedlich du bist - ich kann Carolin verstehen. Ein Hund ist einfach kein Mensch.«
Zum Gl?ck!,m?chte ich rufen, denn auf mich ist wenigstens Verlass.
»Weisst du, nat?rlich war Thomas nicht perfekt. Aber wer ist das schon? Bin ich ja auch nicht. Mittlerweile denke ich, dass ich ihm vielleicht h?tte verzeihen sollen. Vielleicht war ich zu hart.«
Nina schnaubt ver?chtlich. »Also bitte! Das klingt doch sehr nachlieber einen Idioten als gar keinen Mann.Ich verstehe nicht, wie so eine tolle Frau wie du sich dermassen unter Wert verkaufen kann. Du wirst den richtigen Mann noch treffen, da bin ich mir ganz sicher. Und dann wirst du feststellen, dass das heute r?ckblickend dein Gl?ckstag war. Der Tag, ab dem es wieder bergauf ging!«
Carolin guckt zweifelnd.»Na, wenn du meinst. Wo ich diesen tollen Typen treffen soll, ist mir allerdings noch v?llig schleierhaft.«
Nina lacht.»Wenn das Schicksal es so will, kannst du deinen Prinzen auch im Park hinterm Haus treffen. Da musst du gar nicht lange suchen.«
Nat?rlich, das ist es! Mir kommt eine geniale Idee. Ein Prinz muss her! Und wer ist hier der Adelsexperte? Richtig! Carolin hat mich gerettet, als ich in h?chster Not war. Und jetzt werde ich sie retten. Und wenn ich den ganzen Park daf?r umgraben muss.
ZEHN
Hoffentlich fahren wir gleich nach Hause. Ich muss unbedingt Beck von meinem sensationellen Plan erz?hlen. Das grobe Ger?st steht zwar schon, aber f?r die entscheidenden Details brauche ich einen profunden Menschenkenner. Eben so jemanden wie Herrn Beck.
Endlich h?lt Nina an, geht um das Auto herum und ?ffnet mir die T?r. In dem Moment, in dem ich heraush?pfe, sehe ich es: Wir sind nicht zu Hause. Und schlimmer noch: Nina holt von der R?ckbank meinen Plastikkragen hervor. O nein - ich ahne B?ses. Wir sind wieder beim Tierarzt!
Die Autot?r ist noch nicht zu, und so h?pfe ich schnell wieder auf den Beifahrersitz zur?ck. Dieses bl?de Plastikteil kann Nina nun wirklich allein abgeben, daf?r braucht sie mich doch gar nicht.
»Herkules, was ist denn mit dir los? Komm da raus, wir wollen doch zu Dr. Wagner.«
Ich knurre und fletsche die Z?hne. Vonwirkann hier?berhaupt nicht die Rede sein. Ausserdem geht es mir ausgesprochen gut. Mein Ohr tut l?ngst nicht mehr weh, andere Leiden habe ich nicht. Was soll das also?
»Nun komm schon, S?sser, spring raus!«, fordert mich Nina auf.
Ich sch?ttle entschlossen den Kopf. Nina seufzt, kramt dann in ihrer Handtasche. Schliesslich holt sie meine Hundeleine heraus. Will sie mich etwa gewaltsam da reinschleifen?
Sie will - denn kurz darauf macht sie die Leine mit einemKlickan meinem Halsband fest und zieht mich sanft, aber entschlossen Richtung B?rgersteig. Offensichtlich meint sie es ernst. Ich ?berlege kurz, ob ich mich richtig mit ihr streiten m?chte und wer dann wohl den K?rzeren zieht. Angesichts unseres Gr?ssenverh?ltnisses wohl ich. Es ist zum Heulen!
In der Praxis angekommen, marschiert Nina mit mir zum Tresen und reicht der Sprechstundenhilfe den Kragen.
»Ich w?rde auch gerne den Doktor sprechen. Er sollte sich Herkules schon noch einmal ansehen.«
»Das ist aber eigentlich nicht n?tig«, entgegnet ihr die Hilfe l?chelnd.
Richtig, braves M?dchen!
»Trotzdem. Ich m?chte, dass Dr. Wagner Herkules noch einmal untersucht. Er ist so ein empfindliches, sensibles Kerlchen, ich mache mir immer grosse Sorgen um ihn. Sicher ist sicher.«
Ich glaube, ich h?re nicht richtig. Nina macht sich Sorgen um mich? Das glaube, wer will. Ich nicht. Da muss irgendetwas anderes dahinterstecken. Die Hilfe zuckt mit den Schultern.
»Gut, wenn Sie darauf bestehen. Dann m?ssen Sie aber einen Moment warten. Es sind noch einige Patienten vor Ihnen dran.«
In diesem Moment streckt Dr. Wagner seinen Kopf durch die T?re des Behandlungsraums.
»Oh, hallo, Frau Bogner!«, begr?sst er Nina. »Wieder Probleme mit… ?h …«
»Herkules«, hilft ihm Nina auf die Spr?nge.
Na toll, ihren Namen weiss er noch, meinen hat er schon vergessen. Vielleicht sollte Wagner von Tier-auf Frauenarzt umsatteln.