Also echt, der nervt. Warum ist er dann?berhaupt mitgekommen, wenn er sowieso alles doof findet? Als Jagdhund w?re Beck wahrscheinlich schon l?ngst wegen Def?tismus von seinem Herrchen erschossen worden. Andererseits ist der Jogger wirklich gleich da. Und ja, ich habe noch keinen tollen Plan. Fieberhaft gr?ble ich nach.
Der Jogger hat uns schon fast passiert, da schmeisse ich mich kurzentschlossen und mit einem herzzerreissenden Jaulen direkt vor seine F?sse. Es sieht mit Sicherheit so aus, als h?tte ich furchtbare Schmerzen und brauchte dringend Hilfe. Wolln doch mal sehen, ob der Herr Tierfreund ist und sich um mich k?mmert. Das mit dem Prinzen k?nnen wir dann immer noch herausfinden.
Zwei Sekunden sp?ter bin ich mir nicht mehr so sicher, dass meine Idee so gut war: Der Mann versucht, mir auszuweichen, stolpert und f?llt direkt vor Herrn Beck auf die Nase. Er bleibt kurz liegen, dann rappelt er sich auf, sch?ttelt sich und reibt sich den rechten Arm. Als er wieder steht, geht er auf mich zu, guckt mich kurz an - und br?llt los: »Pass gef?lligst auf, wo du hinspringst, du bl?de Scheisst?le!«
Okay, ganz offenkundig kein Gentleman im engeren Sinne. Er holt mit dem rechten Bein zu einem Tritt aus, aber bevor er mir den verpassen kann, rennen Beck und ich auch schon los und verstecken uns hinter dem n?chsten Busch. Auweia! Was f?r eine Pleite! Beck sagt erst einmal nichts, bis wir beide wieder Luft geholt haben, dann sch?ttelt er langsam den Kopf.
»Wirklich, was war das denn f?r eine Aktion? Das konnte ja nur in die Hose gehen.«
»Ich habe wenigstens etwasgemacht.Du st?nkerst hier nur die ganze Zeit rum!«, verteidige ich meine unkonventionelle Vorgehensweise bei der Herrchensuche.
»Ha! Operative Hektik war das, nichts weiter! Ich frage mich, was du gemacht h?ttest, wenn dich der Typ eben gleich einkassiert h?tte. Oder wenn er auf dir gelandet w?re. Dann w?rst du jetzt aber platt wie ein Pfannkuchen. Mir ist das zu bl?d, ich gehe jetzt.«
Ich lasse die Ohren h?ngen. Irgendwie ist an dem, was Beck sagt, schon was dran. Dabei hatte ich mir die ganze Sache gar nicht so schwer vorgestellt. Als Nina von der Prinzensuche im Park erz?hlte, klang es ganz einfach. Mist.
Offensichtlich sehe ich sehr niedergeschlagen aus, denn Beck stupst mich in die Seite und schl?gt geradezu tr?stende T?ne an.
»Nu, nu - die Welt geht doch nicht unter, nur weil es am ersten Tag nicht klappt. Du untersch?tzt auch die Wirkung von Regen auf Menschen. Die meisten m?gen ihn eben nicht besonders und bleiben lieber zu Hause. Sieh sie dir doch an - von Bewegungsdrang keine Spur. Von den paar Joggern mal abgesehen, h?lt ein Mensch es m?helos mehrere Tage auf einem Sofa aus. Selbst mir als Kater w?re das zu langweilig! Aber du wirst sehen: Sobald die Sonne scheint, ist es hier im Park wieder knallvoll. Dann schlendern wir unauff?llig von Bank zu Bank und suchen uns die besten Kandidaten aus. Und dann kannst du noch mal mit deiner>Ich bin ein armer, kranker Dackel-Nummer< ankommen. Die war im Grunde gar nicht so schlecht.«
Ich blicke Herrn Beck erstaunt an.»Ehrlich? Du fandst den Plan nicht so schlecht?«
»Nein. Annehmbar. Jedenfalls f?r einen, der von einem Hund ausgeheckt wurde.«
Die Luft scheint wieder rein zu sein, also verlassen wir unser Versteck und trotten Richtung Heimat. Mittlerweile hat es aufgeh?rt zu regnen, und tats?chlich lassen sich nun ein paar Menschen mehr blicken. Gut, immer noch nicht umwerfend viele, aber es ist auch egal, denn momentan habe ich sowieso keine Lust mehr auf Kontaktanbahnung. Mit gesenktem Kopf schleiche ich ?ber den Schotterweg - und falle fast ?ber Herrn Beck, der sich direkt vor mir postiert hat.
»Hey, Kleiner, stopp mal! Da vorne sehe ich genau die Situation, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben.«
Erstaunt blicke ich hoch. Tats?chlich: Auf der n?chsten Parkbank sitzt ein Mann. Obwohl die Bank bestimmt noch ziemlich nass ist, hat er es sich dort gem?tlich gemacht und bereitet offensichtlich ein kleines Picknick vor, eine Flasche hat er jedenfalls schon neben sich gestellt und gerade jetzt kramt er in einer mitgebrachten T?te herum. Ich trabe n?her an die Bank heran, um den Mann besser betrachten zu k?nnen. Wie ein Prinz sieht er nicht gerade aus. Irgendwie ein bisschen zerknittert. Seine Haare sind grau und etwas l?nger, wirr fallen ihm einzelne Str?hnen immer wieder ins Gesicht. Ausserdem hat er einen Bart, der fast ein wenig wie Rauhaardackelfell aussieht.
»Hm, meinst du, das ist der Richtige? Da habe ich doch arge Zweifel.«
Aber Beck l?sst das nicht gelten. »Und wenn schon! Es ist zumindest eine Gelegenheit - sollten wir die nicht nutzen? Wenn’s nicht funktioniert, sammeln wir wenigstens Erfahrung. Dann sind wir gut vorbereitet auf die wirklichen Top-Kandidaten.«
So habe ich es noch gar nicht gesehen. Katzen sind eben echte Strategen. Und Beck hat sich noch mehr Gedanken gemacht.
»Also, wir schleichen zu dem Typen r?ber. Dann kommt deine Kranker-Hund-Nummer. Gib ruhig ein bisschen Gas, so mit rumw?lzen, jaulen, das volle Programm. Wenn er sich um dich k?mmert, versuche ich ihm begreiflich zu machen, dass er mit dir zu unserem Haus gehen soll.«
»Und wie willst du das machen?«
»So wie du. Improvisieren!«
Bei der Bank angekommen, suche ich ein strategisch gutes Pl?tzchen f?r meine Showeinlage. Noch hat der Mann mich nicht bemerkt, zu besch?ftigt ist er mit seiner T?te. Ab und zu streicht er sich seine halblangen grauen Haare aus dem Gesicht und steckt sie hinter die Ohren. Ich lege mich links neben seine F?sse und drehe mich auf den R?cken. Dann fange ich an, laut zu winseln, mit meinen Beinen zu strampeln und mich hin und her zu winden. Ein Bild des Jammers und des Elends - wer darauf nicht reagiert, hat ein Herz aus Stein und verdient unsere Caro nicht!
Tats?chlich l?sst der Mann von seiner T?te ab und beugt sich zu mir herunter.
»Sag mal, was bist du denn f?r einer? Und was machst du da eigentlich?«
Ein strenger Geruch weht zu mir her?ber, nach Schweiss und … und … ja, genau: und nach dem Zeug, das Carolin in dieser furchtbaren Nacht getrunken hat. Ungute Erinnerungen steigen in mir hoch, und ich w?rde die ganze Veranstaltung hier liebend gerne abblasen. Aber aus den Augenwinkeln kann ich genau sehen, dass Herr Beck nur einen Meter weiter rechts von uns sitzt und mich mit Argusaugen beobachtet. Scheint ein Riesenspass f?r ihn zu sein. Wenn der meint, dass ich jetzt aufgebe, hat er sich geschnitten. Das ziehe ich durch, wuff!
Ich zappele noch ein bisschen hin und her und versuche, noch mehr Dramatik in die Angelegenheit zu bringen, indem ich die Augen verdrehe und mit der Schnauze zucke.
»M?nsch, du armes Vieh, dir geht’s ja richtig schlecht! Komm, Willi hebt dich mal hoch.«
Mit diesen Worten fasst mich der Mann behutsam mit seinen grossen H?nden unter den Nacken und den R?cken und hebt mich dann vorsichtig auf seinen Schoss. Sofort h?re ich auf zu zappeln. Nicht, dass ich hier noch runterfalle und mir wirklich etwas tue. Der Mann krault mich am Bauch, was eigentlich sehr angenehm ist. Allerdings riecht es hier oben noch st?rker nach dem Zeug, das Carolin getrunken hat. Hrks, das muss ja was ganz Schlimmes sein. Hoffentlich ?bergibt sich der Mann nicht auch gleich, daf?r befinde ich mich n?mlich gerade in einer sehr ung?nstigen Position.
»Na, Kleiner, zitterst ja gar nicht mehr. So geht’s dir gleich besser, oder? Aber was macht Willi jetzt mit dir?«
In der Tat, eine sehr gut Frage. Das ist doch genau der richtige Zeitpunkt f?r Becks Einsatz. Ich hoffe, er verpennt ihn nicht und hat sich vor allem etwas ?berlegt, wie er den Mann zu Carolin lockt. Auch, wenn ich mittlerweile felsenfest davon ?berzeugt bin, dass es sich bei ihm mitnichten um einen Prinzen oder sonst wie akzeptablen Kandidaten handelt. Los, Beck,wo bleibst du?
»Hoppla, da ist ja noch ein kleiner Freund! Wo kommt ihr denn bloss auf einmal alle her?«