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»Das meine ich nicht.«

»Gut, f?r kurzbeinig entschuldige ich mich auch. Nun zufrieden?«

»Ich meine den Verlierer. Daniel ist kein hoffnungsloser Fall. Er ist ein sehr netter Mensch, der mir zuf?lligerweise einiges bedeutet. Er ist mein Freund.«

Herr Beck verdreht die Augen.»Also ihr Hunde immer mit diesemMein-Freund-der-Mensch-Unsinn! Jetzt mal Klartext: Der Hund ist nicht der beste Freund des Menschen, und umgekehrt ist es genauso. Daniel ist ein Mensch. Und der beste Freund des Menschen ist der Mensch. Und nur weil der ein oder andere Mensch keinen anderen Menschen als Freund findet, heisst das noch lange nicht, dass er auf einmal mit einem Tier befreundet sein kann. Wann immer ein Mensch mit dir redet und dir lauter pers?nlichen Krempel erz?hlt, dann meint er nicht dich, sondern sich. Er f?hrt Selbstgespr?che, kapiert? Aber damit er sich dabei nicht so bescheuert und einsam vorkommt, f?hrt er sie mit dir. Du bist in diesem Moment genau genommen so etwas wie dieser kleine Plastikkollege von dem doofen Wellensittich. Ein Ersatz. Mehr nicht. Also heul hier nicht rum von wegenRede nicht so?ber meinen Freund Daniel -das ist einfach nur l?cherlich.«

Wenn ich weinen k?nnte, jetzt w?re ein guter Moment daf?r. Und wenn ich ein Freund der gewaltt?tigen Auseinandersetzung w?re, auch. Dass Herr Beck so gemein sein kann, h?tte ich nicht gedacht. Aber eines ist mir klargeworden: Mag sein, dass sich Beck einiges Wissen ?ber Menschen zusammengesammelt hat; richtig kennen tut er sie deswegen nicht. Nat?rlich kann ein Mensch ein Freund sein. Die Art, wie Daniel mit mir redet, hat nicht das Geringste mit dem Plastikvogel zu tun, an dem sich der bedauernswerte Wellensittich aus dem zweiten Stock jeden Tag abarbeitet. Daniel meint mich, nicht sich. Ich weiss es - ich sp?re es. Gut, Menschen k?nnen ganz sch?n ?tzend sein, man denke nur an Thomas. Aber gleichzeitig haben sie etwas, das sie f?r mich einzigartig macht. Und wertvoll. Sie haben Gef?hl, Mitgef?hl. Sie k?nnen sich mit anderen freuen und mit anderen traurig sein. Und w?tend sein, wenn der Freund sich ?rgert. Und sie k?nnen lieben. Und zwar auch einen kleinen Hund wie mich. Ich werde niemals Emilias Tr?nen vergessen, als mich von Eschersbach in den Karton setzte und sie wusste, dass sie mich nicht wiedersehen w?rde. Carolin ist mein Freund. Und Daniel ist mein Freund. Ich weiss es genau. Jetzt m?ssen die beiden nur noch ein Paar werden. Und daf?r werde ich sorgen, ob mit oder ohne Beck. In diesem Fall wohl ohne. Und so drehe ich mich um und lasse Beck einfach sitzen.

»Hey, Kleiner, nun hau doch nicht gleich ab! Das war nicht b?se gemeint!«, ruft mir Beck hinterher, aber ich tue so, als ob ich ihn nicht h?re und trotte weiter. Beck kommt hinterher. »Ich mag Daniel doch auch gerne, aber man muss doch mal Realist bleiben. Hey, jetzt bleib doch stehen, Herkules!« Ich bin schon fast an der Terrassent?r. »Carl-Leopold! Es tut mir leid!«

Okay, scheint ihm doch ernster zu sein. Ich bleibe stehen. Soll keiner sagen, ich w?re verbohrt und nachtragend. Herr Beck l?uft um mich herum und setzt sich vor mich.

»Ich wollte dich nicht kr?nken. Wenn du all diese Menschen so in dein Herz geschlossen hast, ist es nat?rlich deine Sache. Bestimmt m?gen die dich auch richtig gerne. Vielleicht bin ich nur ein bisschen neidisch.«

Ich lege den Kopf schief. Gut, das klingt doch schon besser.

»Aber bei einem bleibe ich: Wenn Carolin nicht in Daniel verliebt ist, dann k?nnen wir beide das auch nicht ?ndern. Das menschliche Herz ist da wenig zu beeinflussen und rationalen Erw?gungen nur sehr bedingt zug?nglich. Will sagen: Auch wenn wir beide wissen, dass Daniel ein Super-Typ f?r Carolin w?re, k?nnen wir in diesem Fall wenig ausrichten. Und wenn wir noch so viele Gelegenheiten schaffen, in denen die beiden allein sind.«

Hm, das klingt nun wieder sehr einleuchtend. Trotzdem will ich noch nicht aufgeben.

»Ja, aber wir wissen doch noch gar nicht, ob Carolin nicht doch verliebt ist. Und deswegen dachte ich, wir m?ssen es wenigstens noch mal probieren. Wenn es dann nicht klappt, strecke ich die Waffen, versprochen!«

Herr Beck seufzt.»Mann, bist du hartn?ckig. Ich finde, all diese Beinahe-Verabredungen mit Schauspielern und Tier?rzten sprechen zwar extrem dagegen - aber meinetwegen. Starten wir noch einen Versuch. Wie ist der Plan?«

»Ich habe noch keinen«, r?ume ich etwas kleinlaut ein. »Deswegen habe ich dich ja gefragt. Weil du doch so ein Stratege bist.«

Herr Beck grinst und streckt sich ganz lang vor mich hin.»Ja, das bin ich. Ich werde dr?ber nachdenken.«

In der Werkstatt ist heute nicht viel los. Daniel und Carolin stehen mehr oder weniger schweigend an ihren Tischen und schrauben und hobeln an irgendwelchen Holzst?cken rum. Langweilig. Und ausserdem habe ich das Gef?hl, dass die Stimmung zwischen den beiden nicht mehr spannend, sondern eher angespannt ist. Carolin hat Daniel heute noch kein einziges Mal richtig angesehen - w?hrend er sie umgekehrt immer verstohlen mustert, wenn er denkt, dass siees nicht sieht. Sehr komisch. Vielleicht hat Beck Recht, und wir sollten unseren Plan einmotten, bevor wir ihn richtig entwickelt haben.

Daniel r?uspert sich. »Du, Carolin«, Daniel kommt hinter seinem Tisch hervor und geht auf Carolin zu. Aha! Endlich kommt hier mal Fahrt in die Sache!

»Ja?«

»?h, hast du da dr?ben noch Collophonium liegen? Ich finde hier gerade keins mehr.«

Argh! Was soll das denn? Collophonium? Ich weiss zwar nicht, was das ist, bin mir aber ziemlich sicher, dass es kein Codeword f?r»Ich liebe dich, darf ich dich bitte k?ssen?«ist.

»Ja, habe ich noch. Hier.«

Klonk! Mit einem dumpfen Scheppern f?llt ein kleiner durchsichtiger brauner Block aus dem D?schen, das Carolin Daniel gerade gereicht hat, ohne richtig hinzusehen. Nun liegt beides auf dem Boden. Carolin kniet sich hin, um Block und D?schen aufzuheben. Auch Daniel b?ckt sich. Einen Moment lang sind sich beide ganz nah. Fast Gesicht an Gesicht.Los! Daniel! Tu was!,w?rde ich am liebsten laut rufen. Leider bleibt mir nat?rlich nichts anderes ?brig, als es sehr laut zu denken. Und tats?chlich, sie funktioniert, die Telepathie zwischen Dackel und Mann: Daniel greift nach Carolins Hand und h?lt sie fest.

»Carolin, stimmt etwas nicht?«

Carolin schaut Daniel kurz an, dann blickt sie wieder zu Boden.

»Nein, wieso?«, murmelt sie.

»Du weichst mir aus.« »Gar nicht, das bildest du dir ein.«

»Ist es wegen neulich?« »Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Komm schon, lass uns wenigstens dr?ber reden: Ist es, weil ich dich gek?sst habe?« »Nein, also, ich …«

Daniel seufzt.»Ich wusste es. Ich wusste, dass das ein Fehler war.«

Daniel l?sst Carolins Hand los und setzt sich neben sie auf den Boden. Einen Moment lang schweigen beide, dann knufft Daniel Carolin in die Seite.

»He, Carolin. Komm, nimm es nicht so schwer. Du musst mir nichts erkl?ren. Es ist v?llig in Ordnung. Es war der Moment, du sahst toll aus, und ich war schon ein bisschen beduselt. Da konnte ich nicht anders.«

Carolin nickt.»Ja, es war ein sehr sch?ner Moment. Aber jetzt…«

»Jetzt bei Tageslicht sieht die Sache irgendwie anders aus, ich weiss«, beendet Daniel ihren Satz. »Und du fragst dich, ob das so eine gute Idee ist, mit mir, deinem Kumpel und Partner.«

Carolin nickt.

»Nein, ist es vermutlich nicht«, f?hrt Daniel fort. »Obwohl es eine sehr sch?ne Vorstellung war, du und ich ein Paar. Jedenfalls f?r einen Augenblick.«

»Und du bist nicht sauer auf mich?«

»Nee, die gleichen Gedanken hatte ich auch schon. So, und jetzt h?r sofort auf, weiter so bedr?ppelt hier rumzuschleichen. Das ist ein Befehl!«

Daniel lacht, und schliesslich, wenn auch ein wenig z?gerlich, lacht Carolin auch.

Ich hingegen k?nnte eher heulen. Mein sch?ner Plan! Na ja, Fast-Plan! Dabei w?re es so toll gewesen, mit Daniel und Carolin als Herrchen und Frauchen. Eine richtige kleine Familie. Und das Schlimmste ist: Jetzt geht die Sucherei wieder von vorne los, und die Gefahr, dass wir uns dabei so einen Idioten wie Thomas einfangen, ist alles andere als gebannt. Dabei war ich mir wirklich sicher, dass Daniel der perfekte Mann f?r Carolin ist. Ach, was heisst hier »war« - ichbinmir sicher, dass er es ist. Aber da hat Herr Beck schon Recht: Wenn Carolins Herz das nicht irgendwann von allein einsieht, dann hat es keinen Sinn. Mit gesenktem Kopf schleiche ich wieder Richtung Terrassent?r, um Beck von meiner Niederlage zu berichten. Wenn er wirklich mein Freund ist und die Entschuldigung eben ernst gemeint war, wird er mich vielleicht tr?sten.