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»Bitte einsteigen!« Schwungvoll reisst er die Beifahrert?re auf.

»Komm, Herkules!«, ruft Carolin - doch ich z?gere. Das Auto sieht irgendwie komisch aus. Irgendwie - gef?hrlich. Erst komme ich nicht drauf, was genau mich so st?rt. Aber als mich Carolin hochhebt, um mich in das Auto zu setzen, ist es un?bersehbar. Das Auto: Es hat kein Dach!

Zwanzig Minuten sp?ter sind meine Bedenken, in etwas sehr Schnelles einzusteigen, aus dem man herausfallen k?nnte, verflogen. Ich sitze auf Carolins Schoss, halte die Nase in die herrliche Sommerluft, und meine ?hrchen wehen im Wind. Ein Traum! Jens und Carolin unterhalten sich gut gelaunt. Wor?ber, kannich gar nicht genau sagen, denn es rauscht so in meinen Ohren, dass ich nicht besonders gut h?re. Aber das ist auch egal. In diesem Moment habe ich das Gef?hl zu fliegen, und das f?hlt sich einfach grossartig an. Die B?ume am Strassenrand rauschen nur so vorbei und verschwimmen dabei zu einer hellgr?nen Hecke, der Himmel ?ber uns ist blau und weit; ich k?nnte eigentlich stundenlang so weiterfahren. Eigentlich. Denn leider zwickt mich mein Bauch noch etwas, ich hoffe also, dass gleich der Moment gekommen ist, in dem Carolin den Korb mit Leckereien aus dem Kofferraum holt.

Tats?chlich f?hrt Jens nun langsamer, und die gr?ne Wand wird wieder zu einzelnen B?umen. Schliesslich h?lt er an.

»So, da w?ren wir. Moment, ich helfe dir!«

Jens springt aus dem Auto, l?uft herum und ?ffnet Carolins T?r. Sehr aufmerksam, das muss ich schon sagen. Ich h?pfe von Carolins Schoss, dann reicht Jens Carolin die Hand und hilft ihr hinaus. Hm, hier riecht es gut. Nach Wald und Wasser und irgendwie ein bisschen wild. Mit dem Picknickkorb bewaffnet, marschierenwir auf ein kleines W?ldchen zu, das an einem Abhang liegt. Treppenstufen f?hren hinunter zu einer Lichtung. Dort bleiben wir einen Moment stehen.

»Schau mal«, Jens zeigt nach vorne, »ist das nicht ein toller Blick?«

»Ja, sieht toll aus, wenn die Elbe so in der Sonne glitzert.«

Klingt gut, aber falls es jemanden interessiert: Ich kann leider nichts sehen. Meine kurzen Beine bringen mich genau auf die H?he der Brennnesseln, die links und rechts der Treppenstufen wuchern. Ob mich einer von den beiden hochhebt? Ich will auch mal gucken! Ich mache M?nnchen.

»Ich glaube, Herkules hat langsam echt Kohldampf«, wertet Carolin mein Anliegen v?llig falsch. »Normalerweise bekommt er schon um 11 Uhr etwas zu essen.«

»Wir sind gleich da. Da vorne beginnt schon der Strand.«

Okay, auch gute Nachrichten. Endlich was zu essen. Aber was istStrand?Am Ende des zweiten Treppenabsatzes angelangt, h?rt der Wald komplett auf, und wir ?berqueren einen kleinen Weg. Jetzt kann ich auch sehen, woher der Wassergeruch kommt: Vor uns liegt ein sehr grosser Fluss. Ein wirklich sehr, sehr grosser Fluss, wenn man nach der Gr?sse des Schiffes geht, das gerade an uns vorbeif?hrt. Gigantisch, so etwas habe ich noch nie gesehen! Es sieht aus wie ein riesiges, fahrendes Haus. Ich kl?ffe aufgeregt, Carolin lacht.

»Da staunst du, Herkules! Wir waren bisher nur an der Alster, Herkules kennt maximal Segelboote.«

»Dann war es h?chste Zeit, dass er mal ein richtiges Schiff sieht. Man kann doch nicht in Hamburg leben und die Elbe nicht kennen!«, ruft Jens fast vorwurfsvoll. Wir laufen weiter auf das Ufer zu - und landen in einer gigantischen Sandkiste. Ich mache eine Vollbremsung, denn Sand an meinenPfoten ist f?r mich mittlerweile ein untr?gliches Zeichen, dass gleich eine Menschenmutter um die Ecke biegen wird, um mich ganz doll auszuschimpfen. Aber komisch, ich habe gar keine Holzumrandung gesehen. Unsicher bleibe ich sitzen.

»Jetzt sag bloss, dein Hund war auch noch nie an einem Strand? Er scheint sich fast ein bisschen zu f?rchten.«

»Nein, war er tats?chlich noch nicht. Ich habe ihn ja noch nicht so lange, und bisher war ich mit ihm nur bei uns im Park oder an der Alster. Urlaub haben wir auch noch nicht zusammen gemacht. Es ist also seine Premiere.«

Jens macht einen Schritt auf mich zu und hebt mich hoch.»Guck dich mal richtig um, mein Kleiner. An so einem Tag ist Hamburg mit Sicherheit die sch?nste Stadt der Welt, und dies hier der sch?nste Teil davon. An den Sand an den F?ssen musst du dich einfach gew?hnen, dann wirst du schnell merken, wie toll es hier ist. Von hier aus kannst du eigentlich in jede Richtung so weit laufen, wie du m?chtest. Aber wenn du das erste Schaf auf dem Deich siehst, dann kehr mal besser um, sonst verlierst du uns noch.«

Er setzt mich wieder runter. So weit laufen, wie ich will - ein toller Gedanke. Aber erst mal brauche ich: richtig! Etwas zu fressen.

Carolin hat neben dem Korb noch eine Decke mitgenommen, die breitet sie jetzt auf dem Sand aus. Der Fluss ist gerade so weit weg, dass die Wellen uns nichts anhaben k?nnen, auch wenn wieder so ein grosses Schiff vorbeif?hrt. Dann ?ffnet Carolin den Korb und nimmt die Sachen heraus. Hm, lecker. Da sehe ich schon ein Sch?lchen mit Herz f?r mich. Sie stellt es ein wenig abseits, und ich st?rze mich gleich darauf. W?hrend ich meine Mahlzeit hinunterschlinge, sehe ich aus den Augenwinkeln, dass Carolin m?chtig auftischt: Wurst, K?se, sogar einen Kuchen hat sie mit. Jens setzt den Rucksack ab, den er eben noch auf dem R?cken hatte.

»So, zur Feier des Tages habe ich auch noch etwas Sch?nes mitgebracht.« Er zieht ein St?ck Stoff aus dem Sack und wickelt es auf, zwei langstielige Gl?ser kommen zum Vorschein. Dann greift er noch mal in den Rucksack und bef?rdert eine gr?ne Flasche ans Tageslicht, an der er sich sofort zu schaffen macht. Mit einem lautenPloppspringt der Korken heraus, Jens giesst die Fl?ssigkeit in die Gl?ser. Hellgelb sieht sie aus und sprudelt sehr h?bsch.

»Bitte sehr: Champagner! Ein sch?nes Getr?nk f?r eine sch?ne Frau!«

Carolin kichert ein bisschen verlegen, dann nimmt sie das Glas, das Jens ihr gibt.

»Danke sch?n. Und ?berhaupt - danke f?r die gute Idee.«

»Ich habe zu danken! Sch?n, dass es doch noch mit unserer Verabredung geklappt hat. Und jetzt: auf einen tollen Tag!« Sie stossen mit ihren Gl?sern an. »Ja, auf einen tollen Tag.«

Als wir sp?tabends wieder nach Hause kommen, bin ich m?de, aber bestens gelaunt. Ich bin zum ersten Mal im Leben in einem Fluss geschwommen, was wirklich viel anstrengender ist als in einem See. Ich habe dabei fast einen Fisch gefangen. Ich bin gelaufen, bis ich die Schafe gesehen habe. Jens hat mindestens hunderttausend St?ckchen f?r mich geworfen. Ich habe neben dem Hundefutter auch noch Fleischwurst und Erdbeertorte gemampft. Ich habe mich auf der kuscheligen Picknickdecke gefl?zt, ged?st und Jens und Carolin einfach nur beim Reden zugeschaut. Und irgendwann lagen wir alle drei auf der Decke, guckten gemeinsam in den Himmel, sahen dem Mond beim Aufgehen und sp?ter der Sonne dabei zu, wie sie langsam in dem grossen Fluss versank. Es war der perfekte Tag.

Jetzt l?mmele ich mich sandig, wie ich bin, in unserer Wohnung auf der Couch und bin einfach gl?cklich. Carolin stellt den leeren Picknickkorb wieder in die K?che und geht dann zu dem kleinen K?stchen neben dem Telefon, das einem erz?hlt, wer angerufen hat, w?hrend man nicht da war.Sie haben zwei neue Nachrichten. Erste neue Nachricht.

»Hallo, S?sse, hier ist Nina! Und? Wie war es? Ich bin so neugierig! Ruf mich sofort an.«

Zweite neue Nachricht.

»Hallo, Carolin, Marc Wagner hier. Du weisst schon, der Tierarzt deines Vertrauens. Wollte nur h?ren, ob es mit unserer Verabredung am Mittwoch klappt. Sollen wir vor dem Konzert eine Kleinigkeit essen gehen? Ich habe mittwochs immer etwas fr?her Schluss und k?nnte dich abholen. Melde dich mal.«

Es gibt keine weiteren Nachrichten.

Marc Wagner - den hatte ich schon v?llig vergessen. Und im Sinne einer effizienten Partnersuche k?nnte Carolin den Termin doch eigentlich absagen. Jens macht einen sehr guten Eindruck, ich konnte heute keine M?ngel feststellen. Er riecht gut, war gek?mmt und hatte etwas Sauberes an - wozu also Zeit mit dem unsympathischen Wagner verschwenden? Und Carolin hat es garantiert auch gefallen, ich habe sie schon lange nicht mehr so fr?hlich und locker erlebt. Also los, ruf Wagner an und sag ab! Aber Carolin sieht unschl?ssig aus. Nachdenklich betrachtet sie das schwarze K?stchen, dann greift sie zum Telefon.