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Und endlich rieche ich den fast vertrauten Gestank einer Reinigung. Ich bin am Ziel - schr?g gegen?ber ist die Praxis von Wagner. Deren Fenster sind nat?rlich dunkel - aber die Wohnung im Stockwerk dar?ber ist zum Gl?ck hell erleuchtet. Dr. Wagner scheint da und wach zu sein. Ohne zu z?gern, hocke ich mich auf den B?rgersteig vor dem Haus und beginne, laut zu bellen. Ununterbrochen. Irgendwann wird mich schon jemand h?ren. Jetzt nicht aufgeben. Das bin ich Willi einfach schuldig.

Es dauert nicht einmal sonderlich lang: Bald geht ein Fenster auf, leider im zweiten Stock, und eine Frau schaut heraus.

»Was ist denn das f?r ein gottverdammter L?rm! Bl?der K?ter, scher dich gef?lligst weg!«

Unbeeindruckt belle ich weiter, langsam schon etwas heiser.

»Hau ab, oder ich rufe die Polizei!«

Mir doch egal. Zur Abwechslung heule ich nun ein bisschen. Die Frau macht das Fenster wieder zu. Eine Weile passiert nichts. Egal. Durchhalten, Carl-Leopold, durchhalten. Es geht um Willi!

Da klappert es, und die Haust?r ?ffnet sich. Die Frau kommt auf die Strasse - und sie hat Dr. Wagner dabei! Sie sprechen miteinander, w?hrend sie auf mich zugehen.

»Ich weiss zwar nicht, wie Sie darauf kommen, dass das ein Patient von mir sein k?nnte, aber ich gucke mal, wo das Problem ist.«

»Na ja, warum sonst sollte sich ein Hund hier so auff?hren? Also danke, dass Sie mal schauen.«

Die beiden bleiben vor mir stehen. Wagner starrt mich an. Ich starre zur?ck. Hoffentlich erkennt er mich. Sonst rufen sie wohlm?glich wirklich noch die Polizei.

»Tats?chlich. Ich kenne das Tier. Es geh?rt einer Freundin von mir.«

Na, also das stimmt so nun gar nicht. Carolin ist nicht deine Freundin! Aber in dieser Situation will ich mal nicht so sein. Stattdessen springe ich an Wagner hoch und begr?sse ihn schwanzwedelnd. Wagner streichelt mich kurz und guckt mich dann nachdenklich an.

»Was ist denn wieder los bei euch, Herkules?«

Wenn ich das einfach erz?hlen k?nnte, m?sste ich hier nicht so einen Zinnober veranstalten. Ich springe noch einmal an ihm hoch und zerre dabei an seinem ?rmel. Die Frau, die eben noch auf hundertachtzig war, schaut am?siert.

»Sieht so aus, als sollten Sie mitkommen.«

»Ja, k?nnte man glauben, nicht? Ist etwas mit Carolin?«

Ich springe auf und ab. Gut, das ist zwar gelogen, aber Hauptsache, er kommt erst einmal mit. Und da locke ich ihn mit Carolin wahrscheinlich eher. Dass es nicht um eine h?bsche junge Frau, sondern um einen wohl eher h?sslichen alten Mann geht, wird er noch fr?h genug selbst sehen.

»Wo ist Carolin denn? Zu Hause?«

Ich laufe drei Schritte vor, dann drehe ich mich wieder zu Wagner um und wedele mit dem Schwanz. Wagner sch?ttelt staunend den Kopf, dann zieht er ein Handy aus seiner Hosentasche und tippt eine Nummer ein. Er h?lt das Handy an sein Ohr und lauscht hinein. Nach einer Weile nimmt er es wieder herunter und steckt es zur?ck in die Tasche. »Hm, ich erreiche sie nicht, geht nur der Anrufbeantworter ran. Okay, Herkules, dann muss ich dir wohl folgen. Warte einen Moment, ich hole kurz meine Jacke.«

Die Frau schaut Wagner v?llig perplex an.»He, das war eben ein Scherz! Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass der Hund Sie gerade bittet, ihn zu begleiten?«

»Doch, das glaube ich, Frau Loretti. Dieser Hund scherzt nicht. Der meint es bitterernst.«

Dann dreht er sich um und geht wieder ins Haus. Ich bin begeistert. Wagner mag ein Idiot sein. Aber mit Hunden kennt er sich einfach aus.

Einen Augenblick sp?ter steht er wieder neben mir.

»Gut, Herkules. Ich bin wirklich sehr gespannt, was der Grund f?r deinen b?hnenreifen Auftritt ist.«

Ich wedele wieder mit dem Schwanz und trabe los, ein kurzer Blick?ber die Schulter: Wagner kommt brav hinterher. Auf dem R?ckweg muss ich nicht mehr ?berlegen, wo ich eigentlich hinwill, das erleichtert die Sache enorm. Schon bald kommen wir an Carolins Haus vorbei, und Dr. Wagner will in Pachtung Hauseingang abbiegen. Ich belle kurz - nix da!

»Aha, da also nicht. Sondern?« Wagner schaut mich fragend an, ich laufe weiter Pachtung Park. Jetzt nicht schlappmachen, wir haben es gleich geschafft. Schliesslich steure ich direkt auf Herrn Beck zu, der auftragsgem?ss neben Willi sitzt. Willi liegt immer noch so im Gras, wie ich ihn verlassen hatte. Herr Beck starrt mich an.

»Du meine G?te, das ist wirklich eine brillante Idee: Du hast den Tierarzt geholt.«

Nun kommt auch Wagner auf uns zu.»Was ist denn hier passiert? Habt ihr den Mann hier gefunden? Und mich als Hilfe geholt? Das ist einfach unglaublich.« Er kniet sich neben Willi. »Hallo? K?nnen Sie mich h?ren? Hallo?«

Willi reagiert nicht. Wagner schiebt seinen Pullover hoch und legt sein Ohr auf Willis Brust. Dann beginnt er, ihn zu massieren. Nein, eigentlich eher, auf ihn einzuschlagen. Das sieht ziemlich brutal aus. Ich hoffe, Wagner weiss, was er tut! Nach einer ganzen Weile voll massieren und schlagen legt Wagner wieder sein Ohr auf die Brust. Offenbar scheint irgendetwas wieder besser zu funktionieren, denn jetzt l?chelt Wagner zufrieden. Er setzt sich auf und kramt sein Handy hervor. Dann tippt er eine Nummer ein.

»Hallo, hier ist Marc Wagner. Ich habe soeben im Helvetia-Park eine bewusstlose m?nnliche Person gefunden, Alter zwischen f?nfzig und sechzig Jahre. Eine genauere Untersuchung ist schwierig, aber ich sch?tze, es k?nnte ein Herzinfarkt sein. Herzschlag war jedenfalls sehr unregelm?ssig, scheint nach Herzmassage jetzt besser zu sein.«

Er lauscht wieder. Jemand am anderen Ende der Leitung scheint ihn etwas zu fragen.

»Na, nicht so direkt. Ich bin Tierarzt. Ich habe ihn jetzt in die stabile Seitenlage gebracht, Herzmassage ist wohl nicht mehr n?tig. Sie finden uns rechts von dem Kinderspielplatz. Bis gleich!«

Wagner legt auf, dann guckt er Herrn Beck und mich ernst an.»Ich glaube, dieser Mann hatte einen Herzinfarkt. Auf alle F?lle scheint es etwas Ernstes zu sein. Es ist gut, dass ihr Hilfe geholt habt.« Er streichelt erst mich, dann Herrn Beck ?ber den Kopf. »Gut gemacht!« Er schweigt einen Moment. »Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass mir niemand diese abgefahrene Geschichte glauben wird. Wahrscheinlich am wenigsten dein Frauchen, Herkules. Wo steckt die eigentlich? Und warum rennst du nachts allein im Park herum?« Er mustert mich nachdenklich. »Schade, dass du nicht sprechen kannst.«

Er nimmt wieder das Handy und tippt eine Nummer ein.»Hallo, Nina, hier ist Marc. Sag mal, hast du vielleicht die Handynummer deiner Freundin Carolin? Hm. Ja.«

Wie schlau von Wagner - er hat offensichtlich Nina angerufen.

»Nein, ich wollte ihr lediglich etwas erz?hlen, was eventuell von Interesse f?r sie sein k?nnte. Also, wenn du mir den Gefallen tun w?rdest …«, wieder Schweigen. »Ach hallo, Carolin! So ein Zufall - du bist bei Nina. Tja, das klingt jetzt erst mal seltsam, aber ich sitze hier mit Herkules im Helvetia-Park. Willst du vielleicht vorbeikommen?«

Die Rettungssanit?ter wuchten Willi auf eine Trage. Wagner unterh?lt sich noch kurz mit dem Menschenarzt, der Willi gerade untersucht hat.

»Ich denke auch, dass es ein Herzinfarkt war. Hat echt Gl?ck gehabt, dass Sie vorbeigekommen sind, Herr Kollege.«

»Tja, normalerweise sind meine Patienten ja sehr viel kleiner oder sehr viel gr?sser und meist sehr behaart, aber im Notfall geht’s auch mal ohne Fell.« Die beiden lachen.

»So, wir bringen den Herrn jetzt in die Uniklinik. Also, tsch?ss!«

Marc Wagner nickt kurz, dann dreht er sich zu Carolin und Nina um, die mittlerweile neben uns stehen.»Einen sch?nen guten Abend, die Damen!«

Carolin sagt erst mal nichts, sondern nimmt mich auf den Arm.»Herkules! Was machst du hier? Was um Gottes willen ist passiert?«

Wagner l?chelt ein bisschen schief. »Also, ich habe es mir wie folgt zusammengereimt: Herkules war mit dem Kater im Park unterwegs, und dabei haben sie diesen Obdachlosen gefunden. Schlaue Viecher, die sie nun mal sind, haben sie erkannt, dass ein Notfall vorliegt. Und dann hat Herkules den einzigen Arzt geholt, den er kennt: n?mlich mich.«