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»War klar, dass du das wieder in den falschen Hals kriegst und beleidigt bist. Nat?rlich denken wir auch. Aber der Mensch - oder besser: der ein oder andere Mensch - ist selbstreflektiert. Will heissen: Er denkt st?ndig ?ber sich selbst nach. Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?«

»Also, das klingt jetzt noch nicht so besonders, muss ich dir sagen.«

»Ich meine doch im ?bertragenen Sinne! Carolin will wissen, was sie als Mensch ausmacht. Was sie von anderen unterscheidet. Was f?r sie selbst wichtig ist. Solche Sachen eben.«

Herrje, ich komme immer wieder auf meine Ausgangsthese zur?ck: n?mlich, dass der aufrechte Gang nicht gut f?r das Gehirn ist.

»Wie schade, dass ich nicht mit Menschen sprechen kann. Sonst w?rde ich Carolin einfach sagen, was das Besondere an ihr ist, und sie m?sste nicht l?nger dar?ber nachdenken. Es liegt doch auf der Hand: Sie ist ein lieber Mensch. Sie macht sich Gedanken um die anderen Menschen in ihrer Umgebung, um Nina und Daniel, sogar um Marc. Und um Tiere macht sie sich auch Gedanken, sonst h?tte sie mich nicht aus dem Heim geholt. Also, ich finde, das reicht. Mehr muss sie doch nicht ?ber sich wissen, um sich gut zu f?hlen. Jetzt braucht sie dann nur noch den richtigen Mann, und allesist gut. Wenn sie da allerdings so weitermacht, sind wir bald alle Kandidaten los und k?nnen von vorne anfangen. Diesmal denke ich mir dann aber eine andere Masche aus.«

Herr Beck seufzt.»Ne, glaube mir, Herkules. Solange Carolin das Gef?hl hat, sich selbst finden zu m?ssen, k?nnen wir die tollsten Typen anschleppen - es wird nichts n?tzen. Offenbar k?nnen manche Menschen nur gut zu zweit sein, wenn sie auch gut allein sein k?nnen. Und daf?r braucht Carolin wahrscheinlich wirklich Zeit. Fassen wir uns also in Geduld.«

»Ich hoffe, du hast zur Abwechslung mal Unrecht. Aber eine Chance gibt es noch: Jens. Zumindest war unser Ausflug an den Fluss einfach wundersch?n, vielleicht wird es doch etwas mit den beiden.«

»Ja, vielleicht.« Herr Beck nickt bed?chtig - aber sein Blick verr?t, dass er nicht daran glaubt.

ZWEIUNDZWANZIG

»Kannst du mir mal einen vern?nftigen Grund nennen, warum du mir das nicht erz?hlt hast?« Daniel klingt sauer. »Ich verstehe dich nicht, Carolin. Wir haben hier neulich gesessen, und ich war ganz ehrlich zu dir. Da h?tte ich wohl von dir das Gleiche erwarten k?nnen, findest du nicht?«Er istrichtigsauer.

Dabei hat der heutige Tag eigentlich ganz harmlos begonnen. Als wir nach unten in die Werkstatt kommen, steht dort ein grosser Blumenstrauss auf Carolins Werkbank. Carolin freut sich - bis sie Daniel sieht, der mit m?rrischem Gesicht an seinem eigenen Tisch steht. Und dann geht es ganz schnelclass="underline" Denn es stellt sich heraus, dass der Strauss von Jens stammt. Und das Daniel eifers?chtig ist. Sehr eifers?chtig. »Ich wollte dich eben nicht verletzen.« »Na, Gl?ckwunsch. War ‘ne super Idee. Falls es dich interessiert: Jetzt hast du mich richtig verletzt. Wenn du mir damals gleich gesagt h?ttest, dass du dich f?r jemand anderen interessierst, dann w?re es f?r mich viel leichter gewesen. Aber nunf?hle ich mich wie der Riesendepp.«

Carolin schluckt.»Aber warum denn? Ich hab doch nur …«

»Weil ich mir einen abgebrochen hab von wegenist vielleicht keine so gute Idee mit unsundist vielleicht besser so.Hab den Verst?ndnisvollen gegeben. Mann, was bin ich bl?d! Ich darf gar nicht daran denken, da wird mir schlecht.«

»Also nun beruhige dich mal wieder - ganz so war das schliesslich nicht. Ich fand unser Kochen auch sch?n. Und dass ich mir mehr nicht vorstellen konnte, hat ?berhaupt nichts mit Jens zu tun. Den hatte ich da genau einmal gesehen. Was h?tte ich dir denn da gross erz?hlen sollen? Da war doch ?berhaupt nichts.«

»Nun tu doch nicht so, du weisst genau, was ich meine. Ich hatte keine Chance. Und das h?tte ich gerne gewusst. Ich dachte, wir sind Freunde.«

Auf Carolins Wangen bilden sich kleine rote Flecken.»Nat?rlich sind wir Freunde! Und ich kann mir auch vorstellen, dass die Situation f?r dich schwer ist. Aber f?r mich ist sie es auch, und ich finde nicht, dass ich hier die B?se bin!«

»Das habe ich auch nicht behauptet.«

»Hast du nicht? Finde ich aber doch.«

»O Mann, was f?r eine Scheisse!« Daniel haut mit seiner Faust so laut auf den Tisch, dass ich vor Schreck einen Satz unter die Werkbank mache. Dann rennt er von seinem Tisch weg, aus dem Raum hinaus und knallt hinter sich die T?re zu. Carolin und ich bleiben zur?ck. Sie beugt sich zu mirund holt mich unter der Werkbank hervor.

»Ganz sch?n laut, nicht?« Sie streichelt mich. »Tja, sieht so aus, als w?ren langsam alle meine Freunde sauer auf mich. Gut, dass ich dich noch habe.«

Ich schaue Carolin mit grossen Augen an. Es ehrt mich nat?rlich, dass ich ihr als Freund genauso wichtig bin wie Daniel und Nina. Trotzdem hoffe ich, dass sich hier schnell alles wieder einrenkt. Ich bin doch eher f?r Harmonie zu haben. Carolin scheint meine Gedanken lesen zu k?nnen.

»Mach dir keine Sorgen. Ich verspreche dir, dass wir uns alle wieder vertragen werden. Und damit das m?glichst schnell passiert, rufe ich jetzt auch mal die Nina an und verabrede mich mit ihr. Was meinst du, guter Plan?« Ich wedele mit dem Schwanz. »Aha. Guter Plan. Sehr sch?n, dann wird’s so gemacht.«

Offensichtlich hat Nina auch das dringende Bed?rfnis, mit Carolin zu sprechen. Denn kaum hat Carolin sie angerufen, da sind wir schon unterwegs in unser Stammcafe um die Ecke. Als wir eintrudeln, ist Nina schon da und winkt uns zu. Recht freundlich, wie ich mir einbilde.

»Hallo, Nina! Sch?n, dass es so spontan klappt«, begr?sst Carolin sie.

»Ja, gl?ckliche F?gung. Mir waren auch gerade zwei Patienten ausgefallen. Als du anriefst, dachte ich mir: Das Schicksal will, dass wir endlich miteinander reden.«

Beide lachen. Na, das sieht doch wirklich nach einer Vers?hnung aus. Die Kellnerin kommt an unseren Tisch.

»Ich weiss nicht, wie es dir geht. Aber ich finde, unser Treffen verlangt nach zwei Gl?sern Sekt.«

Nina nickt.»Genau. Besondere Situationen erfordern besondere Massnahmen. Bringen Sie uns bitte zwei Gl?ser?«

Mir bitte auch eins!, w?rde ich gerne sagen. Denn wenn das etwas Besonderes ist, h?tte ich es auch gerne probiert. Aber so bleibt mir gleich lediglich ein Gang zum Hundetrinknapf, den es in diesem Caf? netterweise gleich an der T?r gibt.

Zwei Gl?ser mit einer hellen Fl?ssigkeit kommen, die Damen greifen gleich zu.

»So, meine Liebe, auf uns!« Nina prostet Carolin zu. »Ja, auf uns!«

Die beiden trinken einen grossen Schluck.

»Ehrlich, ich bin froh, dass du endlich angerufen hast. Langsam wurde es unheimlich. Aber morgen h?tte ich auch zum H?rer gegriffen. Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir uns im Grunde wegen eines Typen gestritten haben. Ts, ts.« Sie sch?ttelt den Kopf.

Carolin l?chelt. »Ja, aber was mir am meisten leid tut, ist, dass ich dich in letzter Zeit tats?chlich immer mit meinem Ungl?ck zugetextet habe. Damit hast du Recht. Und das tut mir auch leid. Ich werde mich bessern!« Sie hebt ihre rechte Hand. »Versprochen!«

»Na ja, aber so im Nachhinein muss ich sagen, dass ich auch ziemlich zickig reagiert habe. Immerhin hatte ich dir ja wirklich gesagt, dass Marc nichts f?r mich ist. Ich weiss auch nicht, warum ich neulich im Park so ausgeflippt bin. War bestimmt auch eine Menge gekr?nkter Stolz mit dabei.«

»Ehrlich, Nina, wenn ich gewusst h?tte, dass Marc dir noch so viel bedeutet, dann h?tte ich sowieso die Finger von der ganzen Sache gelassen. Und falls es dich beruhigt: Ich habe die Verabredung mit ihm abgesagt.«

»Oh!« Nina klingt, als ob sie sich erschreckt hat. »Aber das solltest du nicht! Jedenfalls nicht wegen mir. Ich gebe zu, ich war sauer, aber wenn es bei euch richtig gefunkt hat, dann kann ich damit leben. Das ist dann h?here Gewalt.«

»Nein, an dir liegt es nicht. Jedenfalls nicht nur. Nat?rlich habe ich nach dem Streit mit dir schon ziemlich viel ?ber Marc nachgedacht. Und dann hatte ich auf einmal das Gef?hl, dass mir alles zu viel wird. Dass ich erst mal zur Ruhe kommen muss nach dem Chaos der letzten Wochen. Ein neuer Mann hat da eigentlich momentan gar keinen Platz. Auch ein so toller wie Marc nicht.«