»Wie, vor dem Typen da? Der sieht doch gar nicht so schlimm aus. Hat eine nette Stimme.«
»Das finde ich auch. Wir haben aber das umgekehrte Problem. Ich f?rchte, sie will ihn loswerden.«
»Aha. Na, sie wird ihre Gr?nde haben.«
»Finde ich nicht. Sie mag ihn, aber sie will erst sich selbst finden. Das ist v?llig gaga, oder?«
»Kleiner, darf ich dir einen Rat geben?«
»Gerne.«
Von einer attraktiven Frau verspreche ich mir gerade in dieser Angelegenheit einen guten Tipp. Wahrscheinlich war sie schon einmal in der gleichen Situation wie Carolin.
»Halt dich aus den Menschensachen raus. Das gibt nur ?rger. Und sieht auch ziemlich albern aus, die Show, die du gerade abziehst.«
Rums. Das hat gesessen. Man k?nnte fast meinen, die Dame sei von Herrn Beck gebrieft worden. Beleidigt trolle ich mich wieder unter Carolins Stuhl. Dann eben nicht! Dann macht doch alle, was ihr wollt. Aber sagt hinterher nicht, ich h?tte euch nicht gewarnt.
Den restlichen Abend verbringe ich so gut wie stumm unter Carolins Stuhl. Allerdings macht Carolin auch keine weiteren Anl?ufe, Jens die schlechte Nachricht zu ?berbringen. Ob sie es sich wohl anders ?berlegt hat? Als die beiden schliesslich aufstehen, um zu gehen, macht Jens einen Vorschlag, der mir besonders gut gef?llt.
»Was h?ltst du davon, wenn wir noch ein bisschen mit Herkules spazieren gehen? Das letzte Mal waren wir an der Elbe, jetzt k?nnten wir ihm doch mal die Alster zeigen, oder? Und immerhin war er die letzte Stunde bemerkenswert ruhig. Deine kleine Gardinenpredigt schien also gewirkt zu haben.Das sollten wir belohnen. So vonwegen positiver Verst?rkung.Was meinst du?«
»Ja, warum nicht? Eine gute Idee.«
Mein Herz schl?gt schneller. Bestimmt hat es sich Carolin anders ?berlegt, da bin ich mir nun ganz sicher. Sonst h?tte sie bestimmt dankend abgelehnt.
Der See, der sich Alster nennt, liegt direkt neben dem Lokal. Wir schlendern auf dem breiten Weg direkt am Ufer entlang. Normalerweise w?rde ich mal eben losrennen und die Gegend erkunden, aber nat?rlich will ich auch h?ren, wor?ber die beiden sich unterhalten. Also bleibe ich erst mal da. Und dann - legt Jens seinen Arm um Carolin! Mittlerweile rast mein Herz richtig, so aufgeregt bin ich. Wie wird Carolin reagieren?
Sie macht erst einmal nichts. Ein gutes Zeichen. Die beiden schlendern weiter, ich immer hinterher.
»Weisst du«, setzt Carolin an, etwas zu sagen, verstummt dann aber wieder. Oh, oh! Doch kein gutes Zeichen?
»Was denn?« Jens bleibt stehen. Die beiden gucken sich nun direkt an, und er nimmt ihre H?nde.
»Also, ich finde dich sehr nett, Jens. Aber ich glaube, ich bin noch nicht so weit. Und ich habe Angst, dir falsche Hoffnungen zu machen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, wir hatten einen sehr romantischen Tag an der Elbe, und der heutige Abend war bis auf die Herkules’schen Ausf?lle auch sehr sch?n. Aber ich denke, dass du dir jetzt vielleicht mehr erhoffst, als ich momentan geben kann. Und ich will dich nicht entt?uschen. Deswegen finde ich es besser, gleich Klartext zu reden. Ich glaube, ich kann mich gerade nicht verlieben. Bevor ich wieder ?ber eine Beziehung nachdenke, muss ich erst einmal ein paar Sachen ?ber mich selbst herausfinden.«
Jens l?sst ihre H?nde los. »Aha.«
Mehr sagt er nicht. Auweia. Am liebsten w?rde ich mich unter irgendeinem Busch verstecken, so unangenehm ist mir die Situation.
»Bist du jetzt sauer?«
»Nein. Ich bin nur erstaunt.«
»Ja, das glaube ich. Das h?tte mir nat?rlich auch eher einfallen k?nnen.«
»Nein, so meine ich das gar nicht. Ich bin erstaunt, dass du hier allen Ernstes ?ber eine Beziehung nachgedacht hast und dir Sorgen machst, dass ich eine solche will.«
»Ja, willst du denn nicht?«
Jens lacht.»Ne, nat?rlich nicht. Ich habe schliesslich schon eine Freundin.«
WIE BITTE? Vor uns steht offensichtlich Thomas Nr. 2.
»Ja … aber … das wusste ich nicht.« Carolin klingt v?llig fassungslos. Zu Recht.
»Na h?r mal, M?dchen, liest du etwa nie dieGala?Oder dieBunte?«
»Nein, offen gestanden nicht.«
»Gut«, sagt Jens in g?nnerhaftem Ton, »dann eben nicht. Aber wenn du sie lesen w?rdest, w?sstest du, dass ich seit vier Jahren mit Alexa von Sch?ning zusammen bin, einem sehr erfolgreichen Model.«
»Ja, aber … was wolltest du denn von mir? Warum hast du dich mit mir ?berhaupt getroffen?«
»Weil ich dich super niedlich finde. Und weil ich gerne etwas Spass habe. Alexa weiss das, es ist okay f?r sie. Ich dachte nat?rlich, du w?sstest das auch.«
Gut, dass ich nicht sprechen kann. Denn mir fehlen die Worte. Der ist ja schlimmer als Thomas! Der hat ja nicht mal ein schlechtes Gewissen. Carolin hat es auch die Sprache verschlagen.
»Du sagst ja gar nichts mehr. Ich meine, jetzt, wo du weisst, dass ich in festen H?nden bin, spricht doch nichts gegen ein bisschen Spass, oder? Musst dir doch gar keine Sorgen machen, dass ich was Ernstes will. Das m?sste dir doch sehr entgegenkommen.« Carolin sagt nichts, sondern starrtihn nur an.
»He, Carolin, lach mal!« Jens gibt ihr einen Stupps. Ich knurre ihn an. Finger weg von dieser Frau, und zwar sofort!
»O Mann, jetzt nervt der K?ter aber echt. Was hat der bloss heute? Ich dachte, der mag mich.«
»Ja«, sagt Carolin fast tonlos, »ich dachte auch, ich mag dich. So kann man sich t?uschen. Ich w?rde jetzt gerne nach Hause fahren.«
»Okay, dann machen wir das. Ich weiss allerdings nicht, warum du jetzt beleidigt bist. Ich meine, ist doch noch gar nichts passiert. Was allerdings sehr schade ist.« Jens grinst, Carolin guckt ihn sehr b?se an.
Wir fahren im offenen Wagen zur?ck. Meine Ohren wehen im Wind, was ein sehr sch?nes Gef?hl ist. Ansonsten f?hlt sich gerade gar nichts gut an. Ich komme mir wie ein Riesenidiot vor. Mit diesem Mann wollte ich Carolin verkuppeln. Unfassbar! Ich habe anscheinend ?berhaupt keine Menschenkenntnis. Gut, Carolin auch nicht, aber das ist nur ein schwacher Trost.
Vor dem Haus h?lt Jens an. Carolin will sich gerade verabschieden, da beugt sich Jens nach vorne und r?ckt ihr ziemlich nah auf die Pelle.
»Carolin, jetzt mal im Ernst. Du und ich - das knistert doch richtig. Lass es uns doch wenigstens mal versuchen. Ich will ehrlich sein - ich habe richtig Lust auf dich. Dass du dich jetzt ein bisschen str?ubst, macht die Sache nur noch interessanter.«
Carolin sagt nichts und greift nach dem T?rgriff. Da packt sie Jens auf einmal, dr?ckt sie wieder in den Sitz und f?ngt an, sie auf den Mund zu k?ssen. Carolin schreit auf und will ihn wegstossen, aber Jens h?lt sie an den H?nden fest und k?sst sie weiter.
Ich bin v?llig geschockt - das darf doch nicht wahr sein.
Der Schreck h?lt aber nicht lange an: Ich springe aus dem Fussraum hoch zu den beiden und beisse Jens in genau die Stelle, die schon beim letzten Mal Wunder bewirkt hat. Er br?llt und versucht, nach mir zu schlagen. Dabei muss er Carolin nat?rlich loslassen. Die nutzt den Moment, reisst die T?r auf, greift mich und springt aus dem Auto. Jens kr?mmt sich vor Schmerzen. Carolin schmeisst die Beifahrert?r zu und l?uft Richtung Haus, dann ?berlegt sie es sich aber anders und dreht sich noch einmal zum Auto.
»Einen sch?nen Gruss an Alexa. Sie soll sich keine Sorgen machen. Eine Tetanusimpfung h?lt meines Wissens locker zehn Jahre.«
VIERUNDZWANZIG
»Ah, da ist der Heldenhund!« Nina kommt auf mich zu, b?ckt sich und ?berreicht mir mit grosser Geste ein St?ck Fleischwurst. »Das hast du richtig gemacht, und ich hoffe, der Herr Uhland muss noch sehr, sehr lange an dich denken. Brav!«
Ich muss zugeben, dass ich diese Reaktion durchaus angemessen finde. Auch die Tatsache, dass ich letzte Nacht in Carolins Bett schlafen durfte, erscheint mir die passende Belohnung f?r einen mutigen Dackel wie mich. Zufrieden kaue ich auf der Wurst herum, w?hrend sich Nina noch einmal alle Details des Vorabends schildern l?sst. Ab und zu st?sst sie ein»Unfassbar!«oder»Gibt’s doch nicht«aus, und immer wieder streichelt mich eine der beiden. Mittlerweile liege ich n?mlich zwischen Carolin und Nina auf Carolins Sofa und habe alle viere von mir gestreckt. Herrlich! Ich liebe es, am Bauch gekrault zu werden! Das Leben kann so sch?n sein. Wahrscheinlich brauchen wir doch keinen Mann.