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Papa? Mit wem spricht das Kind da bloss?

Die T?r zum Sprechzimmer schwingt jetzt wieder ganz auf und heraus kommen Luisa - und Marc Wagner! Wagner ist »Papa«? Heisst das etwa, Wagner hat ein Kind? Und demnach auch eine Frau? V?llig verwirrt lasse ich mich auf den Po plumpsen.

»Herkules! Was machst du denn hier?«

»Sie kennen das Tier?«

»Ja, Frau Warnke. Das ist der Hund von Frau Neumann. Ist er wirklich allein hier?«

»Ja, er ist eben mit reingekommen, als Frau Urbanczik ihre Katze anmelden wollte. Ich dachte schon, ich m?sste das Tierheim anrufen. Aber wenn Sie den Hund kennen, dann rufe ich jetzt einfach die Besitzerin an.«

Marc Wagner?berlegt kurz. »Warten Sie damit noch einen Augenblick. Und du kommst mal mit rein, Herkules.«

»Ich will auch mit!«, ruft Luisa und l?uft hinter Wagner her. Als wir alle im Sprechzimmer sind, schliesst Wagner die T?r hinter uns. Dann hebt er mich auf den Untersuchungstisch und mustert mich.

»So, Herkules. Dann erz?hl mal. Wieder jemand in Not?«

Luisa kichert.»Aber, Papa, Hunde k?nnen doch nicht sprechen.«

»Du wirst dich wundern, mein Schatz. Dieser schon!«

Genau! Zur Best?tigung belle ich einmal kurz. Luisa macht grosse Augen.

»Also, weiss Carolin, dass du hier bist?«

Ich sch?ttle den Kopf, so gut ich kann. Dann packe ich mit meinem Fang vorsichtig einen Armel von Wagners Kittel und ziehe daran.

»Ich soll mitkommen? Zu Carolin?«

Ich kl?ffe zweimal. Ich weiss zwar nicht, ob man als Zeichen so direkt sein darf, aber Herrn Beck kann ich schlecht fragen.

»Also, Herkules, ich weiss nicht, ob das so eine gute Idee ist.«

Aha. Er hat n?mlich schon eine Frau. Wahrscheinlich ist es das. Ich lasse deprimiert den Kopf sinken.

»Ach komm, sei nicht traurig. Ich w?rde liebend gerne mitkommen. Aber dein Frauchen hat eindeutig gesagt, dass sie mich nicht mehr treffen will. Glaube mir, dagegen zu verstossen, kommt bei Frauen gar nicht gut an.«

Doch keine andere Frau? Sondern Taktik? Ich bin einigermassen verwirrt, beschliesse aber, mich davon nicht ablenken zu lassen. Offenbar hat Wagner nach wie vor Interesse an Carolin, das soll mir reichen. Vielleicht gibt es auch f?r alles eine gute Erkl?rung.

»Ich habe eine viel bessere Idee. Daf?r musst du jetzt aber mal ehrlich zu mir sein. Weisst du noch, als ich dich nach deinem Anfall neulich untersucht habe?«

Wie k?nnte ich das vergessen? Ich versuche also wieder zu nicken.

»Sehr gut. Ich hatte damals offen gestanden den Eindruck, dass es dir ganz hervorragend geht. Ist es denkbar, dass dieser Anfall Ausdruck deines enormen schauspielerischen K?nnens war?«

Ertappt. Wie peinlich.

»Also, Papa, jetzt verstehe ich gar nichts mehr.« »Warte mal ab, Luisa. So, Herkules, komm: Mach den Anfall!«

Bitte, soll das etwa ein Kommando sein?»Mach den Anfall, los!«

Na, wenn er meint. Das kann er haben. Ich lasse mich auf die linke Seite kippen und fange an, mit Vorder-und Hinterl?ufen gleichzeitig zu zucken. Winde mich, sch?ume, jaule -und achte gleichzeitig darauf, nicht vom Untersuchungstisch zu fallen. Ich finde, es ist eine ziemlich beeindruckende Vorstellung. Luisa reisst die Augen noch ein St?ck weiter auf, Wagner grinst.

»Donnerwetter. Unser Dackel ist ein Staatsschauspieler. Ich hab’s ja gewusst. So, braver Hund, kannst aufh?ren.«

Ich bleibe ruhig liegen, Luisa krault mich am Bauch.

»Das war ja wie im Zirkus, Papa!«

»Richtig.«

»Und was passiert jetzt?«

»Jetzt soll der liebe Herkules mal wieder nach Hause laufen. Und dort, Herkules, wirst du diesen sch?nen Anfall noch mal deinem Frauchen vorf?hren. Es sollte mich sehr wundern, wenn sie sich darauf nicht bei mir meldet. Und dann erscheine ich als Retter in der Not. Alles klar?«

Alles klar! Ein Spitzenplan. Er k?nnte glatt von mir und Herrn Beck sein. Ich springe wieder auf und belle einmal kurz. Dann hebt mich Wagner vom Tisch und bringt mich nach draussen.

»So, du weisst, was du zu tun hast. Ich warte auf Carolins Anruf!«

Ich winde mich in furchtbaren Kr?mpfen. Dies muss einfach die ?berzeugendste Darstellung sein, die ich jemals abgeliefert habe. Kaum war Daniel heute weg, schon habe ich mich noch in der Werkstatt praktisch direkt vor Carolins F?sse geworfen. Die scheint mir den Anfall abzukaufen, sie ist vor Schreck ganz weiss um die Nase. Ich hoffe, sie reagiert so, wie Wagner es vorausgesagt hat.

Tats?chlich - sie holt das Telefon!

»Neumann hier. Ist Dr. Wagner zu sprechen? Danke.« Sie wartet kurz. »Hallo, Marc, hier ist Carolin. Es tut mir leid, dich zu st?ren, aber Herkules hat gerade wieder einen ganz furchtbaren Anfall. Viel schlimmer als beim letzten Mal. Ja? Du kommst gleich vorbei? Vielen Dank, das ist furchtbar nett von dir. Wir sind in der Werkstatt.«

Ziel erreicht! Ich kann meinen Anfall also langsam ausklingen lassen. Wurde auch ein bisschen anstrengend. Ruhig liege ich auf dem R?cken und mime den v?llig Ersch?pften. Carolin setzt sich neben mich auf den Boden und krault mich.

»Armer Herkules. Du tust mir so leid. Aber gleich kommt Dr. Wagner, und dann wird alles gut. Bestimmt.«

Kurz darauf klingelt es schon an der T?r. Wagner muss sofort losgest?rmt sein. Er kommt rein und stellt seinen Arztkoffer neben mir ab. Dann untersucht er mich genau so wie beim letzten Mal, macht ab und zuhm, hmund setzt sich dann neben Carolin.

»Also, ich kann eine Epilepsie nun tats?chlich nicht mehr ausschliessen. Ich mache dir deswegen folgenden Vorschlag:

Ich bin morgen Vormittag sowieso auf Schloss Eschersbach. Was h?ltst du davon, wenn ich euch beide morgen fr?h einsammle und wir fahren zusammen. Dann werden wir schnell herausfinden, ob Herkules wirklich ein geb?rtigervon Eschersbachist und ob es erbliche Epilepsie sein k?nnte.«

»Ja«, sagt Carolin leise, »das klingt nach einer sehr guten Idee. Ich komme gerne mit, vielen Dank.«

Schloss Eschersbach? Mit Carolin und Marc! Sensationell! Ich m?chte am liebsten vor Freude hoch in die Luft springen, lasse es aber. Das s?he wahrscheinlich nicht sonderlich ersch?pft aus.

Der Himmel ist strahlend blau. Ganz so, wie er an einem so wichtigen Tag sein muss. Und wichtig ist dieser Tag, daran habe ich keinen Zweifel. Ich werde Schloss Eschersbach und meine Familie wiedersehen. Und wenn Wagners Plan aufgeht, dann gibt es doch noch eine Chance f?r ihn und Carolin. Wie genau er sich das vorstellt, habe ich nicht verstanden. Aber ich verlasse mich mal darauf, dass er sich ausreichend Gedanken gemacht hat. Wie sagte Herr Beck so sch?n? Ein Typ, der einen Hund braucht, um die Frau seines Herzens zu gewinnen, der hat schlechte Karten. Also halte ich mich ab jetzt fein raus.

Ungeduldig warte ich darauf, dass Wagner endlich kommt. Carolin scheint auch nerv?s zu sein. Sie schaut immer wieder auf die Uhr. Da klopft es an die Fensterscheibe der Terrassent?r. Wagner - und er hat Luisa mitgebracht.

Carolin?ffnet die T?r.

»Hallo! Und? Bereit f?r unseren Ausflug?«

»Hallo, ja, ich bin schon fertig.« Sie schaut zu Luisa. Wagner folgt ihrem Blick.

»Ich habe heute jemanden mitgebracht, den ich dir gerne vorstellen w?rde. Das ist Luisa, meine Tochter. Luisa, das ist Carolin.«

Na, wenn das mal eine gute Idee war. Der Nachwuchs von fremden Dackeldamen ist bei H?ndinnen jedenfalls nicht gut gelitten. Hoffentlich ist das bei Menschen anders. Ein Blick auf Carolins Gesicht sagt mir, dass es in der Menschenwelt ?hnliche Spannungsfelder gibt.

»Deine Tochter? Ich verstehe nicht ganz …«

»Ich war schon einmal verheiratet. Luisa ist meine Tochter. Sie lebt meistens bei Sabine, ihrer Mutter. Aber momentan sind Schulferien, und die verbringt Luisa immer bei mir.« Er holt tief Luft. Irgendetwas Bedeutsames muss er wohl noch sagen. »Tja, und weil ihr mir beide so wichtig seid, wollte ich, dass ihr euch kennt.«

»Du hast eine Tochter.« Carolin wiederholt es noch einmal, als h?tte sie nicht richtig verstanden.

»Ja. Und was f?r eine. Ein tolles M?dchen.«

Luisa streckt Carolin die Hand entgegen.»Hallo!«

Jetzt l?chelt Carolin. Von meinem Herzen f?llt ein ziemlich grosser Stein.