»Hallo, Luisa. Sch?n, dich kennenzulernen.«
»Darf ich mal in den Garten? Ich habe da eine Schaukel gesehen.«
»Nat?rlich, geh nur.«
Als Luisa gegangen ist, sagen beide erst einmal nichts. Dann r?uspert sich Marc.
»Luisa ist so oft es geht bei mir. Ich m?chte n?mlich kein Wochenendpapa sein. Das wollte ich nie. Unter der Trennung sollte sie so wenig wie m?glich leiden. Sabine und ich ?berlegen auch, ob Luisa demn?chst ganz zu mir zieht. Sabine ist Stewardess und will jetzt wieder mehr arbeiten. Ehrlich gesagt, freue ich mich schon sehr darauf. Es wird zwar stressiger werden, aber ich m?chte gerne den Alltag meines Kindes mit ihm teilen. Sie werden so schnell gross, und dann ist die Zeit vorbei und kommt nicht wieder.«
»Hast du dich deswegen so mit Nina gestritten? Weil sie dir gesagt hat, wie ?tzend sie Kinder findet?«
Wagner nickt.»Auch. Aber es war nicht nur das. Schon beim zweiten Treffen war mir eigentlich klar, dass der Funke nicht so richtig ?berspringen will. Aber ihr Ausraster am Strand war dann schon ziemlich heftig. Ich hatte ihr noch nicht von Luisa erz?hlt, wollte es aber eigentlich gerade tun. Na ja. Du kennst ja die Geschichte. F?r mich sind Kinder eben sehr wichtig. Mir war sofort klar, dass das keinen Sinn hat.«
»Ja, ich verstehe, dass dich das getroffen hat.«
»Tja, und als du sagtest, dass du mich erst mal nicht sehen willst, da h?tte ich dir am liebsten die ganze Geschichte aus meiner Sicht erz?hlt. Aber du klangst so entschlossen, und ich wollte auch nicht schlecht ?ber deine beste Freundin reden.«
Carolin greift nach seiner Hand und dr?ckt sie. »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Im Nachhinein habe ich mich ?ber mich selbst ge?rgert. Denn eigentlich bin ich sehr gerne mit dir zusammen.«
Wagner l?chelt. »Na, dann haben wir ja Gl?ck im Ungl?ck, dass Herkules so schwach bei Gesundheit ist.« Er zwinkert mir zu.
»Apropos Gesundheit: Meinst du, f?r Herkules ist es schlimm, wieder dorthin zu fahren? Ich meine, immerhin haben diese Leute ihn ins Tierheim gegeben?«
»Im Gegenteil. Er hat doch jetzt einen grossen Auftritt.«
»Ach ja?«
»Na, immerhin ist er m?glicherweise der angehende Hund des Tierarztes.«
Carolin schaut ihn an.»So, meinst du?«
»Ja. M?glicherweise.« Er z?gert kurz. »Quatsch! Ich bin mir ganz sicher.«
Dann zieht Marc Carolin dicht an sich heran und k?sst sie ganz sanft auf die Nase. In diesem Moment kommt Luisa wieder aus dem Garten zur?ck.
»Mensch, Papa! Du bist echt peinlich!«
Marc l?sst Carolin los. »Ne, ich bin verliebt!«
Carolin stellt sich auf die Zehenspitzen und fl?stert Marc etwas ins Ohr. Aber so leise kann sie gar nicht fl?stern, dass ich es mit meinen hervorragenden Ohren nicht geh?rt h?tte:»Ich bin es auch.«
Ich schaue mit dem Kopf aus dem offenen Wagenfenster, und meine Ohren wehen im Wind. Heute ist wirklich ein ganz hervorragender Tag. Carl-Leopold von Eschersbach darf auf Schloss Eschersbach zur?ckkehren. Ich horche kurz in mich hinein. Nein. Es ist in Wirklichkeit ganz anders, viel sch?ner: Herkules Neumann erweist Schloss Eschersbach die Ehre seines Besuchs.
2. KATZENJAMMER
EINS
Mein Leben ist sch?n. Und es wird t?glich sch?ner. Zufrieden r?kle ich mich auf dem kleinen Rasenst?ckchen unseres Vorgartens und beobachte drei M?nner dabei, wie sie schwere Kartons aus unserem Haus heraustragen und in dem grossen Lastwagen verstauen, der auf der Strasse davor parkt.
Ein tiefes Seufzen neben mir erinnert mich daran, dass nicht alle mit dem heutigen Tag so gl?cklich sind wie ich. Ich schaue ?ber meine Schulter und sehe meinen Freund, den Kater Herrn Beck, der langsam auf mich zugeschlichen kommt.
»So. Und das soll nun also das vielbeschworene Happy End sein. Na ja.« Becks negative Ausstrahlung macht mich noch wahnsinnig! Warum kann er sich nicht einfach mal mit mir freuen?
»Ja, das ist das Happy End, Punkt!«
»Meiner Erfahrung nach gibt es das bei Menschen gar nicht. Gl?ckliche Enden, meine ich. Die finden immer ein Haar in der Suppe.«
»Okay, von mir aus. Auf alle F?lle ist es MEIN Happy End.« Beck seufzt und sch?ttelt den Kopf. Das sieht bei einem dicken schwarzen Kater immer sehr fatalistisch aus. »Also dann wird es jetzt ernst, oder?« Er setzt sich neben mich.
»Ja, ich sch?tze mal noch zehn Kartons, dann sind sie fertig. « Beck nickt und schweigt. Vielsagend, wie mir scheint.
»Nun komm schon! F?r uns wird sich gar nichts ?ndern. Wir bleiben weiterhin die besten Freunde.« Beck sagt nichts. »Okay, ich verstehe ja, dass es f?r dich netter w?re, wenn wir weiterhin im gleichen Haus wohnen w?rden. Aber ich habe mir immer eine richtige Familie gew?nscht. Und dazu geh?ren f?r mich eben mehrere Menschen. Und Kinder. Ich bin so froh, dass Carolin gl?cklich mit Marc ist, ich w?re mit ihr auch sonst wohin gezogen. Und jetzt ist es doch nur die andere Seite des Parks.« Beck sagt immer noch nichts. Ich unternehme einen letzten Anlauf. »Ausserdem bin ich tags?berimmer noch da. Ihre Werkstatt beh?lt Carolin schliesslich hier im Haus. Es geht doch nur um die Wohnung.« Becks Schwanzspitze zuckt.
»Lass gut sein, Kumpel. Ich hatte mich eben doch mehr an dich gew?hnt, als ich es selbst f?r m?glich gehalten h?tte. An einen Dackel! Das muss man sich mal vorstellen. H?tte man mir das vor einem Jahr geweissagt, ich h?tte es mit Abscheu und Emp?rung von mir gewiesen. Offensichtlich werde ich altersmilde.«
»Nee, ich w?rde sagen, du bist einfach schlauer geworden und hast erkannt, dass der Hund nicht nur der beste Freund des Menschen, sondern auch des Katers ist. Ist doch nicht das Schlechteste.« F?r diese Bemerkung ernte ich einen weiteren abgrundtiefen Seufzer. Gut, das hat wohl keinen Sinn. Dann soll er eben weiter hier rumh?ngen und Tr?bsal blasen. Das ist f?r mich an diesem aufregenden Tag nat?rlich keine Alternative, und ich beschliesse nachzuschauen, wie weit Carolin schon mit dem ganzen Krimskrams ist, der nicht in Kartons gepackt wurde. Vielleicht kann ich noch irgendwas aus demK?hlschrank abstauben? Ich bilde mir ein, dass der heute Morgen noch gut gef?llt war. Zumindest roch es ganz vielversprechend, als Carolin ihn ?ffnete, um eine T?te Milch herauszunehmen.
Die Wohnung– unsere Wohnung! – sieht ganz seltsam aus: Das Sofa, auf dem Carolin und ich so oft zusammen gekuschelt haben, fehlt, ebenso alle anderen M?bel. Nur das kleine Tischchen mit dem Telefon steht noch im Wohnzimmer, einsam und verlassen. Ansonsten wirkt der Raum nun wie eine Halle. Ich gebe es ungern zu, aber bei diesem Anblick wird mir doch ein bisschen mulmig, und ich hoffe, dass Becks Bemerkung ?ber Menschen und das Fehlen von gl?cklichen Enden nur sein ?bliches Geunke war. Carolin und Marc werden sich das schon gr?ndlich ?berlegt haben.
In diesem Moment packen mich zwei riesige H?nde und wuchten mich nach oben. Autsch! Nicht so grob!
»Na, Kleiner? Was stromerst du denn noch hier rum?« Ich blicke direkt in die Augen eines dunkelhaarigen Mannes, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Er geh?rt offensichtlich zu den Menschen, die gerade die Wohnung ausr?umen, jedenfalls tr?gt er die gleichen Arbeitsklamotten wie die anderen undriecht nach Schweiss. Jetzt wiegt er mich ein wenig hin und her, als w?rde er ?berlegen, was er mit mir anstellen soll.Sofort runterlassen!, m?chte ich am liebsten laut rufen, ich bin schliesslich kein M?belst?ck. In Ermangelung einer menschlichen Stimme muss ich mich aber leider darauf beschr?nken, den Typen anzuknurren. Der zieht die Augenbrauen hoch.
»Nanu? Wirste etwa frech?«
Bitte? Wer r?ckt denn hier wem auf die Pelle? Ich knurre noch lauter. Vorsicht! Normalerweise beisse ich nicht, aber wenn es gar nicht anders geht …
»Also gut, du hast es nicht anders gewollt.«
Mit diesen Worten setzt mich Herr Grobian in den Umzugskarton, der noch neben dem Telefontischchen steht. Bevor ich auch nur daran denken kann herauszuh?pfen, schliesst er den Deckel. Um mich herum wird es dunkel, und der Geruch von Pappe und Staub steigt in meine Nase. Sofort schwappt eine Woge der Erinnerung ?ber mich hinweg: Schloss Eschersbach, mein Geburtsort, und der alte von Eschersbach, der mich in einen ebensolchen Karton hebt. Mich, den Dackelmischling Carl-Leopold, den er in seiner Zucht nicht duldet. Mein Erstaunen, als ich beim Verlassen des Kartons feststelle, dass ich nicht mehr zu Hause, sondern an einem Ort namens Tierheim bin. Und mein Entsetzen, als sich dieser Ort als wahrer Alptraum herausstellt, aus dem mich Carolin allerdings schon nach einem Tag rettet. Und mich fortan Herkules nennt. Ich beginne zu winseln.