Im Esszimmer f?llt Marc die Teller auf, Luisa stellt mir ein Sch?lchen mit besagtem Geschnetzelten neben den Tisch. Ich probiere und bin begeistert! Das Fleisch ist ganz zart und saftig, der Bratensaft ist l?ngst nicht so salzig wie das, was Carolin immer in der Pfanne zaubert. Wenn Marc von nun an jeden Abend f?r mich kocht, ist die Sehnsucht nach unserer alten Heimat bestimmt schnell Geschichte. Oder ich lade Herrn Beck mal zum Essen ein? Vielleicht zieht er dann auch noch bei uns ein.
Auch Carolin scheint es zu schmecken.
»Hm, k?stlich. Deine Mutter scheint ja eine gute K?chin zu sein.«
»Meine Mutter? Wie kommst du denn da drauf?«
»Luisa sagte, es sei ein Rezept deiner Mutter.«
Luisa lacht.
»Nee, nicht von Oma Hilde. Das ist ein Rezept von Oma Burgel.«
»Oma Burgel?«
Carolin schaut Marc fragend an.
»?h, das ist ein Rezept von Burgel, Sabines Mutter. Also quasi meine Ex-Schwiegermutter. Und die kann in der Tat ausgezeichnet kochen. Sie hat mir das Rahmgeschnetzelte mal gezeigt, weil ich es so gerne bei ihr gegessen habe.«
»So, hast du das.«
Carolin wirft Marc einen Blick zu, den ich von hier unten nicht richtig deuten kann. Irgendetwas in Carolins Stimme aber sagt mir, dass er nicht allzu freundlich ausgefallen ist. Komisch, was spricht denn auf einmal gegen die Weitergabe von Kochrezepten? Scheint mir doch eine sehr sinnvolle Aktion zu sein.
Den Rest des Essens schweigen Marc und Carolin gr?sstenteils, stattdessen erz?hlt Luisa von der Schule und von etwas namens Pyjamaparty, das sie dringend veranstalten m?chte. Was das wohl sein mag?
»Ach bitte, Papa! Das ist sooo cool! Und wenn ich nicht bald mal selbst etwas mache, dann laden mich die anderen M?dels nicht mehr ein. Bei Lenas Geburtstag war ich auch nicht dabei, das war voll doof! Die waren n?mlich beim Ponyreiten, und ich h?tte so gerne mitgemacht.«
Marc seufzt.
»Na gut. Wenn es unbedingt sein muss. Aber gib uns wenigstens noch zwei Wochen Zeit, um den Umzug zu bew?ltigen. Dann kann deine Party von mir aus steigen, oder, Carolin?«
Die nickt.
»Super, Papa! Vielen Dank! Dann werde ich gleich mal Einladungskarten basteln!«
»Gut, aber hilf uns zuerst, den Tisch abzur?umen.«
»Lass sie ruhig schon basteln, Marc. Schliesslich habt ihr zusammen gekocht. Jetzt kann ich mich mal ums Aufr?umen k?mmern.«
Luisa ruft kurz:»Danke!«, und springt geradezu aus dem Zimmer. Carolin f?ngt an, die Teller zusammenzur?umen. Marc steht auf und stellt sich neben sie.
»Lass mal, die K?che k?nnen wir nachher auch noch saubermachen. Erst will ich dir etwas anderes zeigen. K?nnte auch deine Laune verbessern.«
»Meine Laune ist gar nicht schlecht!«
Marc l?chelt.
»Nat?rlich nicht.«
Dann geht er aus dem Zimmer, Carolin folgt ihm. Ich auch, denn ich bin schliesslich neugierig, was Marc vorhat. Er geht Richtung Schlafzimmer.
Dort angekommen, schaltet er mit einem lauten»Tataa!« das Licht an.
Ich sehe den Kleiderschrank. Seine T?ren sind ge?ffnet – und anders als heute Morgen ist die linke Seite tats?chlich komplett leer. Jedenfalls fast. Das Einzige, was sich noch darin befindet, ist eine ziemliche Menge Blumen. Dem Duft nach eindeutig Rosen. Pflanzen im Kleiderschrank? Was hat das nun wieder zu bedeuten? So passenda Carolins Sachen doch erst recht nicht rein. Also eine besonders perfide Art der Revierverteidigung?
Carolin scheint das aber nicht zu st?ren, denn sie f?llt Marc um den Hals und k?sst ihn.
»Danke, Marc!«
Er streicht ihr?bers Haar und guckt sie ganz ernst an.
»Ich liebe dich. Sch?n, dass du da bist.«
He! Und was wird jetzt mit dem Blumenbeet??ber die naheliegenden Dinge denken Menschen einfach nicht nach. Typisch.
DREI
Immer noch keine Spur von Herrn Beck. Eine Stunde habe ich nach ihm gesucht und nichts entdeckt. Keine frische F?hrte, keine Duftnote, nichts, rein gar nichts. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Langsam fange ich an, mir Sorgen zu machen.
Dabei hat der Tag eigentlich gut begonnen: Nach einem sehr friedlichen gemeinsamen Familienfr?hst?ck ist Marc in seine Praxis gegangen, Luisa Richtung Schule gestartet, und Carolin und ich haben uns auf den Weg in die Werkstatt gemacht. Sie auf dem Fahrrad, ich immer nebenher. Bei strahlendem Sonnenschein durch den Park – besser geht’s nicht.
Aber jetzt sitze ich hier vor Carolins Werkbank und zermartere mir das Hirn dar?ber, wo ich noch nach Herrn Beck suchen k?nnte. Selbst vor seiner Wohnungst?r im zweiten Stock bin ich schon auf und ab geschlichen, immer in der Hoffnung, etwas zu erschn?ffeln oder zu ersp?hen. Ob es vielleicht wirklich so etwas wie Tierf?nger gibt? B?se Menschen, die harmlose Haustiere einfangen und wegsperren? Mein geliebter Opili, der schlauste und ?lteste Dackel auf Schloss Eschersbach, hatte einmal so etwas erz?hlt. Meine Schwester Charlotte und ich waren ausgeb?chst, lange hatten Mama, Opili und Emilia, die K?chin, nach uns gesucht. Wir hockten derweil hinter den grossen B?schen neben der Auffahrt zum Schloss, f?hlten uns wild und gef?hrlich und genossen das Abenteuer. Als wir wieder nach Hause kamen, gab es ein ziemliches Donnerwetter. Und Opilis unheimliche Geschichte von den b?sen Tierf?ngern, die nur auf kleine dumme Hunde warten, die sie einfangen und verkaufen k?nnen. Und die dann nie wieder gesehen werden. Charlotte und ich taten so, als w?rden wir Opili das Schauerm?rchen nicht abkaufen. Aber insgeheim gruselten wir uns sehr, und hin und wieder muss ich immer noch an die Geschichte denken.
Zum Bespiel jetzt. Ob also die Tierf?nger auch Katzen fangen? Oder sind das reine Hundef?nger? Oder gibt es die in Wirklichkeit gar nicht, und Herr Beck macht nur ein paar Tage Urlaub mit seinem Frauchen? Von dem fehlt n?mlich auch jede Spur. L?sst sich Herr Beck also wom?glich den frischen Wind um die Nase wehen und die M?use schmecken? Wie finde ich das bloss heraus? Wahrscheinlich kann ich Carolin noch so sehnsuchtsvoll angucken, ich glaube nicht, dass sie mir diese Frage von den Augen ablesen kann.
Es klingelt. Ich flitze zur T?r. Obwohl es eigentlich blanker Unsinn ist zu vermuten, bei dem Besuch k?nnte es sich um Herrn Beck handeln. Er ist zwar wie alle Katzen ein echtes Bewegungswunder, aber an den Klingelknopf wird er trotzdem kaum rankommen. Vielleicht gibt uns der n?chste Besucher aber doch einen Hinweis auf Becks Verbleib?
Fehlanzeige. Vor der T?r steht Nina.
»Ich habe gerade etwas gekocht. Hast du vielleicht Lust hochzukommen? Allein essen ist doof.«
Carolin l?chelt und nickt.
»Mensch, ich wusste gar nicht, dass du so eine h?usliche Seite hast. Und m?sstest du eigentlich nicht an der Uni sein?«
Nina sch?ttelt den Kopf.
»Nein, es sind Semesterferien. Da habe ich deutlich weniger zu tun. Meine Privatpatienten kommen sowieso zu mir nach Hause, und die Sprechstunden in der Klinik laufen zwar weiter, aber daf?r fallen die Seminare weg. Ich muss also erst sp?ter los.«
»Klingt entspannt. Was gibt’s denn?«
»Einen Maultaschenauflauf. Mindestens 5000 Kalorien pro Person, aber sehr lecker.«
»Okay, in zehn Minuten bin ich oben.«
Was heisst hierich? Mich gibt’s schliesslich auch noch, und ich habe ebenfalls Hunger! Ich presse mich gegen Carolins Bein und belle. Nina schaut zu mir herunter.
»Oh, Herkules, f?r dich gibt es nat?rlich auch etwas. Ihr habt noch eine Packung Hundekuchen bei mir stehen lassen. «
Na also. Geht doch.
Hundekuchen ist eindeutig keine Alternative zum Geschnetzelten von Oma Burgel, so viel steht schon mal fest. W?hrend sich Nina und Carolin ihre 5000 Kalorien – was auch immer das sein mag – in die B?uche hauen, kaue ich missmutig auf einem trockenen Rindfleischkringel herum. Wann hat Carolin das Zeug bloss gekauft? Das muss ja direkt zu Beginn ihrer Hundehalterkarriere gewesen sein. Genau so schmecktes auch: Als ob es schon ein Jahr irgendwo rumsteht. Bah!