Nina und Carolin unterhalten sich angeregt. Carolin erz?hlt von unserem Fr?hst?ck, wies???ss Marc den Tisch gedeckt hat, was f?r ein tolles Begr?ssungsplakat Luisa gemalt hat und nat?rlich von den Rosen im Kleiderschrank. Offenbar sind gerade Letztere der Beweis f?r Marcs Liebe zu Carolin. Warum, leuchtet mir immer noch nicht ein, denn Carolin begr?ndet das vor allem mit der Tatsache, dass die Rosen rot waren.Rote Rosen, ist das nicht toll? Nun ist das Auseinanderhalten von Farben sowieso nicht meine St?rke, und warum gerade in Rot der Liebesbeweis liegen soll, ist mir nicht klar. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass auch Nina eher skeptisch guckt. Dann seufzt sie.
»Also ist das nun das Happy End, oder wie?«
Carolin nickt heftig.
»Auf alle F?lle!«
»Ich will ja nicht zu negativ klingen – aber nach meiner Erfahrung gibt’s so etwas gar nicht. Also, ausser bei den Gebr?dern Grimm.«
Moment– das kommt mir aber sehr bekannt vor! Es ist doch fast das gleiche Gespr?ch, was Beck und ich beim Umzug gef?hrt haben. Ich habe es schon manches Mal gedacht – mit ihrer negativen Art sind Herr Beck und Nina tats?chlich so etwas wie Seelenverwandte. Schlimm, so was. Nur gut, dass Carolin soein sonniges Gem?t hat und sich davon nicht beeindrucken l?sst.
»Dann nenn mich von mir aus Schneewittchen, und Herkules den siebten Zwerg. Auf alle F?lle ist Marc mein Prinz.«
»O nein, meine Liebe. Du bist die b?se Stiefmutter, und Luisa f?hlt sich bestimmt bald wie Aschenputtel. Du wirst es schon noch merken. Patchwork ist mit Sicherheit schwieriger, als du jetzt glaubst. Es gibt ja Untersuchungen, dass gerade die Rolle der neuen Frau an der Seite eines Vaters sehr problematisch …«
Mit einer schnellen Handbewegung unterbricht Carolin Nina.
»Mann, jetzt h?r endlich auf mit der Schwarzseherei. Manchmal glaube ich echt, du bist noch eifers?chtig, weil du Marc am Anfang auch ganz niedlich fandest.«
Nina schnappt nach Luft.
»Bitte?! Das ist jetzt nicht dein Ernst! Also wenn du das wirklich denkst, dann …«
Bevor Nina noch ausf?hren kann, was genau dann passiert, klingelt es. Ich bin ganz froh ?ber diese Unterbrechung, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden Damen hier gerade auf einen handfesten Streit zugesteuert sind.
Nina steht vom Tisch auf und geht zur T?r, ich lasse meinen trockenen Hundekuchen zur?ck und trabe hinterher. Vor der T?r steht ein junger Mann.
»Guten Tag, Frau Bogner?«
»Ja, die bin ich. Was gibt’s?«
»Martin Wiese mein Name. Ich bin der Neffe von Frau Wiese, Sie wissen schon, die ?ltere Dame, die direkt ?ber Ihnen wohnt.«
Genau, Frau Wiese, Herrn Becks Frauchen. Klar kenne ich die. Herr Beck wohnt schon ziemlich lange mit ihr zusammen und hat sich eigentlich noch nie?ber sie beschwert. Und das, obwohl er ja ein durchaus kritischer Zeitgenosse ist. Nina allerdings hat Frau Wiese nat?rlich noch nie zu Gesicht bekommen.
»Tut mir leid, ich kenne Ihre Tante nicht, ich bin erst letzte Woche hier eingezogen.«
Jetzt kommt auch Carolin dazu.
»Aber ich kenne Ihre Tante. Hallo, ich bin Carolin Neumann, ich habe vorher in dieser Wohnung gewohnt. Was ist denn mit Ihrer Tante?«
Martin Wiese seufzt.
»Tja, meine Tante hatte am Wochenende einen Schlaganfall. «
Was auch immer das ist– mich beschleicht das Gef?hl, dass meine dunkle Vorahnung sich bewahrheiten k?nnte: Herr Beck steckt in Schwierigkeiten.
Carolin holt Luft.»Wie furchtbar! Das tut mir leid!«
»Gott sei Dank war sie nicht allein, als das passiert ist, meine Frau war gerade mit den Kindern zu Besuch. Meine Tante ist auch gleich ins Krankenhaus gekommen, es geht ihr inzwischen etwas besser. Allerdings wird sie auf absehbare Zeit nicht in die Wohnung zur?ckkommen. Deswegen wollte ich fragen, ob vielleicht einer der Nachbarn ab und zu nach der Post und den Pflanzen schauen k?nnte.«
Nach der Post und den Pflanzen? Aber was ist denn mit Herrn Beck passiert? Der ist doch wohl viel wichtiger als ein bisschen Papier und das Gr?nzeug. Ich beginne, unruhig hin und her zu laufen. Leider ignorieren mich die Zweibeiner komplett.
»Na ja, ich habe nach wie vor meine Werkstatt im Haus. Ich k?nnte nat?rlich schon alle drei, vier Tage nach dem Rechten sehen.«
Das war ja klar, dass sich meine grundgute Carolin hier gleich wieder opfert, w?hrend Nina wahrscheinlich im Leben nicht auf die Idee k?me, helfend einzuspringen. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Menschen sind. Eine grunds?tzliche Charakterfestigkeit, wie sie Dackeln oder Terriern zu eigen ist, geht ihnen leider v?llig ab. Es ist offenbar Zufall, ob ein Mensch edel und hilfreich oder mies und gemein ist. Wobei ich damit nat?rlich nicht gesagt haben will, dass Nina mies und gemein ist, nur edel und hilfreich ist sie eben nicht, obwohl sie durchaus …
»Sagen Sie, Herr Wiese, Ihre Tante hat doch eine Katze, oder?«
Hoppla, Nina erinnert sich an Herrn Beck. Das h?tte ich nicht gedacht. Es untermauert meine These von der Seelenverwandtschaft allerdings ungemein.
»?h, ja, das stimmt. Sie hat tats?chlich einen Kater. Blecki oder so. Der ist momentan bei uns zu Hause. Ist aber auch keine Dauerl?sung, meine Frau hat eine leichte Tierhaarallergie. «
»Was halten Sie denn davon, wenn ich mich um Blecki k?mmere, solange, bis es Ihrer Tante wieder besser geht? Dann muss sich das Tier nicht gross umgew?hnen.«
»Oh, das ist ja ein nettes Angebot! Wir haben tats?chlich schon ?berlegt, was wir mit ihm machen. Meine Tante h?ngt sehr an ihm, das Tierheim w?re also keine Alternative.«
Ach du Schreck– das Tierheim! Nein, das w?rde ich Beck nicht einmal in seinem missmutigsten Zustand w?nschen. Meine eigenen Erfahrungen dort waren mehr als gruselig. Nur gut, dass Nina auf einmal ihre Tierliebe entdeckt hat. Auch wenn das eine v?llig ?berraschende Entwicklung ist. Offenbar muss ich meine Meinung ?ber Nina noch einmal ?berdenken. Der Punkt mit der fehlenden Charakterfestigkeit war vielleicht ein bisschen voreilig. Aber konnte ich das ahnen? Selbst Carolin scheint erstaunt.
»Du willst dich wirklich um die Katze k?mmern?«
»Klar, warum nicht? Du die Post, ich das Viech. Passt doch.«
Herr Wiese l?chelt.
»Danke, das ist sehr nett. Da haben wir auf einen Schlag ein paar Sorgen weniger.«
»Keine Ursache. Eigentlich habe ich schon immer mit einer Katze gelieb?ugelt. Jetzt kann ich das mal ein bisschen ?ben.«
»Sehr gut! Dann bringe ich Ihnen die Katze morgen vorbei. «
Nina nickt.
»Ja, machen Sie mal. Falls ich nicht da bin, klingeln Sie doch einfach in der Werkstatt bei Frau Neumann.«
Nina, die verkappte Tierfreundin. Fragt sich nur, wie ich ihr klarmache, dass Herr Beck nicht Blecki heisst.
»Sag mal, meinst du, Luisa hat wirklich nichts dagegen, dass wir zusammengezogen sind?«
Carolin und Marc sitzen auf dem Sofa, in der Hand jeweils ein Glas von dem f?rchterlichen Zeug, das sich Rotwein nennt. Luisa ist l?ngst ins Bett gegangen, ich bin eigentlich auch schon ziemlich m?de. Aber nat?rlich ist meinem feinen N?schen nicht entgangen, dass sich hier ein menschliches Beziehungsgespr?ch anbahnt. Und weil ein kleiner Hund wie ich dabei in aller Regel viel ?ber Zweibeiner lernen kann, verziehe ich mich nicht ins K?rbchen, sondern bleibe h?bsch neben dem Sofa liegen. Beziehungen zwischen Hunden sind ja meist recht simpel gestrickt: Ober sticht Unter, und R?de liebt Weibchen. Wobei mir bei Letzterem noch die praktische Erfahrung fehlt, aber wenn ich den ?lteren Hunden im Park bei ihren wilden Geschichten zuh?re, dann muss es wohl so sein. Also einfach und ?berschaubar.
Nicht so nat?rlich beim Menschen. Das fiel mir schon auf, als ich noch nach dem passenden Mann f?r Carolin Ausschau hielt. Ihr Exfreund Thomas war wirklich der letzte Heuler, aber kaum waren wir ihn los, wurde es erst richtig kompliziert. Denn das Beuteschema von Menschenfrauen ist voller R?tsel. Merke: M?nner sollen nett sein, aber keinesfalls zu nett. Als Herr Beck mir das zum ersten Mal erkl?rte, war ich mir sicher, er wolle mich auf den Arm nehmen. Aber am Ende haben wir ja Gott sei Dank Marc dingfest gemacht.