Выбрать главу

Schlecht gelaunt h?pfe ich auf den Beifahrersitz. Eigentlich mag ich Luisa sehr gerne, aber gerade entdecke ich, dass das Zusammenleben mit einem Kind auch ganz offenkundig Nachteile hat. Man spielt als Hund eindeutig nur noch die zweite Geige. Es ist wahrscheinlich der Hunger, aber ich kann mich nicht daran hindern, in Selbstmitleid zu versinken. Was bin ich nur f?r ein armer Hund! Es ist noch nicht so lange her, da gab es nur Carolin und mich. Das war herrlich. Sie hatte jede Menge Zeit f?r mich, wir haben auf dem Sofa gekuschelt, und ab und zu durfte ich in ihrem Bett schlafen. Dann kam Marc dazu. Das war auch noch in Ordnung, immerhin war Carolin seitdem deutlich ausgeglichener und gl?cklicher. Ab und zu hat uns Luisa besucht, und wir waren eine kleine Familie auf Zeit. Vielleicht war das ideal, und es w?re besser so geblieben. Herr Beck hatte Recht. Damals war alles besser: Luisa spielte und schmuste mit mir, f?tterte mich, ich war f?r sie auch etwas Besonderes, denn zu Hause, bei ihrer Mutter, gab es offensichtlich keine Tiere. Das habe ich gleich gerochen. Jetzt bin ich nat?rlich nichts Besonderes mehr, und es spielt nicht einmal eine Rolle, dass ich …

»Herkules, mein S?sser! Komm, lass dich mal richtig knuddeln! «

Luisa reisst die Autot?r auf und nimmt mich sofort auf den Arm. Sie dr?ckt mich fest an sich, vergr?bt ihr kleines Gesicht in meinem Fell und bl?st mir ihren warmen Kinderatem ins Genick. Das kitzelt zwar, ist aber trotzdem ein sch?nes Gef?hl. Dann hebt sie mich hoch und guckt mir direkt in die Augen.

»Weisst du, ich freue mich immer, wenn ich dich sehe! Ich glaube, du bist mein bester Freund.«

Ich merke, wie mein Herz einen kleinen H?pfer macht. Luisa ist einfach ein ganz tolles M?dchen, ich bin wirklich froh, dass es sie gibt. Das mit dem Freund stimmt schon – Kinder und Hunde passen super zusammen. Man ist einfach gleich auf Augenh?he. Ich schlecke ihr einmal quer ?bers Gesicht, und sie quietscht vor Freude.

»Komm, Luisa, steig ein! Ich glaube, Herkules h?ngt der Magen schon auf den Knien, ich hatte eben keine Zeit mehr, ihn zu f?ttern. Wahrscheinlich frisst er mir gleich die Autositze auf.«

So ein Quatsch! Die Autositze? Absurd. So einen riesigen Hunger habe ich nun auch wieder nicht. Ist doch wohl wichtiger, dass Luisa erst mal heil nach Hause kommt.

SIEBEN

Der Hundegott ist doch ein g?tiger: Nach einer sehr reichlichen Portion Pansen sitze ich zufrieden und ein bisschen m?de neben Luisa und lasse mich hinter den ?hrchen kraulen. Die unterh?lt sich gleichzeitig mit Carolin. Gewissermassen ein Gespr?ch von Frau zu Frau. Jedenfalls kommt es mir so vor, denn beide haben einen einigermassen geheimnisvollen Tonfall.

»So, und Pauli ist echt cool?«

»Genau. Eigentlich der einzige coole Junge an der ganzen Schule. Er ist nat?rlich auch schon in der vierten Klasse. Die Jungs in meiner Klasse sind alle kleine Pupsis, voll doof.«

»Na ja,ein netter Typ ist doch auch schon mal was.«

»Ja, aber im n?chsten Schuljahr kommt Pauli aufs Gymnasium – und dann ist er weg, und ich sehe ihn nie wieder.«

»Also, das Gymnasium liegt vermutlich nicht in Australien. Wieso solltest du ihn denn nie wiedersehen?«

»Weil, dann m?sste ich mich schon extra mit ihm verabreden. «

»Na und? Kannst du doch machen.«

»Carolin! Pauli verabredet sich nicht mit M?dchen. Dazu ist er viel zu cool.«

»Aha? Das ist ein Zeichen von Coolness? Das wird sich der Pauli bestimmt noch mal anders ?berlegen.«

»Also selbst wenn er sich mit M?dchen verabreden sollte, dann bestimmt nicht mit kleinen M?dchen. Das ist v?llig aussichtslos. Momentan sehe ich ihn noch auf dem Schulhof, und da unterh?lt er sich sogar mit mir. Aber wenn er erst mal weg ist, ist er weg. Hundertprozentig.«

Schweigen. Carolin legt Luisa einen Arm um die Schulter.

»Und das w?re schon bl?d, nicht wahr?«

Luisa nickt, sagt aber nichts.

»Wie ist es denn sonst so an der Schule?«

Luisa zuckt mit den Schultern.

»Du wolltest doch eine Party machen. Hast du denn deine Freundinnen schon eingeladen?«

Luisa nickt wieder, sagt aber immer noch nichts.

»Und wann findet die Party statt?«

Jetzt f?ngt Luisa endlich an zu sprechen, aber so leise, dass selbst ich mit meinem ausgezeichneten Geh?r sie kaum verstehen kann.

»Die findet gar nicht statt. Die wollten alle nicht kommen. Ich bin n?mlich nicht im Club.«

Luisa hat aufgeh?rt, mich zu kraulen. Ich blinzele nach oben. Sie wischt sich mit einer Hand ?ber die Augen, und ich kann sehen, dass etwas auf ihrer Wange glitzert. Klarer Falclass="underline" Luisa weint. Das hat auch Carolin bemerkt, die ihr jetzt ?ber den Kopf streicht.

»Mensch, Luisa, warum hast du das denn nicht erz?hlt?«

»Ich wollte nicht, dass Papi sich Sorgen um mich macht. Er hat sich doch so gefreut, dass ich nach Hamburg gezogen bin.«

Ich bin entsetzt– Luisa geht es schlecht, und ich habe davon rein gar nichts bemerkt. Ein Unding – ein Dackel, der keine Antennen f?r sein Rudel hat! Offenbar kreise ich in letzter Zeit zu sehr um mich selbst. Ob das an Cherie liegt? Sofort schweifen meine Gedanken ab. Wie finde ich bloss heraus, wann sie in Marcs Praxis kommen wird? Ich bin tags?ber immer mit Carolin in der Werkstatt, da w?rde ich sie glatt verpassen. Oder ich bleibe in Zukunft einfach zu Hause und verbringe meine Zeit in der Praxis. Gut, das ist nat?rlich f?r den Fall, dass Cheries Frauchen erst in ein paar Wochen einen Termin macht, eine ziemlich langweilige Variante. In Marcs Haus habe ich n?mlich keine Freunde. Luisa ist tags?ber in der Schule, und die einzigen anderen Tiere sind Marcs Patienten, die aber st?ndig wechseln. Also niemand, mit dem ich mich anfreunden k?nnte. Ein echtes Problem, aber hoffentlich kein unl?sbares.

»Eigentlich ist nur Herkules mein Freund.«

Ich h?re meinen Namen und erschrecke. Ein feiner Freund bin ich! Wenn Luisa das w?sste – sie sch?ttet ihr Herz aus, und ich denke bei n?chstbester Gelegenheit wieder nur an Cherie. Was ist bloss los mit mir?

»Vielleicht musst du die anderen Kinder erst besser kennenlernen? Ich meine, du bist doch erst seit Januar in der Klasse. Manchmal braucht es etwas mehr Zeit, bis man Freunde findet.«

Im Gegensatz zu mir ist Carolin r?hrend um Luisa bem?ht. Ob es das ist, was Herr Beck meinte? Mit »Mutterrolle streitig machen«? Hat Sabine deshalb Angst vor Carolin? Also, falls sie ?berhaupt Angst hat – so genau weiss ich das nat?rlich nicht, denn Marc hat nichts erz?hlt. Und wenn es so ist, welchen Sinn w?rde das machen? Sabine m?sste doch froh sein, dass Carolin sich so gut um Luisa k?mmert.

Wenn ein Z?chter Welpen abgibt, dann sorgt er immer daf?r, dass sie in liebevolle H?nde kommen. Jedenfalls ein gewissenhafter Z?chter tut das. Gut, der alte von Eschersbach hat mich gemeinerweise einfach ins Tierheim verfrachtet, aber w?re ich reinrassig gewesen, h?tte er potenzielle K?ufer auf Herz und Nieren gepr?ft. In ihrem neuen Zuhause sollen sich die Welpen wohl f?hlen, so denkt sich ein guter Z?chter das. Ich sehe zwar ein, dass man die Sache wahrscheinlich nicht eins zu eins auf Menschen ?bertragen kann. Aber nicht wenigstens ein bisschen?

Nachdem ich zu der ganzen Geschichte offensichtlich nichts Sachdienliches beitragen kann, beschr?nke ich mich darauf, Luisa ein wenig die H?nde abzuschlecken. Vielleicht ist das irgendwie tr?stlich. Sie kichert. Na also, wer sagt’s denn?

Carolin guckt nachdenklich. Das heisst, sie legt ihre Stirn in Falten und h?lt den Kopf schief. »Was ist denn das f?r ein Club, in dem du nicht Mitglied bist?«