Carolin windet sich lachend aus Marcs Griff.»Nee, nee, mein Lieber, erpressen ist nicht! H?r mir lieber weiter zu.«
Marc seufzt und nickt.»Hat von Eschersbach auch Ponys?«
»Ja, hat er. Beziehungsweise seine Schwiegertochter hat welche. Er war erst ?berhaupt nicht begeistert davon, aber mittlerweile stehen dort meines Wissens auch noch drei oder vier Isl?nder. Viel habe ich mit den Pferden aber nicht zu tun, die sind Gott sei Dank ziemlich gesund.«
»Meinst du, Luisa k?nnte mal mit ein paar M?dchen zum Reiten vorbeikommen?«
Eine echte Knaller-Idee! Und ich komme gleich mit! Grossartig, Carolin! Du bist wirklich zu gebrauchen. Marc allerdings scheint mir nicht ganz so euphorisch. Er zuckt bloss mit den Schultern.
»Weiss nicht. Von Eschersbach ist da immer sehr eigen. Allerdings mag er mich wohl recht gerne. Ich kann ihn mal fragen. Aber was spricht eigentlich gegen einennormalen Reitstall?«
»Echt, Marc – du verstehst auch gar nichts von jungen Damen. Schon gar nicht vonTussis. Schloss Eschersbach ist doch eine sehr exklusive Location. Da werden die M?dchen schon aus purer Neugier nicht Nein sagen. Ich will nicht, dass Luisa noch einmal so eine Schlappe wie mit der Pyjama-Party erlebt.«
»Nein, das will ich auch nicht«, erwidert Marc sehr knapp. Carolin schaut ihn erstaunt an.
»Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Nervt es dich, wenn ich solche Vorschl?ge mache? Findest du, dass mich das nichts angeht? Oder ist es was anderes?«
»?berhaupt nicht. Im Gegenteil, ich freue mich, dass du dir Gedanken um Luisa machst.«
»Aber was ist es dann? Stress mit Sabine?«
Sabine? Da klingelt doch etwas bei mir. Ich muss sofort an Marcs Telefongespr?ch im Park denken.
»Quatsch, wie kommst du denn darauf? Es ist alles in bester Ordnung.«
In bester Ordnung? Wenn das mal stimmt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Marc mit der Sabine, die Luisas Mutter ist, telefoniert hat und dass sich die beiden gestritten haben. Also, entweder ich habe das im Park v?llig falsch verstanden – oder es handelt sich hierbei um eine faustdicke L?ge. Ich tippe auf Letzteres, denn auf einmal beginnt Marc, nach Stress zu riechen. Und ein kleines bisschen nach Angst. Auch Carolin scheint das zu bemerken, obwohl sie wie alle Menschen ziemlich taub auf der Nase sein d?rfte. Sie zieht die Augenbrauen nach oben und mustert Marc eindringlich. Er weicht ihrem Blick aus.
»Also, wie dem auch sei – vielleicht ist deine Idee wirklich gut. Ich werde morgen bei von Eschersbach anrufen und einen Termin machen. Muss sowieso mal wieder nach den Dackeln gucken.«
Ohne weiter nachzudenken, fange ich an zu bellen. Marc und Carolin schauen sich?berrascht an – und lachen gleichzeitig los. Dann b?ckt sich Carolin und streichelt mir ?ber den Kopf.
»Hast du uns etwa verstanden?«
»Ich glaube schon. Keine Sorge, Herkules. Wenn es so weit ist, nehme ich dich mit. Und jetzt habe ich auch einen Wunsch.«
Ach ja? Carolin und ich schauen Marc interessiert an.
»Ich m?chte gerne mit meiner Liebsten ein romantisches Abendessen verbringen. Meinst du, Nina k?nnte spontan babysitten?«
Carolin nickt.»Klar, ich rufe sie gleich mal an. Auf ein Dinner zu zweit h?tte ich auch Lust. Schade, dass Herkules uns im Zweifel nicht anrufen kann. Sonst w?re er bestimmt der perfekte Babysitter f?r Luisa.«
Marc guckt mich an und grinst.»Tja, Herkules ist schon ziemlich gut – aber er ist kein Superdackel.«
Bitte? Bodenlose Frechheit.
Als Nina zwei Stunden sp?ter tats?chlich im Hause Wagner-Neumann aufkreuzt, bringt sie Herrn Beck mit. Luisa ist begeistert, Herr Beck wahrscheinlich weniger.
»Oh, wie s?ss! Eine Katze!«
»Genau genommen ein Kater«, erkl?rt ihr Nina und gibt ihr Herrn Beck auf den Arm. Hoffentlich kriegt unser Kinderfreund da nicht gleich einen Herzinfarkt! Aber zu meiner grossen ?berraschung l?sst sich Beck offenbar ganz entspannt von Luisa kraulen und f?ngt sogar an zu schnurren. Ganz neue T?ne – aber ich freue mich nat?rlich, dass die beiden sich offenbar auf Anhieb verstehen.
»Wie heisst er denn?«, will Luisa wissen.
»Herr Beck. Er ist schon ein etwas ?lterer Herr, ich habe ihn gewissermassen geerbt.«
Luisa l?chelt und wiegt ihn hin und her, Beck schnurrt noch lauter.
»Heuchler!«, zische ich ihm zu, aber er ignoriert mich. Stattdessen schmiegt er sich sogar noch ein bisschen n?her an Luisa.
»Ich glaube, er mag Kinder.«
»Bestimmt!«
Gut, dass ich nicht sprechen kann.
»Dein Vater hat gesagt, dass du noch eine halbe Stunde aufbleiben darfst. Soll ich dir etwas vorlesen?«
Luisa sch?ttelt den Kopf.
»Nein danke, lesen kann ich ja schon selbst, das mache ich nachher im Bett. Lieber spiele ich noch etwas mit Herkules und Herrn Beck. Oder vertragen sich die beiden nicht? Ich meine, so von wegen Hund und Katze?«
»Im Gegenteil, die beiden sind Kumpels. Sozusagen beste Freunde«, beruhigt sie Nina. Luisa seufzt, setzt Herrn Beck neben mich auf den Boden und sich selbst gleich dazu.
»Das ist sch?n, wenn man einen besten Freund hat. Oder eine beste Freundin.«
Auch Nina setzt sich auf den Boden.
»Stimmt. Ich bin auch froh, dass ich Carolin habe. Wer ist denn deine beste Freundin?«
Luisa zuckt mit den Schultern.»Niemand. Johanna war meine beste Freundin in M?nchen, aber hier in Hamburg habe ich noch keine.«
»Verstehe. Das ist nat?rlich doof.«
»Weisst du, ich habe schon versucht, ein paar M?dchen aus meiner Klasse einzuladen, aber die wollten leider nicht kommen. Ich habe es neulich schon Carolin erz?hlt – und die hat sich jetzt etwas ?berlegt, wie ich vielleicht doch noch Freundinnen finde. Ist aber noch geheim, sie will mich ?berraschen.«
»Das klingt doch gut. Bestimmt hat Caro eine richtig tolle Idee, du wirst schon sehen.«
Herr Beck robbt an mich heran.»Muss man sich Sorgen um Luisa machen? Das arme Kind!«
»Sag mal, seit wann bist du denn so ein Kinderfreund? Neulich hast du wegen der G?ren von Wiese junior noch Gift und Galle gespuckt.«
»Was heisst hierGift und Galle? Ich war lediglich ein wenig ungehalten, vielleicht hatte ich auch einen schlechten Tag wegen der ganzen Geschichte mit Frau Wiese.«
H?rt, h?rt. Herr Beck r?umt einen schlechten Tag ein. Eine interessante pers?nliche Entwicklung. Allerdings nicht so interessant wie das Gespr?ch zwischen Luisa und Nina. Letztere kann es sich n?mlich nicht verkneifen, sich mal genauer nach dieser Sabine zu erkundigen.
»Und deine Mama? Wie findet die, dass du jetzt bei deinem Papa wohnst?«
Wenn Marc das w?sste, w?re es ihm bestimmt nicht recht. Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich das glaube – aber ich habe das Gef?hl, dass Nina die Familiengeschichte eigentlich nichts angeht.
»Mama findet das gut. Wir haben uns das zusammen ?berlegt.«
»Wer ist dennwir?«
Mann, diese Nina ist aber richtig neugierig. Warum will sie das bloss so genau wissen?
»Na, Mama, Papa und ich. Und auch Jesko. Das ist Mamas Freund. Der wohnt mit ihr zusammen.«
»Aha. Dann ist ja alles gut.«
Eben. Und so hat es ihr doch auch schon Carolin erz?hlt. Aber der wollte Nina das wohl nicht glauben. Wobei – so ganz gut scheint es nicht zu sein, sonst h?tte Marc keinen Streit mit Sabine gehabt. Glaube ich jedenfalls. Und ich k?nnte einen grossen Kauknochen darauf verwetten, dass Nina auf die gleiche Idee gekommen ist.
Luisa ist l?ngst im Bett, und Herr Beck und ich l?mmeln mit Nina vor dem Fernseher auf dem Sofa herum. Eine gute Gelegenheit, Herrn Beck endlich mal von dem Thema zu erz?hlen, das mich am meisten bewegt: Cherie. Ich habe ihm gegen?ber zwar schon die ein oder andere Andeutung gemacht, aber bisher hat er darauf ?berhaupt nicht reagiert. Was ich schon ein bisschen ungerecht finde. Schliesslich habe ich mir auch das ganze Elend ?ber Frau Wiese, Wiese junior, die kleinen Monster und die Sorgen ?ber die Suche nach einer neuen Bleibe von ihm angeh?rt. Da wird er doch mal f?nf Minuten Zeit ?brig haben, sich anzuh?ren, wie es um mein kleines Dackelherz bestellt ist.