»Sie k?nnen Marc doch nicht verbieten, mit einer Frau zusammenzuziehen. Oder erwarten Sie, dass er im Z?libat lebt?«
Z?li-was?!
»Nat?rlich nicht. Ich erwarte nur, dass er mir erz?hlt, wenn so etwas Wichtiges in seinem Leben passiert. Vor allem, wenn es auchmein Kind betrifft.«
Nina l?sst die Arme sinken.
»Hat er Ihnen das denn nicht erz?hlt?«
»Nein.«
»Oh.«
»Ja.Oh. Ich habe es erst von Luisa bei ihrem letzten Besuch erfahren.«
Nina sch?ttelt den Kopf. »Gut, M?nner gehen einem Streit in der Tat gerne mal durch das klassische Aussitzen aus dem Weg. Aber in diesem Fall war das vielleicht nicht so geschickt.«
Sabine springt von dem Sessel auf.»Nicht so geschickt? Es hat mich extrem gekr?nkt! Mein Kind wohnt nun mit einer fremden Frau zusammen, und ich erfahre es nur durch Zufall. So geht das nicht. Ich kann wohl zu Recht erwarten, dass Marc in diesem Punkt auch auf meine Gef?hle R?cksicht nimmt.«
»Okay, wahrscheinlich hat er sich gedacht, da Sie doch auch mit einem neuen Partner …« Weiter kommt Nina nicht, denn Sabine schiesst auf sie zu und bleibt erst ganz kurz vor ihr stehen. Dabei tritt sie mir fast auf den Schwanz, so dass ich erschreckt aufheule. Das ignoriert die Furie komplett,sie wettert einfach drauflos.
»Ja, ja, damit kommt Marc auch am liebsten um die Ecke: Dass ich diejenige war, die ihn verlassen hat und dass ich ihn Knall auf Fall f?r Jesko habe sitzen lassen. Und daf?r l?sst er mich jetzt b?ssen, oder wie? Meinen Sie, mein lieber Exmann hat sich schon ein einziges Mal gefragt, warum ich ihn verlassen habe? Zu einer Trennung geh?ren immer zwei. Jesko war vielleicht der Anlass, aber er war mit Sicherheit nicht der Grund.«
Tollwut. Ein ganz klarer Fall von Tollwut. Ich kann es jetzt nicht so genau sehen, weil Sabine direkt?ber mir steht, aber ich bin mir sicher, dass sie Schaum vor dem Mund hat. Tragisch, denn eigentlich muss man die Frau bei dieser Diagnose sofort erschiessen. Ich weiss allerdings nicht, ob Marc ein Gewehr im Haus hat. Er ist da sehr schlecht sortiert, f?rchte ich.
»Ja, also«, stottert Nina, »ich weiss gar nicht …«
»Richten Sie Marc einen sch?nen Gruss aus«, unterbricht Sabine sie erneut, »er soll mich anrufen. Wir m?ssen reden. Und wir werden reden.«
Dann macht sie auf dem Absatz kehrt, schnappt sich ihre grosse Tasche und rauscht aus der Wohnung. Als die T?r mit einem lauten Knall ins Schloss f?llt, schreckt Herr Beck hoch.
»Was? Wie? Sprichst du mit mir? Also was war denn nun, als du mit Carolin an der Alster spazieren warst?«
In dieser Nacht schlafe ich sehr schlecht. St?ndig tr?ume ich von Sabine, die versucht, Luisa aus ihrem Bett zu zerren. Und wenn ich zwischen zwei Alptr?umen kurz hochschrecke, horche ich angestrengt, ob irgendjemand durch die Wohnung schleicht. Dabei ist der Abend ganz friedlich zu Ende gegangen. Kurz nachdem die Verr?ckte abgehauen war,kamen auch schon Marc und Carolin. Sie waren gut gelaunt, hatten offenbar einen tollen Abend zu zweit. Marc hat eine Flasche Wein ge?ffnet, gemeinsam mit Nina haben sie noch eine Zeitlang im Wohnzimmer gesessen und gequatscht. Nina hat allerdings kein Wort ?ber unsere unheimliche Besucherin verloren, sondern nur erz?hlt, dass sich Luisa schon auf Carolins ?berraschung freut. Dann hat sie sich Herrn Beck unter den Arm geklemmt und ist gegangen. Sehr seltsam, das Ganze.
Jetzt ist es Morgen, und ich f?hle mich wie ger?dert. Dieser Menschenkram f?ngt an, sehr anstrengend zu werden. Wie hatte Herr Beck gesagt? Ein Happy End gibt es bei Menschen nicht? Langsam ziehe ich wenigstens vage in Betracht, dass er Recht gehabt haben k?nnte. Ich sollte mich aus der Angelegenheit raushalten und mich aufmein eigenes Leben konzentrieren. Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Denn das Leben eines treuen Dackels ist untrennbar verbunden mit dem seines Herrchens. Und das gilt mit Sicherheit auch, wenn der Dackel ein Dackelmix und das Herrchen ein Frauchen ist.
Zumindest k?nnte ich aber versuchen, mich verst?rkt auf hundgerechte T?tigkeiten wie durch den Park stromern und Kaninchen jagen zu verlegen. Oder ich bleibe einfach mal einen Tag faul im K?rbchen liegen. Wir Dackel sind ohnehin nicht die grossen Langstreckenl?ufer. Ein Tag Ruhe wird mir gewiss guttun. Uah, bin ich m?de!
Carolin steht auf einmal neben mir.»Alles okay bei dir, Herkules? Du warst so unruhig heute Nacht. Ich habe dich ab und zu heulen h?ren. Oder musst du nur ganz dringend raus? Vielleicht sollten wir f?r diese F?lle mal ein Katzenklo besorgen. Nina hat ja nun eines in ihrer Wohnung stehen, ich frage sie mal, wo sie das besorgt hat.«
Katzenklo? Kein Hund mit einem Funken Ehre im Leib w?rde sich auf so ein Teil hocken. Das w?re ja noch sch?ner ! Aber typisch Mensch: immer sch?n bequem. Was ich in solchen F?lle brauche, ist ein Baum, keine Plastikwanne. Jawollja! Ich lege den Kopf auf die Vorderl?ufe und knurre ein bisschen. Carolin lacht.
»Na gut, also kein Katzenklo. Kannst ja gleich auf dem Weg in die Werkstatt den n?chsten Baum aufsuchen. Wir gehen heute mal zu Fuss, ich glaube, das kriege ich wieder hin.«
Hm, das klingt nicht schlecht. Wobei ich mir doch gerade?berlegt hatte, einfach hierzubleiben. Ach, was soll’s – ausruhen kann ich mich auch noch in der Werkstatt. Ich komme mit!
Schnell h?pfe ich aus meinem K?rbchen und sch?ttele mich, dann laufe ich in die K?che. Marc und Luisa sitzen auch schon dort, Luisa kritzelt in einem Heft herum, Marc liest Zeitung und trinkt Kaffee. Es sieht ziemlich idyllisch aus – eben doch nach Happy End. Wahrscheinlich habe ich mir v?llig umsonst Sorgen gemacht. Liegt bestimmt an meiner ?berm?dung.
Carolin geht zum K?hlschrank, holt mein Fresschen und verfrachtet es in die Mikrowelle. Pling! Sie stellt mir ein Sch?lchen vor die F?sse. Ich schnuppere daran. Hm, Herz. Lecker! Okay, die Nacht war schlimm. Aber der Tag l?sst sich daf?r umso besser an.
Es klingelt. Erst kurz. Dann l?nger. Dann durchgehend. Marc und Carolin schauen sich fragend an.
»Erwartest du irgendjemanden?«, will Carolin wissen.
»Um halb acht? Nat?rlich nicht. Keine Ahnung, wer das ist.«
Aber ich weiss es: die Verr?ckte. Sie ist zur?ck, ich bin mir ganz sicher. Sie wird versuchen, Luisa zu holen. Genau wie in meinem Traum. Sofort lasse ich mein Fressen Fressen sein und rase zur T?r. Diese Frau wird keinen Fuss ?ber unsere Schwelle tun, ich werde pers?nlich daf?r sorgen.
»Hoppla, Herkules! Fast w?re ich ?ber dich gestolpert – was ist denn los mit dir?« Marc muss mich zur Seite schieben, um ?berhaupt die T?r ?ffnen zu k?nnen. Das wollte ich eigentlich verhindern, aber auf dem Parkettboden kann ich mich leider nicht festkrallen, und so schiebt mich Marc mitsamt der T?r zur Seite. Jetzt kann ich noch nicht einmal sehen, wer geklingelt hat, geschweige denn verhindern, dass dieser Jemand in die Wohnung kommt.
»Guten Morgen! Sie kenne ich doch, oder?«
»Ja, ich bin Claudia Serwe. Meine H?ndin hat neulich Ihren Dackel aus der Alster gefischt. Entschuldigen Sie diese fr?he St?rung, aber Cherie ist eben von einem Auto angefahren worden. Ich wusste nicht, wo ich mit ihr hinsoll, und dann fiel mir wieder ein, dass Ihre Praxis gleich um die Ecke ist. Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht schon da sind. Ja, und dann habe ich auf dem Klingelschild gesehen, dass Sie auch hier wohnen.«
Mir wird heiss und kalt. Cherie! Ihr ist etwas zugestossen! Die Frau klingt atemlos und verzweifelt. Ich dr?cke mich an Marcs Beinen vorbei, um sie mir genauer anzuschauen. Sie hat geweint, ihre Augen sind ganz rot. Marc legt ihr eine Hand auf die Schulter.
»Gut, dass Sie gleich gekommen sind. Wo ist das Tier denn?«
»Sie liegt bei mir auf dem R?cksitz, mein Auto steht direkt vor der T?r. Ich habe solche Angst um sie!«