Carolin bleibt der Mund offen stehen, und auch Marc sieht mehr als verbl?fft aus. Er r?uspert sich.
»?h, also, das kommt sehr ?berraschend. Ich … ?h …«
»Du musst jetzt nichts sagen. Einfach dar?ber nachdenken. « Sie haucht ihm einen Kuss auf die Wange und rauscht raus.
Zur?ckbleiben Carolin und Marc, die sich ansehen und erst einmal beide nichts sagen. Dann hat Carolin offensichtlich ihre Sprache wiedergefunden.
»WAS F?LLT DIESER FRAU EIN! Das ist ja unglaublich! Und du stehst daneben wie ein Idiot, h?rst, wie sie mich beleidigt, und sagst kein Wort.«
»Ja, aber das ging so schnell – ich konnte ?berhaupt nicht reagieren!«, verteidigt sich Marc.
»Quatsch – soll ich dir etwas sagen? Du WOLLTEST nicht reagieren! Sch?n den Schwanz eingezogen und dir ein K?sschen geben lassen. Ich fasse es nicht! Du … du … WICHT!«
Auch Carolin verl?sst ger?uschvoll das Zimmer. Wow – so habe ich sie noch nie erlebt. Zur?ckbleibt ein Marc, der ziemlich betr?bt aussieht. Dann sch?ttelt er den Kopf und guckt mich an.
»Da siehst du es, Herkules: Weiber! Das passiert, wenn du dich mit ihnen einl?sst. Also besser Finger weg! Auch von dieser Cherie! Das ist ein guter Rat unter M?nnern, mein Freund.«
ELF
Also ich erkl?r’s dir nochmal genau: Ich klingele und gehe schnell weg, du beh?ltst die Rose im Maul und bleibst sitzen, bis sie die T?r aufmacht. Und wenn sie dann hoffentlich begeistert ist, komme ich als ?berraschung wieder um die Ecke. Verstanden, Kumpel?«
Sagen wir mal so: Ich hab’s geh?rt. Verstanden habe ich es nicht. Wieso soll es Carolin bes?nftigen, wenn ich mit einer Rose im Maul vor der T?r sitze? Auf mich ist sie doch gar nicht sauer. Aber wenn die Nummer hier zur schnellen Vers?hnung der beiden beitr?gt, dann meinetwegen. An mir soll’s nicht scheitern.
Ich setze mich also hin, Marc h?lt mir die Rose vor die Nase, und ich schnappe zu. Wenigstens hat er vorher die Dornen abgemacht, sehr umsichtig. Dann dr?ckt er die Klingel zur Werkstatt und verschwindet ?ber die drei Stufen in Richtung Haust?r. Kurz darauf ?ffnet Carolin und starrt mich an. Ist das jetzt die Begeisterung, die sich Marc erhofft hat?
»Was machst du denn hier, Herkules? Und was soll die alberne Nummer mit der Rose?«
Na gut, vielleicht kann sie ihre Freude einfach nicht so zeigen. Sie nimmt mir die Blume ab, dann geht sie an mir vorbei in den Hausflur und beginnt laut zu rufen.
»Marc, was soll das? Wir sind hier doch nicht im Zirkus. Wenn du mir etwas sagen willst, dann versteck dich bitte nicht hinter meinem Dackel.«
Marc kommt die Stufen wieder herunter.
»Hallo, Schatz!«
O je, er klingt kl?glich. Jetzt tut er mir wirklich leid. Komm schon, Carolin! Ich habe zwar nicht verstanden, worum euer Streit eigentlich ging, aber kannst du Marc nicht einfach verzeihen? Vielleicht ist er auch gar nicht schuld an woranauch-immer. Mein Instinkt sagt mir n?mlich, dass das ganze Schlamassel auch irgendetwas mit Nina zu tun haben k?nnte. Und der Tatsache, dass sie sich Sabine gegen?ber als Caro ausgegeben hat. Aber das kann ich hier leider nicht zum Besten geben, sonst h?tte ich es l?ngst getan.
Wortlos stehen Carolin und Marc sich gegen?ber, dann nimmt Marc sie in seine Arme und gibt ihr einen sanften Kuss auf die Lippen.
»Es tut mir echt leid. Ich habe doof reagiert, aber das lag nur daran, dass ich so perplex war – das musst du mir einfach glauben. Bitte!« Marcs Stimme klingt flehentlich.
Carolin windet sich aus seiner Umarmung und macht einen Schritt zur?ck.
»Weisst du, Marc, das war heute eine sehr unangenehme Situation f?r mich. Ich m?chte wirklich, dass das mit uns funktioniert. Aber das habe ich nicht allein in der Hand, du musst dich genauso einbringen.«
»Aber das mache ich doch!«
»Nein, das finde ich nicht. Wenn ich dich in letzter Zeit gefragt habe, ob bei dir alles in Ordnung ist, weil ich eben das Gef?hl hatte, dass etwas nicht stimmt, hast du sofort dichtgemacht. Du bist nicht offen mit mir.«
»Ich weiss jetzt wirklich nicht, wovon du redest.«
»Nein? Dann denk mal dr?ber nach. So, Herkules, kommst du rein mit mir? Oder bleibst du lieber bei Marc?«
?h, ich, ?h … hallo? Nicht streiten! Was soll denn das?! Gut, die Sache mit der Rose war anscheinend nicht die Idee des Jahrhunderts, aber es war immerhin eine Idee. Eine ganz nette, wie ich mittlerweile finde. Carolin ist zu streng mit Marc. Wenn jemand einen Fehler einsieht, sollte man nichtnoch mit ihm schimpfen.
Ich denke daran, wie ich einmal auf dem weissen, flauschigen Teppich im Salon von Schloss Eschersbach ein dringendes Gesch?ft verrichtet hatte. In dem Moment, in dem es passiert war, wusste ich schon, dass das ein Fehler war. Und als der alte von Eschersbach dann auf mich zuschoss, um mit mir zu schimpfen, habe ich mich gleich in einer Geste der Unterwerfung vor seine F?sse gerollt und meinen Hals angeboten. Trotzdem hat er mich geschnappt und meine empfindliche Nase mitten in die Bescherung gedr?ckt. Obwohl ich mich gewissermassen entschuldigt hatte. Das habe ich mir gemerkt. Wenn ich danach etwas ausgefressen hatte, habe ich michnie wieder freiwillig gemeldet, sondern immer zugesehen, dass ich ganz schnell Land gewinne.
Auch Marc guckt Carolin nun so finster an, als h?tte er gerade beschlossen, nie wieder irgendeinen Fehler zuzugeben. Das allerdings kann Carolin nicht sehen, weil sie sich schon umgedreht hat und wieder auf dem Weg in die Werkstatt befindet. Ich ?berlege kurz, mit Marc zu gehen. Immerhin erholt sich Cherie in der Praxis noch von ihrem Unfall. Andererseits soll sie ?ber Nacht bleiben, wird also sp?ter auch noch da sein, und vielleicht kann ich bei Carolin ein bisschen gut Wetter f?r Marc machen. Schweren Herzens trotte ich deshalb hinter ihr in die Werkstatt.
Drinnen angekommen, legt Carolin die Rose achtlos auf den kleinen Tisch im Flur, auf dem auch das Telefon steht. Dann schnappt sie sich selbiges und geht ins n?chste Zimmer, um zu telefonieren. Nicht einmal Wasser f?r die arme Blume holt sie. Pfui, wie gemein! Ich beschliesse, ein Zeichen zu setzen. Carolin soll wissen, dass ich ihr Verhalten nicht gutheisse. Einer muss ja hier zu Marc halten. Stichwort Solidarit?t unter M?nnern.
Das Telefontischchen ist so niedrig, dass ich mit den Vorderpfoten leicht daraufspringen kann. Kaum habe ich das getan, komme ich auch mit der Schnauze an den Rosenstiel. Ich fasse zu und habe die Rose im Maul. Dann ziehe ich sie vorsichtig vom Tisch herunter. Noch einmal fest nachfassen– passt! Ich trabe mit der Rose im Maul zu Carolin, setze mich vor sie und gucke sie m?glichst vorwurfsvoll an. Leider telefoniert Carolin und bemerkt mich nicht gleich.
»Ja, Herr Lemke, ich habe mir die Instrumente bereits angesehen. Sie sind wirklich sehr sch?n. Das ist nat?rlich ein sehr grosser Auftrag, der einige Zeit in Anspruch nehmen wird.«
Sie horcht auf die Stimme aus dem Telefon.»Hm, aber Herr Carini arbeitet nicht mehr in Hamburg. Ja. Sie haben Recht, wir waren ein tolles Team. Ihn gewissermasseneinkaufen f?r diesen Auftrag? Ich weiss nicht, aber ich kann ihn nat?rlich fragen.«
Der Mensch am anderen Ende der Leitung redet jetzt sehr eindringlich auf Carolin ein, ich kann seine Stimme ab und zu h?ren. Carolin h?rt ihm aufmerksam zu, dann nickt sie.
»Ja, ja. Das stimmt. Vielleicht hat er Zeit und Lust. Ja, versprochen, ich werde mit ihm sprechen. Danke, Herr Lemke, ich melde mich dann.«
Sie beendet das Gespr?ch und schaut den Telefonh?rer eine Zeitlang versonnen an.
»Daniel Carini, wird das wieder etwas mit uns?«
Sie l?chelt, macht einen Schritt nach vorne – und tritt mir auf den Schwanz. Aber richtig! JAUL, aua, geht’s noch? Ich bin doch wohl nicht unsichtbar!
»O Gott, Herkules, das tut mir leid! Ich habe dich gar nicht gesehen! Mein Armer – und hattest du etwa noch mal Marcs Rose angeschleppt? Und ich beachte dich gar nicht? O je, komm mal auf meinen Arm.«
Sie hebt mich hoch, geht mit mir zu dem Korbsessel, der neben ihrer Werkbank steht, und setzt sich mit mir. Dann beginnt sie, mich hinter den Ohren zu kraulen. Recht so! Ein bisschen Z?rtlichkeit ist jetzt wohl das mindeste, was ich als Wiedergutmachung erwarten kann. Vielleicht auch noch einen Zipfel Fleischwurst.