Marc schweigt immer noch.
»Also hast du es ihr tats?chlich nicht erz?hlt.« Sie seufzt. »Kannst du nicht mal etwas dazu sagen?«
»Was soll ich noch dazu sagen? Das Tribunal hat mich doch bereits ?berf?hrt.«
»Hey!« Carolin runzelt die Stirn. »Nicht wieder streiten! Was heisst denn hierTribunal? Ich m?chte nur von dir wissen, was du Sabine gesagt hast – oder auch nicht.«
»Ich habe es ihr nicht gesagt, weil ich der Meinung bin, dass es sie nichts angeht. Punkt.«
»Ja, aber …«, will Carolin darauf erwidern, aber Marc f?llt ihr sofort ins Wort.
»Und im ?brigen bin ich der Meinung, dass ich dich nicht fragen muss, was ich meiner Exfrau wann sage.«
Eins merkt selbst ein kleiner Dackeclass="underline" Dieses Thema ist f?r Marc ein rotes Tuch. Und daf?r, dass er sich so sehr ein friedliches Ende des Abends w?nscht, ist er wieder ganz sch?n unfriedlich. Hoffentlich beh?lt wenigstens Carolin die Nerven, sonst kracht es bestimmt gleich wieder.
»Schatz, ich weiss, dass Sabine dich sehr verletzt hat. Und ich kann verstehen, dass du immer noch w?tend auf sie bist. Aber es muss m?glich sein, dass wir dar?ber in Ruhe reden. Und dass ich auch eine eigene Meinung dazu vertreten darf. Sonst haben wir in absehbarer Zeit ein echtes Problem.«
Sehr gut, Carolin. Immer ruhig bleiben. Damit bist du ganz auf Opilis Linie:Bei sehr aufgeregten Hunden hilft nur ein ganz ruhiger J?ger, der den ?berblick beh?lt. Sonst verjagt sich das Rudel in k?rzester Zeit. Gut, vielleicht ist die Kommunikation zwischen J?ger und Hund nicht eins zu eins auf die zwischen Frau und Mann ?bertragbar, aber da es sich in beiden F?llen um Paare handelt, kann man vielleicht gewisse Parallelen ziehen.
»Entschuldige, Caro. Du hast Recht. Aber bei dieser Geschichte sitze ich sofort auf der Palme. Ich bem?he mich aber auch redlich, wieder hinunterzuklettern.« Er l?chelt. Etwas gequ?lt, aber er l?chelt. Faszinierend. Es funktioniert also tats?chlich. Nicht nur zwischen J?ger und Hund.
»Brav, mein Lieber!«, lobt ihn Carolin. Und auch das ist gewissermassen nach Lehrbuch.Den folgsamen Hund immer loben!, war einer der wichtigsten Grunds?tze des alten von Eschersbach. Er hatte zu diesem Thema sogar einmal etwas in derWild und Hund geschrieben, einer Zeitschrift, die in regelm?ssigen Abst?nden zu uns aufs Schloss flatterte. Alle waren deswegen ganz stolz, Emilia hat uns damals sogar vorgelesen, was der Alte da verzapft hatte, und anschliessend bekam das Heft in der Schlossbibliothek einen Ehrenplatz. Ja, von Eschersbach war zwar sonst ein harter Knochen, aber in der Hinsicht sehr verl?sslich. Wenn man genau machte, was er wollte, konnte man gut mit ihm auskommen. Vielleicht k?nnte Carolin ja auch mal in derWild und Hund… ?
»Weisst du, Sabine war damals Knall auf Fall verschwunden. Mit Luisa. Ich kam nach Hause, und die Wohnung war so gut wie leer. Es war der furchtbarste Tag in meinem Leben. Sie war einfach zu diesem Jesko gezogen, ohne vorher auch nur ein Wort dar?ber zu verlieren. Und dass diese Frau nun hier aufkreuzt und meint, mir sagen zu k?nnen, wie ich sie im Vorfeld h?tte informieren m?ssen – tut mir leid, da platzt mir der Kragen. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, wieder ein halbwegs normales Verh?ltnis zu ihr aufzubauen. Und ich habe das nur wegen Luisa ?berhaupt auf mich genommen. Aberzu mehr bin ich nicht bereit.«
Carolin holt Luft, so als ob sie dazu noch etwas sagen wollte, schweigt dann aber. Eine Weile sitzen sie so da, dann nimmt Marc Carolins H?nde.
»Vielleicht streichen wir den heutigen Tag einfach, ja? Er war wirklich eine Katastrophe.«
»Ja, tun wir das.« Sie k?ssen sich. »Ach so – von wegen Katastrophe: Hat sich eigentlich Frau Warnke mal gemeldet? Die kann doch nicht einfach nicht zur Arbeit kommen.«
»Stimmt. Das habe ich dir noch gar nicht erz?hlt. Dabei passt es zu meiner heutigen Gl?cksstr?hne: Ihr Freund hat heute Nachmittag angerufen. Es gibt zwei Neuigkeiten – gewissermassen eine gute und eine schlechte. Erstens ist Frau Warnke schwanger. Dazu habe ich nat?rlich gratuliert. Und zweitens geht es ihr so schlecht, dass sie heute Morgen ins Krankenhaus gekommen ist. Ich f?rchte, so schnell sehen wir sie nicht wieder.«
»O nein!«
»Genau. O nein. Das habe ich auch gesagt.«
»Aber was machst du denn jetzt ohne Helferin?«
»Dazu habe ich mir schon Gedanken gemacht und eine gute L?sung gefunden.«
»Und die w?re? Ich gebe meine Werkstatt auf und werde ab sofort deine Assistentin?« Carolin kichert.
»Auch ein verlockender Gedanke. Aber ich hatte noch eine andere Idee: Meine Mutter hilft mir. Sie hat es jahrelang bei meinem Vater gemacht, kennt also die Praxis. Und sie k?nnte sofort anfangen.«
»Deine Mutter?«
»Ja, gute Idee, oder?«
»Ja, toll.«
Ein Blick auf Carolins Gesicht, und ich weiss, dass sie das genaue Gegenteil denkt. Ein Wunder, dass Marc das nicht merkt. M?nner und Frauen. Richtig gut passen sie nicht zusammen.
DREIZEHN
Von aussen betrachtet wirkt der heutige Tag v?llig unspektakul?r. Draussen nieselt es, im Wartezimmer der Praxis sitzt nur ein einziger Herr mit seiner Katze, und Marcs Mutter sortiert am Tresen einen Papierstapel von links nach rechts. Sie kommt nun jeden Tag, um Marc zu helfen, und was auch immer Carolin bef?rchtet hatte – bisher ist noch nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil, meist kocht Oma Wagner nach Ende der Sprechstunde noch etwas Sch?nes f?r die ganze Familie und denkt dabei auch an mich. Wenn ich also mit Carolin aus der Werkstatt komme, freue ich mich schon richtig auf das Abendessen.
Heute allerdings bin ich gleich zu Hause geblieben, denn in Wirklichkeit ist dieser Tag doch spektakul?r: Ich werde mit Marc Schloss Eschersbach besuchen! Offenbar soll an einem der n?chsten Wochenenden die Pony?berraschungsparty f?r Luisa steigen. Jedenfalls wenn alles so klappt, wie Carolin sich das vorstellt. Es wird also h?chste Zeit, dass Marc sein Versprechen einl?st und den alten von Eschersbach endlich nach seinen Pferden fragt.
Jetzt nur noch der Typ mit der Katze– dann kann es losgehen. Marc schaut aus dem Behandlungszimmer.
»So, Herr Weiler, dann lassen Sie uns mal nachsehen, was Lucy haben k?nnte. Kommen Sie bitte?«
Und zwar ein bisschen dalli, m?chte ich hinzuf?gen, wenn ich mir ansehe, mit welchem Schneckentempo dieser Herr Weiler in Marcs Richtung schleicht. Wir haben schliesslich noch etwas Besseres vor!
Ich lege mich vor die T?r des Behandlungszimmers. Nicht, dass sich hier noch irgendein Notfall reinmogelt. Nach der Katze ist Schluss, basta!
»Na, Herkules, brauchst du auch einen Arzt?« Marcs Mutter hockt sich neben mich und krault mich unter dem Kinn. »Oder willst du noch ein kleines Fresschen, bevor ihr losfahrt?«
»Mutter, h?r bitte auf, den Hund zu m?sten. Der braucht weder drei Mahlzeiten am Tag noch zwei Kilo mehr auf den Rippen. Und dann bring mir doch bitte mal die Patientenakte von Lucy Weiler, hier liegt leider die falsche.« Marc steckt den Kopf durch die T?r des Behandlungszimmers.
»Ja, mache ich sofort. Aber drei Kilo w?rden Herkules auf keinen Fall schaden. Und dir ?brigens auch nicht, mein Schatz. Deine neue Freundin h?lt euch ja offensichtlich etwas kurz. Wenn ich die letzten Abende nicht gekocht h?tte …« Sie l?sst offen, was dann gewesen w?re.
Was sie damit sagen will, verstehe ich nicht. Es klingt aber nicht so, als ob es unbedingt nett gemeint war. Kurz gehalten? Bezieht sich das etwa auf meine Beine? Aber f?r die kann Carolin ja gar nichts. Und sie sind wegen meines Terrier-Vaters auch eher ein St?ck l?nger als bei Dackeln ?blich. Ausserdem ist Marc ziemlich gross. Das kann es also auch nicht sein. Aber was meint sie dann?
»Mutter, Carolin ist eine ausgezeichnete K?chin. Aber sie ist gleichzeitig eine berufst?tige Frau, sie hat also gar nicht die Zeit, mich st?ndig zu verpflegen. Das muss sie auch nicht. Ich bin schliesslich schon gross und kann mir im Zweifel selbst ein Brot schmieren.«