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Anstatt zu antworten, steht Sabine auf, schlingt ihre Arme um Marc und legt ihren Kopf auf seine Brust. Unter Tr?nen stammelt sie etwas, was sehr schwer zu verstehen ist, aber einzelne Wortfetzen klingen wieJesko… schon lange nicht mehr gl?cklich … grosser Fehler. Sie weint immer weiter, bis sich auf Marcs Hemd schon ein nasser Fleck bildet. Er streicht ihr?ber den Kopf und murmeltna, na.

Auweia– sollte ich hier eingreifen? Immerhin h?lt Marc eine fremde Frau im Arm. Also, nicht richtig fremd, aber eben nicht Carolin. Und die ganze Szenerie sieht sehr vertraut aus. Ich bin unschl?ssig. Was mache ich bloss? Andererseits will Marc Sabine wohl nur tr?sten. Eigentlich sehr nett von ihm und entspricht bestimmt auch seiner Veranlagung. Schliesslich ist er Arzt, und ?rzte sollen sich k?mmern. Das ist wahrscheinlich bei Menschen wie bei Hunden, so jedenfalls hat es mir Opili mal erkl?rt. H?tehunde zum Beispiel haben die Veranlagung zu h?ten, und wenn keine Schafe zu sehen sind, k?mmern sie sich stattdessen um ihre Menschen und passen auf, dass da keiner unerlaubt das Rudel verl?sst. Opili erz?hlte, dass der Border Collie unseres alten Nachbarn beim Spazierengehen immer die Kinder in die Fersen gezwickt hat, wenn die woanders hinliefen. Das war nicht b?se gemeint, nur Veranlagung.Und wir, Carl-Leopold, wir sind Jagdhunde. Wir wollen eben jagen. Ach, Opili! Was mache ich jetzt nur? Mein Jagdtrieb bringt mich hier jedenfalls nicht weiter.

Daf?r aber mein gesunder Dackelverstand. Denn wahrscheinlich kennt auch Sabine Marcs Veranlagung und nutzt diese schamlos aus. Wenn ich mit dem Verdacht richtigliege, dann ist sie nicht so ungl?cklich, wie sie tut, und es ist v?llig in Ordnung, wenn ich mit einem St?rman?ver dieses Schauspiel beende. Wie war das mit dem Border Collie? In die Fersen zwicken? Richtig, damit h?lt man die Schafe zusammen und den b?sen Wolf fern. Um Letzteren k?mmere ich mich nun.

Ich laufe um Marc und Sabine, die immer noch neben dem Tisch stehen, herum und werfe einen Blick auf Sabines Beine. Na gut, sie hat keine Hosen an, sondern einen kurzen Rock. Muss ich eben ein bisschen vorsichtig sein. Und– Attacke!

»Autsch!« Sabine f?hrt sofort herum. »Sag mal, bist du verr?ckt geworden, du bl?der K?ter?! Das sind sauteure Str?mpfe von Wolford! Die haben ein Verm?gen gekostet! Wenn da jetzt eine Laufmasche drin ist…«

Na, wer sagt’s denn? Das klingt doch schon nicht mehr ganz so verzweifelt. Marc ist ?berrascht.

»Was ist denn passiert?«

»Deine doofe T?le hat mich gebissen!«

»Das tut mir leid! Herkules, also wirklich! Komm sofort zu mir, du ungezogener Hund!«

»Was bringst du den auch mit? Wir wollten doch in Ruhe reden. Bl?des Biest, dir geh?rt ein Maulkorb verpasst!« Sabine funkelt mich b?se an, ich gucke m?glichst unschuldig zur?ck.

»Vielleicht wollte er mich besch?tzen, oder er ist ein bisschen eifers?chtig«, unternimmt Marc den Versuch einer Erkl?rung. Ich gucke noch unschuldiger.

»Hunde, die einen einfach anfallen, geh?ren doch weggesperrt! «

»Also, so schlimm ist das nun auch wieder nicht – wenn er richtig zugebissen h?tte, dann w?rdest du hier nicht mehr so ruhig stehen. Wahrscheinlich hat er dich nur gezwickt. Das geh?rt sich nat?rlich auch nicht – aber, wie gesagt, vielleicht wollte er mich sch?tzen. Er kennt dich nicht, und die Situation ist f?r ihn schwer zu durchschauen. F?r mich ?brigens auch.«

Sie setzen sich wieder, Sabine wirft einen Blick auf ihre Waden und versucht dann zu l?cheln.

»Na ja, ist ja nochmal gut gegangen. Keine Laufmasche.«

Schade. Ich muss noch an meiner Technik feilen. Ansonsten bin ich mit dem Ergebnis meiner Aktion sehr zufrieden: Die Stimmung ist vondramatisch aufsachlich gefallen.

»Also, wo waren wir stehen geblieben? Genau, ich wollte wissen, ob bei dir alles in Ordnung ist«, versucht Marc an das Gespr?ch vor dem Heulkrampf anzukn?pfen.

»Nat?rlich ist alles in Ordnung. Ich muss nur in letzter Zeit h?ufig an uns denken, und das macht mich dann traurig. Es waren ja auch sch?ne Zeiten.«

Marc sagt dazu nichts.

»Und wenn wir uns dann streiten, dann f?hle ich mich hinterher sehr schlecht. Deswegen wollte ich das endlich mal zwischen uns ausr?umen. Ich wollte mich entschuldigen f?r den Schmerz, den ich dir bereitet habe, und wollte nochmal ?ber die Sache mit dem Einzug deinerLebensgef?hrtin mit dir sprechen.« Das Wort Lebensgef?hrtin betont Sabine ganz seltsam, so, als wolle sie damit etwas Bestimmtes sagen.

Jetzt r?uspert sich Marc. »Gut. Wie ich schon sagte: Ich gebe dir Recht, dass es ein Fehler war, dir nicht vorher davon zu erz?hlen. Das tut mir leid, und daf?r habe ich mich entschuldigt. «

Sabine beugt sich ein St?ck nach vorne und schaut Marc ganz eindringlich an. »Und? Nimmst du meine Entschuldigung auch an?«

Marc lehnt sich zur?ck und bringt damit wieder mehr Raum zwischen Sabine und sich. »Ich weiss es noch nicht. Ich werde dar?ber nachdenken.«

ACHTZEHN

Es ist sch?n, wieder hier zu sein.« Daniel stellt seinen Rucksack und die grosse Tasche in den Flur und geht bed?chtig durch die einzelnen R?ume der Werkstatt. In dem Zimmer mit den beiden grossen Werkb?nken bleibt er stehen. Carolin folgt ihm und schiebt auf ihrer Werkbank einen Stapel Papier zusammen,der so hoch und schief ist, dass er schon fast vom Tisch zu fallen droht.

»Viel habe ich nicht ver?ndert, seitdem du nicht mehr da bist. Okay, es ist nicht mehr ganz so ordentlich, da hattest du doch eine sehr disziplinierende Wirkung auf mich.«

»Ich hoffe doch sehr, du vermisst nicht nur meinen unschlagbaren Sinn f?r Ordnung.« Beide fangen an zu lachen – dann nimmt Daniel Caro in den Arm und dr?ckt sie ganz fest. »Wirklich, Caro, ich habe mich sehr gefreut, als du mich wegen des Jobs angerufen hast.« Er l?sst sie wieder los.

»Ja, als die Anfrage von Herrn Lemke kam, dachte ich mir sofort, dass die Restaurierung einer historischen Instrumentensammlung bestimmt spannend genug w?re, um dich nach Hamburg zu locken.«

Daniel guckt sie versonnen an.»Ich w?re auch f?r die Begutachtung einer chinesischen Kiefernholzfiedel nach Hamburg gekommen, wenn du mich darum gebeten h?ttest.«

Dazu sagt Carolin nun nichts, sondern schaut zu Boden. Offenbar macht Daniel sie verlegen. Wie spannend! Ich freue mich allerdings auch sehr, dass Daniel wieder da ist. Auch wenn er bisher nur Augen f?r Carolin hatte. Ich beschliesse, mal ein bisschen auf mich aufmerksam zu machen, indem ich mit einem Satz auf Daniels F?sse h?pfe.

»Hoppla! Mann, Herkules, stimmt – dich habe ich noch gar nicht richtig begr?sst!«

Was heisst hiernicht richtig? Gar nicht, mein lieber Daniel, gar nicht! Aber das macht ja nichts, du kannst es jetzt nachholen, ich bin da nicht nachtragend. Und das macht Daniel, der alte Hundeversteher, jetzt auch. Er beugt sich zu mir herunter und hebt mich hoch.

»Nun lass dich mal richtig knuddeln, du S?sser!« Er krault mich hinter den Ohren, ich drehe den Kopf und schlecke ihm blitzschnell ?bers Gesicht. Daniel lacht.

»Mann, das ist ja eine Freude unter den Dackeln. Herkules, ich habe dich vermisst. Vielleicht sollte ich mir auch so ein kleines Kerlchen wie dich anschaffen, aber ich bef?rchte, dann bekomme ich Probleme mit Aurora. Sie ist n?mlich nicht das, was man gemeinhin als Hundefreundin bezeichnen k?nnte.«

Nein, so habe ich sie auch nicht in Erinnerung. Und leider beantwortet das auch gleich meine dringendste Frage, n?mlich, ob Daniel tats?chlich noch mit dieser Schreckschraube zusammen ist. Ist er offensichtlich. Auweia. Dabei h?tte ich ihm doch sehr eine nettere Frau geg?nnt. Gut, die netteste ist nun vergeben, aber ein paar andere laufen bestimmt noch frei herum.

Daniel setzt mich wieder ab, dann geht er nochmal zu seiner Tasche im Flur und kramt einen Zettel heraus.

»So, Herr Lemke hat mich in einem Apartmenthaus ganz in der N?he untergebracht. Lauter kleine Wohnungen, im Internet sah es sehr nett aus. Da werde ich die n?chsten sechs Wochen wohnen. Mal sehen, wo genau das ist.« Er studiert den Zettel. »Ach, eigentlich genau neben dem Park, wie praktisch!«