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»Soll ich dir ein Taxi rufen?«

»Gerne. Ich will nur schnell auspacken und mich vielleicht ein St?ndchen aufs Ohr legen. Ich bin ein bisschen m?de.«

Tats?chlich sieht Daniel geschafft aus: Seine blonden Locken stehen kreuz und quer vom Kopf ab, und seine grossen, dunklen Augen haben noch dunklere Ringe darunter.

»Klar, mach das. Ich gebe dir einen Werkstattschl?ssel, dann kannst du einfach wiederkommen, wenn du so weit bist.«

»Danke, Carolin. Es ist ein sch?nes Gef?hl, wieder einen Schl?ssel zu haben.«

Als Daniel gegangen ist, macht sich Carolin an ihrer eigenen Werkbank zu schaffen. Sie nimmt eine der fast fertigen Geigen und h?lt sie ins Licht, dreht sie hin und her und schnappt sich ein St?ck Schleifpapier. In diesem Moment klingelt es an der T?r. Caro legt die Geige wieder zur Seite.

»Was denkst du, wer das ist, Herkules? Nina vielleicht? K?nnte sein, oder? Erwarten tue ich jedenfalls niemanden.«

Richtig geraten: Es ist wirklich Nina, die vor der T?r steht. Ohne gross Hallo zu sagen, st?rmt sie gleich in die Werkstatt.

»Na, wo ist Daniel? Ich wollte ihn doch gleich mal begr?ssen. «

»Den hast du knapp verpasst. Er ist eben in sein Hotel gefahren. War ein bisschen geschafft.«

»Ach schade.« Nina klingt entt?uscht.

»Aber ich denke mal, dass er sp?ter wiederkommt. Soll ich ihm einen Zettel hinlegen, dass er sich bei dir melden soll? Deine Sehnsucht scheint ja gross zu sein.«

»Was heisst hierSehnsucht? Ich habe ihn einfach ganz lange nicht mehr gesehen und mich deshalb schon auf ihn gefreut. Ich dachte, wir k?nnten vielleicht einen Kaffee zusammen trinken.«

»Tja, ich f?nde einen Kaffee auch nicht schlecht. Oder bekomme ich den bei dir nur, wenn ich Daniel mitbringe?«

Nina sch?ttelt den Kopf und macht dabei ein Ger?usch, das wieTSSS klingt.»Ich habe mir ?brigens eine neue Kaffeemaschine gekauft und kann dir gleich einen sehr leckeren Latte Macchiato anbieten.«

»Klingt super! Dann mal los!«

Bevor wir Ninas Wohnung entern k?nnen, gilt es allerdings noch ein Hindernis zu ?berwinden: Auf ihrer Fussmatte liegt ein ziemlich grosser Blumenstrauss, der herrlich frisch duftet. Mir ist nat?rlich sofort klar, wer den da hingelegt hat: der Nachbar? Das ist doch der gleiche Trick wie mit dem anderen P?ckchen, der Box mit diesenOhropax. Lustige Gewohnheiten hat der Herr. Fast wie eine Katze. Bei Herrn Beck habe ich das zwar noch nie beobachtet, aber die Katzen im Schloss legten tats?chlich auch gerne Sachen auf die Fussmatte vom Seiteneingang zur K?che. Meist waren das tote M?use, manchmal auch ein kleines V?gelchen, das sie erjagt hatten. Emilia war dar?ber nicht besonders begeistert, hat aber nie geschimpft, weil esdie Katzen nur gut gemeint h?tten.

Nina guckt zwar nicht so angewidert, wie es Emilia bei den M?usen tat, besonders begeistert scheint sie aber auch nicht zu sein. Sie seufzt und hebt die Blumen auf.

Caro guckt neugierig.»Aha. Ein heimlicher Verehrer?«

Nina sch?ttelt den Kopf. »Heimlich trifft es nicht ganz.«

»Dein Nachbar, oder?«

»Ja«, antwortet Nina knapp.

Carolin lacht.»Siehste, ich hab’s dir ja gleich gesagt.«

»Warte mal kurz, bin gleich wieder da.« Nina dreht sich um und geht die Treppe nach oben. Caro und ich bleiben derweil unten stehen. Wir k?nnen h?ren, dass Nina bei Alexander klingelt, er ?ffnet die T?r.

»Hallo, Alex. H?r mal, das ist ja nett gemeint mit den Blumen – aber wie ich dir schon sagte: Ich will mich nicht weiter mit dir treffen. Also bem?h dich bitte nicht mehr. Und die …« Es raschelt laut, vermutlich das Papier, in das die Blumenstiele eingeschlagen sind, »… die m?chte ich auch nicht behalten. Vielleicht kannst du sie deiner Mutter schenken.«

Alex scheint gar nichts zu sagen, Ninas Schuhe klappern auf dem Weg nach unten, oben wird die T?r wieder geschlossen.

»Wow, Nina, das war schon sehr direkt!«

Nina erwidert nichts, stattdessen schliesst sie Caro und mir die T?r auf und schiebt uns in ihre Wohnung. Als sie die T?r hinter uns zugemacht hat, atmet sie tief durch.

»Mann, Alexander ist echt niedlich, aber er kommt mir vor wie ein Kind. Die letzten zwei Tage hat er mich jedes Mal, wenn er mich gesehen hat, um ein Date gebeten. Den Zahn musste ich ihm gerade mal endg?ltig ziehen.«

»Ja, das d?rfte dir gelungen sein. Schade um die Blumen. Die waren wirklich sch?n. Der Mann hat offensichtlich Geschmack.«

Mittlerweile hat sich auch Herr Beck aus seinem K?rbchen erhoben und steht neben uns. Er sieht noch ein wenig verschlafen aus. »Sag mal, Freund, wovon reden die beiden Damen?«

»Die Kurzversion? Der Typ von der Party hatte Blumen f?r Nina vor eure T?r gelegt. Die hat sie ihm aber gerade wieder in die Hand gedr?ckt.«

»Aha.« Herr Beck scheint unger?hrt. So, als h?tte er in diesem Fall auch nichts anderes erwartet.

»Findest du das gar nicht komisch? Ich meine, auf der Party sah es doch so aus, als h?tte sie ihn sehr, sehr gerne.«

»Findest du? Ich hatte eher den Eindruck, Nina war nur auf der Suche nach Spass.«

H?? Wie meint der Kater denn das jetzt? Wieso Spass? Ich dachte, beim K?ssen geht’s den Menschen um Liebe. Und beim Sex sowieso. Genauso hat mir Beck das mal erkl?rt – dass Sex und Liebe bei den Menschen irgendwie zusammengeh?ren. Ich fand das Konzept zwar nicht sofort einleuchtend, aber nicht alles beim Menschen l?sst sich logisch erkl?ren. Muss es ja auch nicht. Jedenfalls hatte Carolin ja auch deswegen mit ihrem gruseligen Freund Thomas Schluss gemacht: weil Beck und ich ihr beweisen konnten, dass er Sex mit einer anderen Frau hatte. Das nennt man Betrug, und es vertr?gt sich nursehr schlecht mit der menschlichen Liebe.

»Aber du selbst hast mir doch erkl?rt, dass diese ganze Sache mit K?ssen und so weiter bei den Menschen mit Liebe zu tun hat. Und dann m?sste sich Nina doch ?ber Blumen von Alexander freuen. Was meinst du denn jetzt mitnur Spass?«

Herr Beck sieht mich an, als sei ich heute besonders schwer von Begriff, und atmet schwer. Das ist eigentlich eine Frechheit, denn immerhin war er es, der mich erst auf die Idee gebracht hat, dass es den Menschen bei der Paarung um die Liebe geht.

»Also, es ist wie folgt«, beginnt Beck zu erkl?ren und spricht dabei so langsam, als habe er es mit einem Schwachsinnigen zu tun, »oft ist das K?ssen wirklich ein Zeichen von Liebe. ABER – es muss nicht immer so sein. Menschen k?ssen sich auch, weil es Spass macht. Und insbesondere, wenn sie sich eigentlich nicht kennen, geht es oft nur um den Spass. Man kann ja eigentlich niemanden lieben, den man nicht kennt. Mit Sex ist es dann genauso.«

Nun gut. Klingt logisch. Allerdings habe ich Herrn Beck ja auch noch nicht von meiner sensationellen Erkenntnis berichtet, die das alles in einem v?llig anderen Licht erscheinen l?sst.

»Aber Nina w?nscht sich Liebe.«

Herr Beck z?gert einen Moment, dann prustet er los. »Wie kommst du denn auf diese Idee?«

»Weil sie zynisch ist.«

»Bitte? Was soll das denn f?r ein Grund sein?«

»Also, es war ungef?hr so: Nina hat Carolin gesagt, dass sie sich Alexander geschnappt hat, weil sie seit f?nftausend Jahren keinen Sex mehr hatte. Carolin wollte dann wissen, ob es was Ernstes ist, und Nina hat ihr erkl?rt, dass Alexander f?r Sex genau richtig, aber f?r Liebe zu jung ist. Oder so ?hnlich. Und dann sagte Carolin:Nina, du bist zynisch.«

»Sch?n und gut, aber wieso denkst du deswegen, dass Nina sich Liebe w?nscht?«

»Na, du hast es doch selbst gesagt: Zynismus ist, wenn man etwas l?cherlich macht, weil man es gerne h?tte, aber gleichzeitig Angst hat, dass es das nicht gibt.«

»Tut mir leid, Kumpel. Ich kann dir gerade ?berhaupt nicht folgen.«

Mann, das ist heute aber auch schwierig mit Beck. Also, wenn hier jemand schwer von Begriff ist, dann dieser Kater.

»Es ist doch sonnenklar: Nina macht die Sache mit Alexander l?cherlich, weil sie sich genau das w?nscht. Liebe eben. Sie hat nur Angst, dass es eh nichts wird.«