Herr Beck sch?ttelt den Kopf. »Eine sehr steile These, Herr Kollege. Und im ?brigen hat Nina Liebe.«
»Echt? Hat sie einen Freund, von dem ich noch gar nichts weiss?«
»Nein. Sie hat mich. Und ich weiss, ich habe immer das Gegenteil ?ber das Verh?ltnis von Mensch und Tier behauptet – aber ich muss mich revidieren. Diesmal ist es wirklich Liebe.«
Dazu sage ich nichts mehr. Es ist sowieso zwecklos. Aber ich bleibe dabei: Nina w?nscht sich Liebe. Und zwar nicht die eines alternden Katers. Da bin ich mir ganz sicher. Vielleicht kann ich mich momentan auch deswegen so gut in Nina hineinversetzen, weil es mir ganz ?hnlich geht. Auch ich w?nsche mir Liebe. Leider hatte ich immer noch keine Idee, wie ich Cherie beeindruckenund ihr Herz damit f?r mich gewinnen k?nnte. Beck vielleicht? Immerhin wollte er dar?ber nachdenken.
»Sag mal, Beck, hast du dir vielleicht noch mal Gedanken ?ber mein Problem gemacht?«
»Welches Problem?«
»Na – mit Cherie!«
»Cherie?«
Grossartig. Herr Beck kann sich anscheinend nicht mal mehr daran erinnern, dass ich ihm vor kurzem mein Herz ausgesch?ttet habe.
»Du weisst schon – die Retrieverh?ndin.«
»Ach ja, die. Nee, dar?ber habe ich noch gar nicht weiter nachgedacht.«
Ich seufze innerlich und lege den Kopf auf meine Vorderl?ufe. Beck scheint momentan v?llig von seiner neuentdeckten Liebe zum Menschen in Beschlag genommen zu sein. Auf sein strategisches Geschick kann ich also nicht unbedingt bauen. Dann muss ich es selbst hinbekommen. Fragt sich nur, wie ich das anstellen soll. Ich habe offen gestanden nicht den blassesten Schimmer.
Caro und Nina haben sich mittlerweile in die K?che verzogen und testen den neuen Kaffeeautomaten. Der macht einen gewaltigen L?rm, dampft und zischt. Da soll Kaffee rauskommen? Die Maschine in der K?che von Marc und Caro versieht diese Aufgabe eigentlich immer still und leise, von einem gelegentlichen Blubbern vielleicht mal abgesehen.
Aber tats?chlich f?llen sich die beiden Gl?ser, die Nina in den Automaten gestellt hat, mit Fl?ssigkeit. Riecht von hier unten allerdings eher wie Milch. In diesem Moment schiesst noch mehr Fl?ssigkeit in die Gl?ser, diesmal eindeutig Kaffee. Nina wartet ab, bis die Maschine zu Ende gespuckt hat, dannreicht sie Caro ein Glas.
»E prego, un latte macchiato.«
»Grazie tante.«
Beide beginnen zu schl?rfen, schnell hat Caro einen Schnurrbart aus Milch. Sieht sehr lustig aus.
»Hm, der ist aber lecker. So eine Espressomaschine ist schon toll. Da hast du ja ordentlich in deine K?che investiert. «
»Na ja, eigentlich ist sie f?r mein B?ro an der Uni. Das Semester f?ngt n?chste Woche wieder an, und so wie ich das sehe, werde ich eine ziemlich aufw?ndige Arbeitsgruppe leiten und viel Zeit dort verbringen. Da musste ich mir mal ein Highlight g?nnen.«
»Klingt interessant. Worum geht’s da?«
»Im wesentlichen um interdisziplin?re Suchtforschung. Machen wir mit den Medizinern zusammen.«
»Aha. Na, dann noch mal auf die Forschung!«
»Ja. Prost.«
Die beiden stossen mit ihren Gl?sern an.
Caro trinkt noch einen Schluck, guckt dann auf ihre Uhr.»Oh, schon gleich halb drei. Ich mache f?r heute Schluss. Ich habe Luisa versprochen, sie fr?her aus dem Hort abzuholen, damit wir noch die Einladungen f?r ihre Ponyparty auf Schloss Eschersbach basteln k?nnen.«
Nina zieht die Augenbrauen hoch.»Ponyparty auf Schloss Eschersbach? Klingt reichlich ?berkandidelt f?r ein neunj?hriges M?dchen.«
»Unter normalen Umst?nden w?rde ich dir Recht geben, aber hier ist es ein Notfall. Ich habe dir doch erz?hlt, dass Luisa Schwierigkeiten hat, in ihrer neuen Klasse Freundinnen zu finden. Sie wollte vor ein paar Wochen eine Pyjamaparty feiern, aber keine von diesen kleinen Ziegen hat zugesagt. Luisa war ganz deprimiert. Da dachte ich, wir k?dern die Damen mal mit einem richtigen Highlight. Hat Marc dann eingef?delt, er betreut ja die Dackelzucht vom Schlossherrn.«
»Aha. Und du meinst, die kleinen Biester sind k?uflich?«
»Garantiert. Wer sich selbst den NamenTussi-Club gibt, kann zu so einer glamour?sen Veranstaltung mit Sicherheit nicht Nein sagen.«
NEUNZEHN
Papa, ich bin so aufgeregt! TOTAL aufgeregt, echt!«
Luisa ist heute Morgen schon mit dem ersten Vogelzwitschern aufgestanden, vielleicht sogar ein bisschen fr?her. Seitdem flitzt sie durch die Wohnung, sucht Sachen aus den verschiedensten Schr?nken, packt sie in den kleinen Koffer mit dem B?rchenbild, nur um sie ein paar Minuten sp?ter wieder herauszur?umen und gegen andere Dinge auszutauschen. Dabei h?pft sie auf und ab wie ein kleines K?tzchen auf der Jagd nach einem Wollkn?uel.
Marc hingegen sieht um diese fr?he Stunde irgendwie … zerknittert aus. Momentan lehnt er am T?rrahmen von Luisas Kinderzimmer und g?hnt verstohlen.
»Ich finde, du solltest noch ein bisschen schlafen, damit du sp?ter auch richtig fit bist.«
Wieder ein G?hnen. Aber Luisa sch?ttelt energisch den Kopf. »Aber Papa! Ich kann doch jetzt nicht wieder ins Bett gehen! Ich muss meine Sachen packen.«
»Luisa, es ist erst halb sechs Uhr. Wir haben noch jede Menge Zeit. Leg dich bitte nochmal hin, wir packen deinen Koffer nach der Schule. Ich helfe dir auch, versprochen.«
»Nein, ich kann nicht mehr schlafen. Ich freue mich so, dass tats?chlich alle M?dchen zugesagt haben. Alle vier – der gesamte Tussi-Club! Papa, das ist suuuuper!«
Marc nickt.
»Ja, mein Schatz, das freut mich auch riesig. Aber ich gehe jetzt wieder ins Bett. Und vor sieben kriegt mich da auch niemand wieder raus. Also meinetwegen pack weiter, aber sei bitte einigermassen leise dabei.« Er schlurft in Richtung Schlafzimmer.
Luisa schaut ihm kurz hinterher, dann dreht sie sich zu mir.»Mann, Herkules, warum wollen Erwachsene bloss immer so lang schlafen? Im Bett zu liegen ist doch voll langweilig! «
Ich wedele mit dem Schwanz. Genau meine Meinung! Mir ist auch nicht klar, was daran so toll sein soll. Die Menschen sollten lieber tags?ber ein bisschen schlafen, dann w?rden sie morgens auch zu einer vern?nftigen Zeit aus den Federn kommen.
Luisa betrachtet den momentanen Inhalt ihres B?rchenkoffers kritisch. »Weisst du, ich muss mir jetzt echt ?berlegen, was ich mitnehme. Viele Sachen von mir sind n?mlich leider voll Baby. Das merken die anderen doch gleich, wenn ich nicht aufpasse, weisst du?«
Ich lege mich neben den Koffer und versuche zu verstehen, was genau Luisa meint.Voll Baby. Hm. Was k?nnte das wohl bedeuten? Luisa ist doch l?ngst kein Baby mehr. Und die Sachen, die sie so kritisch be?ugt, w?ren f?r ein Menschenbaby auch viel zu gross.
»Das hier zum Beispiel«, sie h?lt mir ein T-Shirt unter die Nase, »Rosa! Und das auch … und hier: schon wieder Rosa. Dabei ist Rosa gar nicht in. Das ist eine Farbe f?r kleine M?dchen.«
Aha. Nun bin ich sowieso kein Farbspezialist, weil ich die Unterschiede, die Menschen da angeblich sehen, kaum ausmachen kann. Insofern war ich schon erstaunt, als ich lernte, dass Menschen bestimmte Farben f?r M?nner, andere wiederum f?r Frauen vorgesehen haben. Dass es aber auch Farben f?r bestimmte K?rpergr?ssen gibt, ?berrascht mich noch mehr. Welchen Sinn hat das? Luisa legt mehrere Kleidungst?cke nebeneinander und guckt nachdenklich.
»Mama kauft sowieso immer Babyklamotten f?r mich. Und die l?ssigen Sachen, die Carolin f?r mich gekauft hat, kann ich bei ihr gar nicht anziehen. Dann ist sie gleich traurig. Also lasse ich das lieber. Aber deshalb denkt sie nat?rlich, ich finde die Babysachen noch toll, und dann bekomme ich noch mehr davon. Die anderen M?dels haben viel coolere Klamotten.«
Ich merke schon– gelegentlich ist es sehr praktisch, ein Fell zu haben. Ob das nuncool ist oder nicht: Es ist meins, und daran l?sst sich auch nichts ?ndern. ?berhaupt scheint eines der grossen menschlichen Probleme zu sein, dass es f?r Menschen so viele M?glichkeiten gibt. Rock oder Hose? Suppe oder Braten? Marc oder Daniel? Kein Wunder, dass sie da manchmal ein bisschen durcheinanderkommen.