Aber Lucky starrt mich bloss mit seinen grossen Ponyaugen an und kaut weiter auf dem Heuhalm, der noch aus seinem Maul h?ngt. Na gut, dann eben kein Smalltalk. Wie meine Schwester schon so treffend anmerkte: F?r die Jagd sind Pferde toll, ansonsten langweilig.
»Mal kurz herh?ren!« Corinna von Eschersbach steht in der Stallgasse und klatscht in die H?nde. »Ich m?chte euch zwei Jungs vorstellen, die euch in den n?chsten beiden Tagen ein bisschen helfen werden. Das hier sind Lasse und Max.«
Neben ihr tauchen zwei Jungs auf, die etwas gr?sser als Luisa und ihre Freundinnen sind. Der eine ist kr?ftig, hat ganz helle Haare und lauter Punkte auf der Nase, der andere hat dunkle Locken und ist sehr d?nn. Beide grinsen zu den M?dchen her?ber, die wiederum die Jungs neugierig ?ber die R?cken der Ponys mustern.
»Lasse und Max kennen den Stall und die Pferde ganz genau und sind selbst tolle Reiter«, f?hrt Corinna fort, »also, wann immer ihr eine Frage zu den Ponys habt oder einen Tipp braucht, seid ihr bei den beiden bestens aufgehoben.«
Lasse kommt einen Schritt nach vorne.»Ja, M?dels, wir helfen euch gerne. Sagt einfach Bescheid.«
»Ich w?sste nicht, was ich von euch ?ber Pferde lernen k?nnte«, kommt es in diesem Moment in einem sehr hochn?sigen Ton aus der Box, in dem ein etwas gr?sseres schwarzes Pony steht. Lena, nat?rlich! »Ich reite schon seit drei Jahren, mein Papa sagt, dass ich eineexzellente Reiterin bin. Vor den Sommerferien gab es in meinem Reitstall ein Turnier, und in meiner Altersgruppe habe selbstverst?ndlich ich gewonnen.«
Lasse und seinem Kumpel bleibt der Mund offen stehen, und auch Corinna von Eschersbach guckt sehr erstaunt. Lena ist das egal, unbeeindruckt erz?hlt sie weiter von ihren Erfolgen in der Welt der Pferde und Ponys.
»Das Adventsreiten habe ich ?brigens auch gewonnen, und demn?chst bekomme ich sowieso ein eigenes Pony, damit ich regelm?ssig auf Turnieren reiten kann. Also, vielleicht fragtihr ehermich, wenn ihr etwas wissen wollt.«
Max fl?stert Lasse etwas ins Ohr, was wiebl?de Pute klingt, und ich muss ihm Recht geben. Aber so ist es vielleicht immer mit Rudelf?hrern – Hauptsache, eine grosse Klappe und gleich mal klarmachen, wer Chef ist. Sollte ich mir da etwas abgucken? Andererseits – welches Rudel k?nnte ich f?hren? Dass sich Marc und Caro demn?chst von mir, dem kleinen Dackelmix, erz?hlen lassen, wo die Reise hingeht, ist doch mehr als unwahrscheinlich. Ich kann also ruhig ein netter Kerl bleiben.
Nach Reitstunde und Abendessen verziehen sich die f?nf M?dchen auf ihr Zimmer. Corinna hat erlaubt, dass ich auch dort schlafen darf, also klebe ich f?rmlich an Luisa. Schliesslich hat sie gesagt, dass ich sie mutiger mache – und Mut kann sie meiner Meinung nach in dieser Gruppe wirklich gut gebrauchen. Schon wieder f?hrt Lena das grosse Wort, die anderen lauschen and?chtig, hin und wieder gibt ein M?dchen ein Stichwort, auf das Lena dann eine neue Geschichte erz?hlen kann. Nur Luisa bleibt die ganze Zeit ?ber stumm, und ich kann mir kaum vorstellen, dass es f?r sie tats?chlich sch?n ist, das Wochenende mit dem Tussi-Club zu verbringen.
Als es draussen schon fast dunkel ist, kommt Corinna noch einmal ins Zimmer. »Es ist jetzt kurz nach neun, und morgen wartet wieder ein aufregender Tag auf euch. Ich habe mir heute genau angesehen, wie ihr reitet, und muss sagen, ihr macht eure Sache alle sehr gut. Wenn das Wetter also morgen so gut ist wie heute, will ich mit euch ausreiten. Deswegen macht bitte gleich das Licht aus und schlaft. Gute Nacht!«
»Gute Nacht!«, schallt es im Chor zur?ck, dann macht Luisa die grosse Deckenlampe aus, so dass es mit einem Mal ziemlich schummrig im Zimmer wird. Luisa legt sich in ihr Bett, ich h?pfe hinterher und lege mich wieder ans Fussende. Herrlich – von mir aus br?uchte ich zu Hause gar kein K?rbchen, sondern w?rde dauerhaft ins Kinderzimmer ziehen.
Luisa schl?ft ziemlich schnell ein, die anderen M?dchen fl?stern noch ein bisschen miteinander, dann wird es auch bei ihnen still. Ich denke noch einen Moment ?ber den Nachmittag im Stall nach. Ob Luisa mich irgendwann mal auf eine Fuchsjagd mitnehmen k?nnte? Ausritt klingt doch schon mal vielversprechend, also ein bisschen wie Jagd ohne Jagd. Da m?chte ich auf alle F?lle mitkommen. Vielleicht freunde ich mich dann auch noch mit dem Kollegen Lucky an. Mit dem Gedanken an wundervolle Gespr?che zwischen Hund und Pferd schlafe ich ein.
Ein knirschendes Ger?usch weckt mich wieder. Schlaftrunken rappele ich mich hoch und versuche zu orten, aus welcher Ecke des Zimmers das Knirschen kommen k?nnte. Das ist in einem dunklen, unbekannten Raum gar nicht so einfach, aber schliesslich bin ich mir sicher: Das Ger?usch kommt von der Seite, an der die Fenster sind. Es wird lauter, jetzt ist es ein richtiges H?mmern, gefolgt von einem Heulen. Greta wird wach und setzt sich in ihrem Bett auf, dann auch Lena und Luisa.
»Was ist das?«, fl?stert Greta in die Dunkelheit.
»Weiss nicht«, fl?stert Luisa zur?ck.
»Ich glaube, es kommt vom Fenster«, stellt Lena fest. »Greta, geh doch mal gucken.«
»Nee, ich trau mich nicht. Das klingt so gruselig!«
In diesem Moment wird das Heulen lauter, und dann taucht hinter der Fensterscheibe etwas auf, was auch einen tapferen Dackel wie mich verschreckt: ein Totenkopf! Genauer gesagt, ein Totenkopf mit einer dunklen Kapuze um den Sch?del und einer riesigen, dreizackigen Gabel in der Hand. Der Totenkopf heult jetzt ganz laut, zudem schl?gt er die Gabel gegen das Fenster. Von dem L?rm sind nun auch die anderen M?dchen wach geworden und sitzen ver?ngstigt in ihren Betten.
Keine Frage– ein Monster will die Scheiben einschlagen! Es ist gekommen, um uns zu holen! Wie aus einem Mund kreischen alle f?nf M?dchen vor Angst los, und ich kl?ffe, was das Zeug h?lt.
ZWANZIG
Also, es hat versucht, mit einem Dreizack das Fenster einzuschlagen? Und es hat getobt und geheult?« Am n?chsten Morgen sitzt Corinna von Eschersbach mit den M?dchen am Fr?hst?ckstisch und l?sst sich noch einmal genau schildern, was in der Nacht zuvor passiert ist. Wobei nach dem Geschrei der Kinder eigentlich gar nichts mehr passiert ist, denn als Corinna und ihr Mann Gero daraufhin ins Zimmer geschossen kamen, gab es von dem Monster weit und breit keine Spur mehr.
Ich pers?nlich bin nach dieser Nacht v?llig ger?dert. Die M?dchen sind geschlossen in das Wohnzimmer von Corinna und Gero umgezogen und haben dort ein Matratzenlager aufgebaut. Von mir gewissenhaft bewacht, sind die Kinder auch irgendwann eingeschlafen, aber ich habe nat?rlich kein Auge zugetan. Immerwieder bin ich zur T?r geschlichen und habe geschn?ffelt, ob sich dort etwas Verd?chtiges tun k?nnte. Und als ich dann doch einmal kurz eingenickt bin, habe ich von glut?ugigen Monstern und anderen Schlossgespenstern getr?umt und bin sofort wieder aufgewacht.
»Vielleicht wohnt das Schlossgespenst ja schon ganz lange hier, und wir haben es irgendwie aufgeschreckt«, mutmasst Luisa jetzt. Die anderen M?dchen nicken heftig.
»Also, ich lebe bereits seit zehn Jahren auf dem Schloss, und von einem Gespenst habe ich noch nie etwas geh?rt«, versucht Corinna zu beruhigen. Damit hat sie Recht. Mir geht es genauso, und ich bin mir sicher, Opili h?tte ein Monster erw?hnt, wenn es eines gegeben h?tte. An den blassen Nasenspitzen von Luisa, Lena, Greta und den anderen kann ich allerdings ablesen, dass sie immer noch grosse Angst haben. Mist! Dabei sollte das hier doch ein ganz tolles Wochenende f?r die M?dchen werden, damit Luisa endlich ihre Freundin wird.
»Lasst es uns doch so machen: Nach dem Fr?hst?ck gehen wir gleich zu euren Ponys r?ber. Das Wetter ist wundersch?n, wir k?nnen ausreiten. Und nach ein, zwei Stunden in der Sonne sieht die Welt bestimmt wieder viel freundlicher aus. Gero wird in der Zwischenzeit das ganze Schloss und den Hof nach dem Gespenst absuchen. Und wenn er es findet, macht er es dingfest. Was meint ihr? Gute Idee?«
Die M?dchen nicken. Erst etwas z?gerlich, dann ?berzeugter. Emmi, eine kleine Blonde, die bisher fast noch gar nichts gesagt hat, macht einen weiteren Vorschlag. »Luisa, vielleicht kann dein Hund ja mit suchen helfen. Dackel sind doch Jagdhunde – wenn Herkules eine F?hrte aufnimmt, kann er sie bestimmt gut verfolgen.«