»Hallo, Carli – oder soll ichHerkules sagen?«
Charlotte ist in die K?che gekommen und setzt sich neben mich.
»Hallo, Charlotte. GerneHerkules. Ich habe mich schon so daran gew?hnt, dass mir Carl-Leopold mittlerweile selbst komisch vorkommt.«
»Ich h?re, du musst dich mit den langweiligen Ponys besch?ftigen? Du Armer.«
»Ach, ich freue mich eher, dass ich schon wieder hier bin. Ausserdem ist es ?berhaupt nicht langweilig – im Gegenteiclass="underline" Gestern Nacht sind wir ?berfallen worden. Von einem Monster! «
Charlotte reisst die Augen auf.
»Von einem Monster?«
»Genau! Es tauchte nachts vor dem Fenster auf und bedrohte die M?dchen. Ich habe es verbellt!«
Das stimmt zwar nicht so ganz, aber es ist auch nicht wirklich gelogen.
»Nein! Das gibt’s doch nicht! Von einem Monster habe ich hier noch nie geh?rt. Konntest du es stellen?«
Ich sch?ttle den Kopf.
»Nein, leider nicht. Aber ich habe heute zusammen mit Gero nach ihm gesucht. Und habe dabei eine sensationelle Entdeckung gemacht.«
»N?mlich?«
»Das Monster ist ein Mensch. Ich habe es gerochen.«
»Ach. Und was willst du nun unternehmen?«
»So genau weiss ich das auch nicht. Was w?rdest du denn tun?«
»Also, ich w?rde schon versuchen, den Menschen irgendwie zu schnappen. Sonst ?berf?llt der die M?dchen vielleicht ein zweites Mal. Immerhin l?uft er ja noch frei herum.«
Wahrscheinlich hat Charlotte Recht. Aber wie k?nnte man das anstellen? Falls das vermeintliche Gespenst heute Nacht wieder auftaucht, m?sste ich schnell nach draussen rennen und es schnappen. Doch wenn die M?dchen wieder schreien und es dann so schnell weg ist wie gestern, kann ich das kaum schaffen. Andererseits kann ich auch nicht von vornherein draussen warten, ob es kommt. Denn dann kann ich nicht drinnen bei Luisa bleiben. Die aber wird heute auf keinen Fall ohne mich schlafen wollen. Und falls es doch kein Mensch, sondern ein Monster ist, muss ich die M?dchen besch?tzen k?nnen. Wie ich es auch drehe und wende: Ich m?sste schon an zwei Orten gleichzeitig sein. Und das ist unm?glich. Es sei denn …
»Alles klar, sie schlafen fest. Kannst reinkommen.«
Ich h?pfe aus Luisas Bett und mache den Platz f?r Charlotte frei, die gerade ins Zimmer geschlichen gekommen ist. Sie springt hoch und kuschelt sich ans Kopfende, genau so, wie ich dort gerade noch gelegen habe. Das war zwar ziemlich warm, hat Luisa aber wirklich beruhigt. Sollte sie nun wach werden, wird sie den Unterschied nicht merken und wieder einschlafen. Charlotte sieht mir ziemlich ?hnlich, und im Dunkeln sind wir bestimmt nicht voneinander zu unterscheiden.
»Wie komme ich denn jetzt nach draussen? Die Eingangst?r hier ist doch bestimmt verschlossen.«
»Du musst dich durch die Katzenklappe zw?ngen. Die ist ein bisschen eng, aber das schaffst du. Sie ist direkt neben dem Eingang am Hauptportal. Findest du das?«
»Ja, ich glaube schon.«
Ich flitze los. Im Dunkeln ist es zwar nicht so einfach, sich zurechtzufinden, aber nachdem sich meine Augen daran gew?hnt haben, bin ich schnell am Ziel. Da ist die Klappe: Ich halte die Luft an und ziehe den Bauch ein – uff, vielleicht habe ich wirklich zugenommen – aber dann habe ich mich ins Freie gedr?ckt. Jetzt noch zweimal um die Ecke – geschafft! Ich stehe unter dem Fenster zum Schlafzimmer.
Eine ganze Weile passiert erst einmaclass="underline" nix. Ich lege mich hin. Eigentlich bin ich unglaublich m?de, vielleicht sollte ich ein Nickerchen machen. Wenn das Monster auftaucht, werde ich bestimmt von allein wach. Andererseits: Was, wenn nicht? Dann w?rde ich den Angriff verpassen, und der ganze tolle Plan mit Charlotte w?re vergebens. Nein, ich bleibe lieber wach. Zumindest versuche ich es.
Kurz bevor mir doch die Augen zufallen, passiert es endlich: Ich h?re etwas hinter dem alten Schuppen rumpeln. Irgendjemand hat die T?r ge?ffnet. Schritte – dann sehe ich zwei Gestalten mit Leiter und Mistgabel auf das Schloss zuhuschen. Und ich habe richtig geschnuppert: Die Umrisse sind eindeutig menschlich, obwohl beide Gestalten weite Umh?nge mit Kapuzen tragen. Die Bewegungen kommen mir bekannt vor, als h?tte ich sie schon einmal gesehen.
Die beiden n?hern sich, ich dr?cke mich in den Schatten der Hauswand. Jetzt lehnt der eine die Leiter ans Fenster, und mit einem Mal scheint ihm der Mond, gespiegelt durch das Fenster, genau ins Gesicht. Wie gruselig! Es ist der Totenkopf! Ich reisse mich zusammen, um nicht wieder zu kl?ffen. F?r dieses Aussehen muss es eine ganz einfache Erkl?rung geben, denn Menschen sehen im Normalfall nicht so aus, und dieser Kollege riecht eindeutig wie ein normaler Mensch. Kein Grund zur Panik, Herkules! Aber mulmig ist mir trotzdem.
Totenkopf steigt auf die Leiter, der andere reicht ihm die Mistgabel– und nun beginnt das gleiche Spektakel wie gestern Abend, nur dass ich diesmal auf der anderen Seite des Fensters stehe. Erst kratzt Totenkopf mit der Gabel ein wenig an der Fensterscheibe, dann f?ngt er an zu heulen. Das ist mein Einsatz! Ich komme aus der Deckung, mache einen Satz auf die beiden Unholde zu und schnappe nach dem Erstbesten, was mir vor den Fang kommt. Offenbar eine menschliche Wade, denn jetzt heult nicht nur der Totenkopf, sondern auch sein Kumpan.
»Aua! Verdammt, was ist das?«
Ich h?pfe hinterher, um ihn nicht entkommen zu lassen. Dabei knurre und belle ich laut und springe an ihm hoch.
»He, lass los!« Totenkopf h?pft von der Leiter und versucht, nach mir zu greifen, aber ich bin schneller und springe einen Meter zur?ck. Die beiden Kapuzenm?nner stehen jetzt zwischen mir und dem Haus, mit dem R?cken zur Wand. In diesem Moment geht die Aussenbeleuchtung ?ber dem Seiteneingang an.
»Los, lass uns abhauen, sonst kriegen wir richtig ?rger!«
Das k?nnte euch so passen! Ich belle weiter so laut und furchteinfl?ssend, wie ich nur kann. Dabei springe ich vor den beiden auf und ab und dr?cke sie f?rmlich gegen die Wand.
»Nun lauf doch!«, ruft Totenkopfs Helfer, ohne allerdings selbst loszurennen.
»Ich trau mich nicht an dem Hund vorbei! Vielleicht hat der ja Tollwut. Und wenn wir rennen, beisst er garantiert nochmal.«
Richtig, mein Freund. Volle Punktzahl– genau das w?rde ich tun. Bevor es aber dazu kommt, biegt Gero von Eschersbach um die Ecke. Auch er hatte offenbar auf das Monster gewartet, jedenfalls hat er eine Taschenlampe in der Hand und leuchtet die beiden Gestalten an.
»Aha, ich dachte mir doch, dass wir heute Nacht wieder Besuch bekommen. Und nun lasst mich mal raten, wer unsere G?ste sind. So, Carl-Leopold, nun ist gut. Aus und sitz.«
Ich gebe den perfekt dressierten Dackel und tue, wie mir geheissen. Gero geht an mir vorbei und zieht Totenkopf und seinem Freund die Kapuzen von den K?pfen, und Totenkopf das b?se Gesicht gleich mit: Es ist eine Maske! Zum Vorschein kommen …
»Lasse und Max! Also wirklich! Sch?mt euch!«
Die beiden Jungs gucken schuldbewusst zu Boden.
»Was f?llt euch ein, diese kleinen M?dchen so zu erschrecken? Ich glaube, ihr habt sie nicht mehr alle. Ich dachte, ihr wolltet Corinna bei dem Ponywochenende helfen? Also, wenn die Hilfe so aussieht, dann vielen Dank!«
Nun kommen auch Corinna und die M?dchen zu uns nach draussen.
Corinna sch?ttelt den Kopf. »Ich bin wirklich ziemlich entt?uscht von euch. Wie seid ihr auf so eine Idee gekommen? Die M?dchen hatten Todesangst.«
Lasse r?uspert sich. »Na ja, wir wollten ja auch helfen. Aber dann waren die M?dchen gleich so doof zu uns. Besonders die da!« Er zeigt auf Lena. »Da haben wir uns ?berlegt, denen mal richtig Dampf zu machen. Wir dachten, dann freuen die sich vielleicht ?ber uns als Besch?tzer und sind ein bisschen netter zu uns.«
Gero sch?ttelt den Kopf. »Tja, da habt ihr aber offensichtlich die Rechnung ohne den Hund gemacht. Denn wenn wir hier schon von Besch?tzern reden – Carl-Leopold hat sich heute als Ia-Schutzhund erwiesen.Stellen und verbellen. Besser kann man es nicht machen.«
Luisa kommt zu mir und nimmt mich auf den Arm.»Mein lieber Herkules! So ein toller Hund! Du bist wirklich ein Held. Vielleicht von aussen nicht der Gr?sste, aber von innen bist du mindestens ein Sch?ferhund. Mindestens!«