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»Ich habe auch kurz seine Stimme geh?rt – er hatHoppla gerufen, als er mich fast?berfahren hat. Die klang jung, ziemlich jung. Ein junger Mann, kein alter.«

»Super, das ist gut!«

»Und dann«, Cherie scheint in ihrem Ged?chtnis zu kramen, »dann wehte noch ein Geruch hinter ihm her. Er roch irgendwie … irgendwie nach … Kaugummi oder so was.«

»Kaugummi?«

»Nein! Jetzt hab ich’s: Er roch nach Pfefferminz. Genau. Er roch nach Pfefferminz. Das war’s!«

Fahrradfahrer. Jung. Grosse Tasche. Pfefferminz. Hier in der Gegend unterwegs. Langsam beginnt es in meinem Kopf zu rattern. Langsam, aber unaufh?rlich.

ZWEIUNDZWANZIG

Dieser Schrank muss magische Kr?fte besitzen. Denn er hat eindeutig Macht ?ber Menschen. Leider nutzt er diese Macht nicht, um Gutes zu bewirken. Im Gegenteiclass="underline" Schon zum zweiten Mal l?st der Kleiderschrank einen handfesten Streit zwischen Carolin und Marc aus. Wie macht er das bloss?

Ich sitze neben dem T?rrahmen zum Schlafzimmer und versuche zu verstehen, worum es bei dem Streit geht. Irgendwie um W?sche. Und wer die wohin gelegt hat, in besagtem Schrank. Es fing erst ganz harmlos an: Carolin wollte sich f?r ihr Treffen mit Daniel umziehen und hat eine bestimmte Sache nicht gefunden. Und jetzt ist sie richtig sauer auf Marc. Dabei hat der gar nichts gemacht, sondern seine Mutter. Marc wiederum ist nicht sauer, sondern klingt eher verzweifelt.

»Carolin, ich bitte dich – meine Mutter wollte sich doch nur n?tzlich machen. Ich verstehe nicht, was daran so schlimm ist.«

»Das verstehst du nicht? Ich will nicht, dass deine Mutter in meiner Unterw?sche rumw?hlt. So einfach ist das.«

»Sie hat doch nicht darin rumgew?hlt. Sie hat lediglich unseren Kleiderschrank etwas umorganisiert.«

Caro schnappt nach Luft, Marc guckt sehr ungl?cklich – und mir leuchtet der Grund f?r diesen Streit immer noch nicht ein. Also, ausser der Tatsache, dass der Kleiderschrank hier seine unheilvolle Macht entfaltet. Daran muss es liegen. Gut, ich selbst trage weder Unter-noch Oberw?sche, aber ich glaube, w?rde ich welche tragen, w?re esmir ziemlich egal, ob diese nun links oder rechts im Schrank liegt. Oder nicht? Ich schleiche mich n?her an den Schrank heran und schn?ffele, ob ich irgendwelche weiteren Indizien f?r die B?sartigkeit dieses M?belst?cks finde.

»Umorganisiert? Was f?llt dieser Frau ein? Dieser Schrank ist meine Intimsph?re. Ich bin eine erwachsene Frau, kein Teenager, dem Mutti die W?sche machen muss. Und du bist ?brigens auch ein erwachsener Mann!«

Der Schrank istwas? Caros Intimsph?re? Was bedeutet das? Ob es auch etwas mit dem Revierverhalten zu tun hat, das Marc bei unserem Einzug in Sachen Kleiderschrank an den Tag gelegt hat? Das w?rde nat?rlich erkl?ren, warum Caro nun so genervt reagiert. Mit dem Sortieren der W?sche h?tte Oma Wagner dann quasi ihr Beinchen gehoben. Im Schlafzimmer. So geht’s nat?rlich nicht. Der Kleiderschrank w?re dann doch nicht magisch, sondern unschuldig. Aber warum versteht Marc das nicht?

»Caro, ich habe eigentlich keine Lust, mich jeden Tag mit dir ?ber meine Mutter zu streiten.«

»Ja, glaubst du etwa, ich?«

»Nein, nat?rlich nicht. Aber ohne Sprechstundenhilfe kann ich nun mal nicht arbeiten. Frau Warnke ist von einem auf den anderen Tag ausgefallen, und die L?sung mit meiner Mutter war die einfachste.«

»Genau. F?r dich. F?r mich ist es mittlerweile eine ?tzende Situation. Sie mischt sich ?berall ein, sie kritisiert mich, wo sie nur kann – und nun macht sie auch noch unsere W?sche. Nee, wirklich, Marc, so habe ich mir das Zusammenleben mit dir nicht vorgestellt. Und wenn du das nicht kapierst, dann tut’s mir leid.«

»Aber, Caro, lass uns doch bitte in Ruhe dar?ber reden! Ich bin auch nicht gl?cklich mit der Situation.«

»Nixaber Caro. Ich ziehe mich jetzt um und gehe mit Daniel ein Bier trinken. Du kannst dir gerne allein Gedanken?ber die Situation machen. F?r heute habe ich die Nase voll. Komm, Herkules, du kannst mich begleiten, ich gehe zu Fuss.«

Wir landen– mal wieder – im Violetta. Offenbar kann man hier nicht nur ganz hervorragend Kaffee und Prosecco trinken, sondern auch Bier. Jedenfalls bestellt sich Caro gleich eins, kaum dass wir angekommen sind und ohne auf Daniel zu warten. Mit finsterer Miene trinkt sie es ziemlich schnell aus und bestellt sich sofort noch ein zweites. Als die Kellnerin es bringt, ist Caros Laune schon auf wundersame Weise besser geworden. Ob Bier gut f?rs Gem?t ist? Ich hoffe es sehr – nicht, dass sich Caro gleich auch noch mit Daniel streitet.

Der kommt jetzt geradewegs auf unseren Tisch zu und strahlt Carolin an.

»Hallo, Caro!« Dann guckt er nach unten. »Und hallo, Herkules, mein Freund.« Ich wedele mit dem Schwanz. »Was f?r ein netter Empfang, vielen Dank!« Er wendet sich wieder an Carolin. »Gut schaust du aus, hast du dich extra f?r mich noch umgezogen?«

Um Caros Mundwinkel zuckt es, aber sie sagt nichts weiter dazu. Offenbar will sie nicht von dem Streit mit Marc erz?hlen.

»Willst du auch ein Bier? Ich habe mir eben schon eins bestellt, ich hatte so Durst.«

»Ja, klar. F?r mich auch eins.« Sie winken der Kellnerin zu, und Daniel h?lt Caros Glas in die H?he. Die Kellnerin nickt und verschwindet.

»Bist du mit dem zweiten Cello fertig geworden?«, will Caro von Daniel wissen.

»Ja. Jedenfalls fast. Die Grundierung habe ich schon, es fehlt nur noch der Lack. Ein wundersch?nes Instrument. ?berhaupt ist die ganze Sammlung toll. Ich bin echt froh, dass du mich gefragt hast.«

Caro l?chelt ihn an. »Ich hoffe doch, du bist nicht nur wegen der Sammlung froh.«

»Nein. Nat?rlich nicht. Das Sch?nste ist, wieder mit dir zusammenzuarbeiten. Auch wenn es nur f?r einen begrenzten Zeitraum ist.«

Eine Weile schweigen beide. Die Kellnerin bringt Daniels Bier und stellt es vor ihn auf den Tisch.

»Prost! Auf unsere gemeinsame Zeit!«

»Ja, Prost! Und nochmal herzlich Willkommen in Hamburg. «

Sie trinken ein paar Schlucke und stellen die Gl?ser wieder ab.

»Wie l?uft es eigentlich so in M?nchen?«, erkundigt sich Carolin.

»Och, ganz gut. Meine Werkstatt da ist nat?rlich viel kleiner als deine hier. Aber weil ich Aurora auf fast jeder Konzertreise begleite, bin ich auch viel zu selten da, um mehr zu machen. Na ja, ich bin jetzt quasi Teilzeit-Handwerker.« Er lacht, aber es klingt nicht fr?hlich.

»Und du bekommst viel zu sehen von der Welt.«

»Ja. Flugh?fen, Hotels und Konzerthallen.« Jetzt lacht Daniel nicht einmal mehr unfr?hlich. Caro schaut ihn erstaunt an.

»Aber – mit dir und Aurora ist noch alles in Ordnung, oder?«

»Ja, ja«, beeilt Daniel sich zu sagen, »alles in Ordnung. Aber es ist eben auch ein anstrengender Lebensstil, und Aurora ist keine einfache Frau. Du kennst sie ja.«

»Hm, ich glaube, ich weiss was du meinst. Trotzdem – irgendwie passt ihr gut zusammen.«

Daniel schaut Caro nachdenklich an, sagt aber erst einmal nichts, sondern nippt an seinem Bier.

»Und bei dir und dem Tierarzt«, will er dann doch wissen, »alles gut?«

»Ja. Alles gut. Oder: fast alles.«

»Fast alles? Ich dachte, ihr seid Mr und Mrs Happy.«

»Waren wir auch. Aber seit ein paar Wochen arbeitet seine Mutter als Krankheitsvertretung f?r die Sprechstundenhilfe in seiner Praxis – und die macht mich echt wahnsinnig.«

»Echt? Aber du bist doch w?hrend der Sprechzeiten gar nicht da.«

»Richtig. Aber ihr Engagement beschr?nkt sich leider nicht darauf, Marc zu assistieren, sondern sie scheint auch noch f?r den TitelSuperhausfrau des Jahres zu kandidieren. Bleibt auch nach Sprechstundenende, kocht abends warm, macht mit Marcs Tochter die Hausaufgaben und hat st?ndig Verbesserungsvorschl?ge f?r mein Leben an der Seite ihres tollen Sohnes.«

»Hoppla! Kann es sein, dass sich da ein bisschen Frust angesammelt hat?«