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»He, ist ja schon gut! Ich möchte nur nicht, dass du morgen einen Kater hast.«

In welchem Zusammenhang steht denn Herr Beck nun wieder mit dem Hühnchen? Ich sag mal, wie es ist: Für meinen Geschmack wird heute Abend entschieden zu viel geredet. Und das ist alles Ninas Schuld. Dabei sah alles so gut aus - ohne die dumme Kuh hätte Daniel bestimmt wieder nach Carolins Hand gegriffen, vielleicht hätten sich die beiden sogar schon geküsst. Ich beschließe, in den weiteren Verlauf des Abends einzugreifen. Aber erst, nachdem ich endlich auch etwas zu fressen bekommen habe!

Daniel, der alte Hundefreund, bereitet tatsächlich einen kleinen Teller für mich vor. Feinstes Hühnerfleisch, ohne Knochen, ohne Sehnen. Es riecht himmlisch, aber auch ein wenig ungewohnt. Das liegt bestimmt an der roten Flüssigkeit, die Carolin nicht nur in die andere Flasche, sondern auch reichlich in den Bräter gegossen hat. Ob das der Alkohol ist? Und warum soll der schädlich sein? Oder ist das genau das Zeug, das Carolin ins Krankenhaus befördert hat? Ach, egal, Appetitt siegt über Misstrauen, und nach dem ersten Bissen bin ich wie verzaubert, so grandios schmeckt es. Ich muss mich sehr beherrschen, nicht einfach alles in mich hineinzuschlingen. Nach fünf Happen ist der Traum leider vorbei, ordentlich lecke ich meinen Teller ab, um nur ja keinen Tropfen der köstlichen Sauce zu vergeuden.

Den anderen schmeckt es leider genauso gut, ein Nachschlag ist also illusorisch. Macht aber nichts, denn nun startet die Aktion Freiheit für Carolin und Daniel. Ich flitze aus der Küche zur Garderobe und schnappe mir meine Leine. Mit dieser im Maul renne ich zurück und mache direkt vor Nina Männchen. Sie guckt mich erstaunt an.

»Willst du etwa mit mir Gassi gehen?«

Aber natürlich! Zur Bestätigung hüpfe ich auf und ab.

»Och nö, ich sitze hier gerade so schön. Frag doch lieber dein Frauchen - oder noch besser, frag doch mal den Onkel Daniel.« Sie grinst Daniel an.

»Verstehe, ihr wollt noch ein bisschen Hardcore-Frauengespräche führen. Na komm, Herkules, dann drehen wir eine Runde um den Block.«

Nein! Auf keinen Fall! Das ist doch das genaue Gegenteil von dem, was ich wollte! Schnell lasse ich die Leine fallen und renne aus der Küche. Leider deutet Daniel dies völlig falsch und kommt mit der Leine hinter mir her Richtung Wohnungstür. Ich knurre kurz, aber es hilft nichts: Daniel zieht sich seine Jacke über, dann leint er mich an und zwei Minuten später stehen wir auf dem Bürgersteig vor dem Haus. Wortlos marschieren wir los. Als wir im Park ankommen, räuspert sich Daniel.

»Wahrscheinlich ist es komisch, sich ausgerechnet mit einem Hund darüber zu unterhalten - aber du bist momentan der einzige Mann in der Nähe, und ich muss dringend meinen Frust loswerden. Denn wenn ich ehrlich bin, habe ich mir den heutigen Abend etwas anders vorgestellt. Romantischer. Inniger. Und vor allem: zweisamer. Was in aller Welt hatte Nina denn bei unserer Verabredung zu suchen? Kannst du mir das mal erzählen, Herkules?«

Ich schüttle den Kopf und hoffe, dass Daniel diese Meisterleistung an Kommunikation Hund - Mensch erkennt.

»Ach, ich weiß auch nicht - ich dachte, irgendwie sei da mittlerweile mehr zwischen Carolin und mir. Aber offensichtlich war sie heute Abend ganz froh über Ninas Spontanbesuch.«

Ich belle kurz.

»Oder nicht? Aber warum hat sie dann nichts gesagt?«

Betrübt lasse ich die Ohren hängen. Das, mein lieber Daniel, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich finde auch, dass sie Nina hätte vor die Tür setzen können. Schweigend laufen wir nebeneinander her.

»Aber es ist wahrscheinlich meine eigene Schuld. Ich muss deutlicher zeigen, dass Carolin für mich mehr als nur eine Kollegin und Freundin ist. Sonst wird sie mich ewig nur für den netten Kumpel Daniel halten. Ich muss endlich handeln.«

Eine gute Idee! Ich wäre jedenfalls schwer dafür und springe deswegen kurz an Daniels Bein hoch.

»Das glaubst du auch, was?« Er sieht sich um, dann lacht er auf. »Ob mich jemand dabei beobachtet, wie ich Männergespräche mit einem Dackel führe? Und ob man deswegen eingewiesen werden kann? Sieht bestimmt ziemlich gaga aus.

Egal. Wir drehen noch unsere Runde zu Ende, dann werde ich meinen neuen Entschluss in die Tat umsetzen.«

Das ist doch mal ein Wort! Sofort lege ich einen Zahn zu. Ab nach Hause!

Wieder in der Wohnung, ist Nina endlich gegangen. Carolin räumt die Küche auf und begrüßt uns fröhlich.

»Da seid ihr ja wieder! Hat dir der Spaziergang gefallen, Herkules? War für dich bestimmt ein langweiliger Abend - zu viel Gerede, oder? Aber dass dir mein Hühnchen geschmeckt hat, freut mich natürlich.«

»Mir hat es übrigens auch sehr gut geschmeckt. Nochmals vielen Dank für die Einladung. Wollen wir noch ein Glas Wein trinken?«

»Ja, warum nicht. Ich bin allerdings schon ziemlich müde. Spät wird's bei mir heute nicht.«

Sie holt zwei neue Gläser aus dem Küchenschrank und stellt sie neben die Flasche, die noch auf dem Küchentisch steht. Daniel gießt ein und gibt Carolin ein Glas.

»So, bitte schön. Auf unseren Kochabend zu zweit!«

Beide lachen.

»Hm, offensichtlich war Nina wild entschlossen, alle unsere Hinweise zu ignorieren. Aber sie hat sich so in diese Tierarzt-Geschichte verrannt, da brauchte sie heute ganz dringend seelischen Beistand. Tut mir leid, ich hatte mir den Abend auch anders vorgestellt.«

»Schon in Ordnung, mit weiblicher Solidarität kann ich leben. Ich hatte schon befürchtet, dir wäre Ninas Besuch ganz recht gewesen.«

Carolin schüttelt den Kopf und gähnt. »Auf keinen Fall. Aber jetzt muss ich wirklich ins Bett. Habe morgen einen Auswärtskundentermin - und das leider schon um acht Uhr. Lass uns mal einen neuen Termin für unser Kochevent suchen - und das findet dann an einem geheimen Ort statt.«

Sie steht auf, Daniel ebenfalls. Na super, so viel zum Thema ich muss mal handeln. Jetzt geht Daniel nach Hause und passiert ist immer noch nichts. Was für eine Pleite. Damit brauche ich mich bei Herrn Beck nicht blicken zu lassen. Er hatte eben doch Recht. Daniel ist echt zu nett. Und zu lahm.

Die beiden stehen im Flur, und Carolin öffnet Daniel die Tür. Einen kurzen Moment lang sieht es so aus, als würde er an ihr vorbeigehen, doch dann zögert er - und schließt die Tür wieder.

»Du, Carolin, ich muss dir etwas sagen. Ich, äh, nein, ich muss etwas machen.«

Dann legt er seine Hände auf ihre Schultern, zieht sie zu sich heran und - küsst sie. Auf den Mund. Genauso schnell wie das passiert ist, lässt er sie dann wieder los, murmelt ein undeutliches Tschüss und verschwindet.

FÜNFZEHN

Mist! Eigentlich wollte ich Herrn Beck sofort vom gestrigen Abend erzählen. Ich hatte mich schon auf seinen Gesichtsausdruck gefreut, wenn ihm klar würde, dass ich doch Recht hatte. Aber daraus wird nun leider nichts. Denn anstatt morgens gemütlich in die Werkstatt zu trotten und mich dann in den Garten zu verkrümeln, laufe ich hinter einer Carolin her, die einen großen Koffer vor sich her trägt und es offensichtlich sehr eilig hat. Jetzt wirft sie mir einen Blick über die Schulter zu.

»Komm, Herkules, gib Gas! Nicht mit jedem Baum Freundschaft schließen!«

Sie zieht mit Nachdruck an meiner Leine, und das mag ich nun gar nicht. So nicht. Nicht mit mir. Aus Protest setze ich mich erst einmal hin.

»Herkules, was soll denn das? Komm schon, wir sind spät dran. Ich muss dieses Ding pünktlich abliefern.«

Wieder ein Ziehen. Ich lege den Rückwärtsgang ein. Carolin schnaubt genervt und stellt den großen Kasten ab.

»Du bist ein ungezogener Dackel! Frauchen muss arbeiten, damit sie für dich Fleischwurst kaufen kann. Wir haben einen Termin, die Leute warten auf uns.«