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»Hey, Kleiner, nun hau doch nicht gleich ab! Das war nicht böse gemeint!«, ruft mir Beck hinterher, aber ich tue so, als ob ich ihn nicht höre und trotte weiter. Beck kommt hinterher. »Ich mag Daniel doch auch gerne, aber man muss doch mal Realist bleiben. Hey, jetzt bleib doch stehen, Herkules!« Ich bin schon fast an der Terrassentür. »Carl-Leopold! Es tut mir leid!«

Okay, scheint ihm doch ernster zu sein. Ich bleibe stehen. Soll keiner sagen, ich wäre verbohrt und nachtragend. Herr Beck läuft um mich herum und setzt sich vor mich.

»Ich wollte dich nicht kränken. Wenn du all diese Menschen so in dein Herz geschlossen hast, ist es natürlich deine Sache. Bestimmt mögen die dich auch richtig gerne. Vielleicht bin ich nur ein bisschen neidisch.«

Ich lege den Kopf schief. Gut, das klingt doch schon besser.

»Aber bei einem bleibe ich: Wenn Carolin nicht in Daniel verliebt ist, dann können wir beide das auch nicht ändern. Das menschliche Herz ist da wenig zu beeinflussen und rationalen Erwägungen nur sehr bedingt zugänglich. Will sagen: Auch wenn wir beide wissen, dass Daniel ein Super-Typ für Carolin wäre, können wir in diesem Fall wenig ausrichten. Und wenn wir noch so viele Gelegenheiten schaffen, in denen die beiden allein sind.«

Hm, das klingt nun wieder sehr einleuchtend. Trotzdem will ich noch nicht aufgeben.

»Ja, aber wir wissen doch noch gar nicht, ob Carolin nicht doch verliebt ist. Und deswegen dachte ich, wir müssen es wenigstens noch mal probieren. Wenn es dann nicht klappt, strecke ich die Waffen, versprochen!«

Herr Beck seufzt. »Mann, bist du hartnäckig. Ich finde, all diese Beinahe-Verabredungen mit Schauspielern und Tierärzten sprechen zwar extrem dagegen - aber meinetwegen. Starten wir noch einen Versuch. Wie ist der Plan?«

»Ich habe noch keinen«, räume ich etwas kleinlaut ein. »Deswegen habe ich dich ja gefragt. Weil du doch so ein Stratege bist.«

Herr Beck grinst und streckt sich ganz lang vor mich hin. »Ja, das bin ich. Ich werde drüber nachdenken.«

In der Werkstatt ist heute nicht viel los. Daniel und Carolin stehen mehr oder weniger schweigend an ihren Tischen und schrauben und hobeln an irgendwelchen Holzstücken rum. Langweilig. Und außerdem habe ich das Gefühl, dass die Stimmung zwischen den beiden nicht mehr spannend, sondern eher angespannt ist. Carolin hat Daniel heute noch kein einziges Mal richtig angesehen - während er sie umgekehrt immer verstohlen mustert, wenn er denkt, dass sie es nicht sieht. Sehr komisch. Vielleicht hat Beck Recht, und wir sollten unseren Plan einmotten, bevor wir ihn richtig entwickelt haben.

Daniel räuspert sich. »Du, Carolin«, Daniel kommt hinter seinem Tisch hervor und geht auf Carolin zu. Aha! Endlich kommt hier mal Fahrt in die Sache!

»Ja?«

»Äh, hast du da drüben noch Collophonium liegen? Ich finde hier gerade keins mehr.«

Argh! Was soll das denn? Collophonium? Ich weiß zwar nicht, was das ist, bin mir aber ziemlich sicher, dass es kein Codeword für »Ich liebe dich, darf ich dich bitte küssen?« ist.

»Ja, habe ich noch. Hier.«

Klonk! Mit einem dumpfen Scheppern fällt ein kleiner durchsichtiger brauner Block aus dem Döschen, das Carolin Daniel gerade gereicht hat, ohne richtig hinzusehen. Nun liegt beides auf dem Boden. Carolin kniet sich hin, um Block und Döschen aufzuheben. Auch Daniel bückt sich. Einen Moment lang sind sich beide ganz nah. Fast Gesicht an Gesicht. Los! Daniel! Tu was!, würde ich am liebsten laut rufen. Leider bleibt mir natürlich nichts anderes übrig, als es sehr laut zu denken. Und tatsächlich, sie funktioniert, die Telepathie zwischen Dackel und Mann: Daniel greift nach Carolins Hand und hält sie fest.

»Carolin, stimmt etwas nicht?«

Carolin schaut Daniel kurz an, dann blickt sie wieder zu Boden.

»Nein, wieso?«, murmelt sie.

 »Du weichst mir aus.« »Gar nicht, das bildest du dir ein.«

»Ist es wegen neulich?« »Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Komm schon, lass uns wenigstens drüber reden: Ist es, weil ich dich geküsst habe?« »Nein, also, ich ...«

Daniel seufzt. »Ich wusste es. Ich wusste, dass das ein Fehler war.«

Daniel lässt Carolins Hand los und setzt sich neben sie auf den Boden. Einen Moment lang schweigen beide, dann knufft Daniel Carolin in die Seite.

»He, Carolin. Komm, nimm es nicht so schwer. Du musst mir nichts erklären. Es ist völlig in Ordnung. Es war der Moment, du sahst toll aus, und ich war schon ein bisschen beduselt. Da konnte ich nicht anders.«

Carolin nickt. »Ja, es war ein sehr schöner Moment. Aber jetzt...«

»Jetzt bei Tageslicht sieht die Sache irgendwie anders aus, ich weiß«, beendet Daniel ihren Satz. »Und du fragst dich, ob das so eine gute Idee ist, mit mir, deinem Kumpel und Partner.«

Carolin nickt.

»Nein, ist es vermutlich nicht«, fährt Daniel fort. »Obwohl es eine sehr schöne Vorstellung war, du und ich ein Paar. Jedenfalls für einen Augenblick.«

»Und du bist nicht sauer auf mich?«

»Nee, die gleichen Gedanken hatte ich auch schon. So, und jetzt hör sofort auf, weiter so bedröppelt hier rumzuschleichen. Das ist ein Befehl!«

Daniel lacht, und schließlich, wenn auch ein wenig zögerlich, lacht Carolin auch.

Ich hingegen könnte eher heulen. Mein schöner Plan! Na ja, Fast-Plan! Dabei wäre es so toll gewesen, mit Daniel und Carolin als Herrchen und Frauchen. Eine richtige kleine Familie. Und das Schlimmste ist: Jetzt geht die Sucherei wieder von vorne los, und die Gefahr, dass wir uns dabei so einen Idioten wie Thomas einfangen, ist alles andere als gebannt. Dabei war ich mir wirklich sicher, dass Daniel der perfekte Mann für Carolin ist. Ach, was heißt hier »war« - ich bin mir sicher, dass er es ist. Aber da hat Herr Beck schon Recht: Wenn Carolins Herz das nicht irgendwann von allein einsieht, dann hat es keinen Sinn. Mit gesenktem Kopf schleiche ich wieder Richtung Terrassentür, um Beck von meiner Niederlage zu berichten. Wenn er wirklich mein Freund ist und die Entschuldigung eben ernst gemeint war, wird er mich vielleicht trösten.

Bevor ich allerdings draußen bin, läutet es an der Werkstatttür. Eigentlich renne ich dann immer gerne nach vorne und begrüße die Besucher, aber meine Laune ist so im Keller, dass ich mich selbst dazu nicht recht aufraffen kann. Ist wahrscheinlich wieder die blöde Aurora, die mit Daniel flirten will. Es klingelt noch einmal, und natürlich bin ich doch ziemlich neugierig. Andererseits scheint draußen so schön die Sonne und die Vorstellung, unter meinem Baum zu liegen und Herrn Beck mein Leid zu klagen, während das Gras an meinem Bauch kitzelt, ist auch verlockend. Schließlich aber siegt die Neugier, und ich renne Richtung Tür.

Carolin hat sie schon geöffnet. In unserem Flur steht ein Mann mit brauner Uniform und drückt Carolin ein Päckchen in die Hand.

»Sind Sie Frau Neumann? Dann brauche ich hier Ihre Unterschrift.«

Carolin stellt das Päckchen auf den Boden, um zu unterschreiben. Neugierig schnüffele ich daran. Hmh, riecht irgendwie lecker. Was mag da drin sein? Als Carolin das Päckchen zu ihrem Tisch im Werkraum trägt, laufe ich hinterher.

»War das für dich?«, will Daniel wissen.

»Ja.«

»Was ist es denn?«

»Keine Ahnung. Ich habe nichts bestellt.« »Von wem ist es denn?«

»Mal sehen - es ist von ...«, sie stockt, »es ist von Jens Uhland.«

Daniel zuckt mit den Schultern. »Kenne ich nicht. Ein Kunde?«