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»Herkules? Alles klar da unten!«

Hallelujah! Er hört mich!

»Nein! Ich stecke fest!«

»Wie bitte? Ich kann dich kaum verstehen.«

»ICH STECKE FEST!«

Hustenreiz, ich muss würgen. Los, Herr Beck, tu was!

»Mist. Ich hab's ja geahnt. Diese Kaninchennummer war eine echte Schwachsinnsidee. Wie kriegen wir dich da jetzt bloß raus?« Er schweigt. »Bist du sehr tief unten?«

»Nein, geht so. Der Tunnel verläuft relativ weit oben.«

»Ich schaue mal, ob ich irgendwo Hilfe finde.«

»Nein, bitte lass mich nicht allein! Ich habe Angst!«

»Ich muss jemanden suchen, der dich ausgraben kann. Am besten einen Menschen. Anders wird's nicht gehen, ich selbst schaffe das garantiert nicht. Bleib ganz ruhig, sonst verbrauchst du zu viel Luft. Und versuch dich zu entspannen.«

Entspannen? Sehr witzig. Da möchte ich mal sehen, wie entspannt Herr Beck an meiner Stelle wäre. Aber er hat natürlich Recht. Wir brauchen Hilfe.

»Okay, aber beeil dich!«

»Klar, ich mach so schnell ich kann. Halte durch!«

Wahrscheinlich ist Herr Beck erst seit ein paar Minuten unterwegs, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Es ist ganz still hier unten, totenstill. Ich habe furchtbare Angst, versuche aber, Becks Rat zu befolgen und ruhig zu bleiben. Wieso war ich nur so blöd und habe mich in diese Lage gebracht? Beck hatte völlig Recht. Und ich bin ein Idiot. Für die Jagd jedenfalls komplett ungeeignet. Wie Opili immer sagte: Leidenschaft ist ein sehr schlechter Ratgeber. Und falscher Stolz auch. Wieso beschränke ich mich nicht darauf, ein niedliches Haustier zu sein? Ab und zu mal ein Zipfel Fleischwurst. Vielleicht mal einer Taube hinterherjagen. Nichts Gefährliches. Lieber Dackelgott, falls es dich gibt, bitte mach, dass Herr Beck jemanden findet, der mir hilft. Ich verspreche, ich werde fortan immer an der Leine gehen, nie mehr nachts aus der Wohnung ausbüchsen und überhaupt der bravste Hund der Welt werden. Und keinem Kaninchen mehr nach dem Leben trachten.

Direkt über mir höre ich auf einmal ein dumpfes Dröhnen. Menschliche Schritte! Das muss einfach die Rettung sein! Mein Gebet an den Dackelgott wurde offenbar erhört, und Herr Beck hat jemanden gefunden.

»Hey, Herkules! Du glaubst nicht, wenn ich mitgebracht habe!«

Dies ist definitiv nicht der Moment für Rätselspiele, aber ich verkneife mir diese Bemerkung und bin eigentlich auch schon zu schwach, um noch laut zu rufen.

»Willi. Ich habe Willi gefunden. Er hat zwar ziemlich auf uns beide geschimpft, aber trotzdem ist er noch einmal mitgekommen. Belle noch einmal, damit er kapiert, was wir von ihm wollen.«

Ich nehme all meine Kraft zusammen und belle, so laut ich kann.

»Ach so!«, höre ich Willis tiefe Stimme von oben brummen. »Dein kleiner Freund steckt da unten fest, richtig?«

Ich kann zwar nicht sehen, was Herr Beck jetzt macht, aber ich hoffe doch sehr, er bestärkt Willi irgendwie in dieser Annahme.

»Dann will ich mal versuchen, ihn da auszugraben. Hoffe, er ist nicht zu tief, ohne Schaufel, nur mit bloßen Händen wird das schwierig.«

Es wummert noch mal ordentlich über mir, Willi scheint sich hingekniet zu haben. Erst höre ich eine ganze Weile nichts mehr, dann beginnt die Erde über mir wieder zu beben. Willi gräbt. Dackelgott sei Dank!

Ich höre Willi ächzen und stöhnen, das Graben scheint für Menschen ziemlich anstrengend zu sein. Kein Wunder, so ohne Krallen ist es bestimmt nicht leicht, die Erde zur Seite zu schaffen. Aber das Beben kommt immer näher und ab und zu fällt jetzt auch ein wenig Erde von der Höhlendecke auf meine Nase.

»Mensch, da haste dir ja ein prima Plätzchen für deinen Ausflug unter Tage ausgesucht! Die Erde hier ist so was von lehmig - richtig anstrengend ist das!«, flucht Willi. Dann sagt er nichts mehr, sondern gräbt still weiter.

»Geht's noch, Herkules?«, will Herr Beck wissen.

»Ja!«, rufe ich knapp, denn inzwischen bekomme ich kaum noch richtig Luft.

»Du kannst echt froh sein, dass Willi auf seinem Stammplatz saß und noch nicht allzu viel Bier intus hatte. Hat gar nicht so lange gedauert, ihm klarzumachen, was ich will.«

Gerade als ich Herrn Beck antworten will, dass es bei aller Schnelligkeit für mich trotzdem langsam eng wird, spüre ich einen Luftzug an meiner Rute.

»Endlich!«, ruft Willi. »Ich habe den Tunnel. So, gleich ist es geschafft!«

Ich kann zwar noch nichts sehen, aber Willi ist bereits an meinem Hinterteil angelangt. Ich höre sein Schnaufen und Prusten fast direkt hinter meinem Nacken. Jetzt hat er meine Hinterläufe komplett freigelegt und streicht mir über den Rücken.

»Mönsch, mein Lieber, du machst Sachen. Jetzt grabe ich noch vorsichtig dein Köpfchen frei, dann hast du es geschafft.«

Immer mehr Erde fällt auf meine Nase, aber weil ich weiß, dass das an Willi liegt, der direkt neben meiner Schnauze gräbt, bleibe ich ruhig. Da! Willi hebt die Decke von der Höhle, und ich bin endlich befreit. Ich schüttle mich und schaue nach oben. Oha! Ich sitze doch in einer ziemlich tiefen Grube. Vorsichtig hebt mich Willi hoch und setzt mich an den Rand des großen Loches, das er für mich gebuddelt hat. Dann klettert er selbst raus und setzt sich neben mich.

»So, Willi braucht mal eine Verschnaufpause. Mir ist direkt ein bisschen schwindelig von der ganzen Anstrengung. Bin ja nichts mehr gewohnt in meinem Alter, ha, ha!«

Herr Beck kommt zu uns rübergetrabt, und so hocken wir zu dritt unter dem funzeligen Licht der etwas entfernt stehenden Parklaterne.

»Da hast du Glück gehabt, dass dein Kumpel mich gefunden hat, mein Freund. So wärst du nicht mehr rausgekommen. Puh, bin ich schlapp. Bisschen schlecht ist mir. Na ja, kein Wunder, untrainiert wie ich bin.« Willi streicht sich mit einer Hand durch sein wirres Haar. Dann holt er tief Luft und starrt in die Ferne. »Aber jetzt wird's doch komisch. Und schlecht ist mir auf einmal. Ich fühle mich so ...« Er lässt den letzten Satz in der Luft hängen - und kippt zur Seite ins Gras. Dort bleibt er liegen. Ach du Schreck! Nicht auch noch das!

»Was ist los mit ihm?«

»Was auch immer es ist, es sieht nicht gut aus.« Herr Beck geht näher an Willi heran und stupst ihn mit der Pfote im Gesicht an. Der regt sich nicht. »Mist, Willi, mach nicht solche Sachen!«

Ich laufe ebenfalls herum, überlege kurz und springe dann auf Willis Oberkörper. Wenn er darauf nicht reagiert, ist es ernst.

Es ist ernst: Selbst als ich nach vorne laufe und Willi übers Gesicht schlecke, rührt er sich nicht. Dafür atmet er ganz schnell und unregelmäßig. Ich merke, dass ich panisch werde.

»Beck, ich glaube, Willi geht es sehr schlecht. Was machen wir jetzt bloß?«

»Scheiße!«, entfährt es Beck. »Das ist alles deine Schuld! Wärst du nicht in den blöden Bau, und hätte Willi dich nicht ausgraben müssen, dann läge er nicht hier. Das war offenbar zu viel für ihn. Wir brauchen dringend Hilfe!«

Ich lasse die Ohren hängen. Beck hat Recht. Es ist alles meine Schuld. Und weit und breit ist niemand zu sehen.

»Waren da eben noch andere Menschen?«, frage ich Herrn Beck, doch der schüttelt nur den Kopf.

»Keine Menschenseele. Nicht mal Liebespärchen. Einfach niemand.«

Willi gibt ein klägliches Stöhnen von sich. Denk nach, Carl-Leopold, denk nach. Wer kann jetzt helfen? Dann endlich der Geistesblitz.

»Ich hab's!«, belle ich aufgeregt. »Ich habe Willi in diese Lage gebracht - ich hole ihn auch wieder raus. Du bleibst neben ihm, damit er nicht so allein ist. Bis gleich!«

Und bevor Herr Beck noch etwas sagen kann, sause ich auch schon los.