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Ich bin wirklich fassungslos. Und das von Carolin - das hätte ich nie gedacht.

»So, jetzt beruhig dich mal, Kleiner. Du hast das falsch verstanden. Natürlich weiß Carolin noch, wie sie heißt.«

Der hält mich wohl auch für blöd. Ich weiß doch, was ich gehört habe!

»Nein, nein, nein! Sie hat wörtlich gesagt: Ich muss herausfinden, wer ich eigentlich bin. Wörtlich, Herr Beck, wörtlich! Ich hab's doch nicht auf den Ohren.«

Da kommt mir plötzlich ein ganz neuer Gedanke: Vielleicht geht es der armen Carolin ja wie mir? Und sie ist auch irgendwie nicht so wirklich reinrassig? Oder wie auch immer das bei Menschen heißt, wenn man seinen Vater nicht kennt? Vor dem Hintergrund ist es natürlich einleuchtend, dass sie bei der Partnerwahl nun extrem vorsichtig ist. Sie kann dann ja gar nicht genau wissen, wer besonders gut zu ihr passen würde. Aber als ich Beck diese neue Theorie erläutere, lässt der sich japsend vor Lachen zu Boden fallen.

»Herkules, du bist einmalig! Nu sieh doch endlich mal ein, dass es ein paar grundlegende Unterschiede zwischen Menschen und Hunden gibt. Menschen sind denkende Wesen!«

Na, schönen Dank auch! Als ob ich nicht denken würde! Ich knurre ein bisschen.

»War klar, dass du das wieder in den falschen Hals kriegst und beleidigt bist. Natürlich denken wir auch. Aber der Mensch - oder besser: der ein oder andere Mensch - ist selbstreflektiert. Will heißen: Er denkt ständig über sich selbst nach. Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?«

»Also, das klingt jetzt noch nicht so besonders, muss ich dir sagen.«

»Ich meine doch im übertragenen Sinne! Carolin will wissen, was sie als Mensch ausmacht. Was sie von anderen unterscheidet. Was für sie selbst wichtig ist. Solche Sachen eben.«

Herrje, ich komme immer wieder auf meine Ausgangsthese zurück: nämlich, dass der aufrechte Gang nicht gut für das Gehirn ist.

»Wie schade, dass ich nicht mit Menschen sprechen kann. Sonst würde ich Carolin einfach sagen, was das Besondere an ihr ist, und sie müsste nicht länger darüber nachdenken. Es liegt doch auf der Hand: Sie ist ein lieber Mensch. Sie macht sich Gedanken um die anderen Menschen in ihrer Umgebung, um Nina und Daniel, sogar um Marc. Und um Tiere macht sie sich auch Gedanken, sonst hätte sie mich nicht aus dem Heim geholt. Also, ich finde, das reicht. Mehr muss sie doch nicht über sich wissen, um sich gut zu fühlen. Jetzt braucht sie dann nur noch den richtigen Mann, und alles ist gut. Wenn sie da allerdings so weitermacht, sind wir bald alle Kandidaten los und können von vorne anfangen. Diesmal denke ich mir dann aber eine andere Masche aus.«

Herr Beck seufzt. »Ne, glaube mir, Herkules. Solange Carolin das Gefühl hat, sich selbst finden zu müssen, können wir die tollsten Typen anschleppen - es wird nichts nützen. Offenbar können manche Menschen nur gut zu zweit sein, wenn sie auch gut allein sein können. Und dafür braucht Carolin wahrscheinlich wirklich Zeit. Fassen wir uns also in Geduld.«

»Ich hoffe, du hast zur Abwechslung mal Unrecht. Aber eine Chance gibt es noch: Jens. Zumindest war unser Ausflug an den Fluss einfach wunderschön, vielleicht wird es doch etwas mit den beiden.«

»Ja, vielleicht.« Herr Beck nickt bedächtig - aber sein Blick verrät, dass er nicht daran glaubt.

ZWEIUNDZWANZIG

»Kannst du mir mal einen vernünftigen Grund nennen, warum du mir das nicht erzählt hast?« Daniel klingt sauer. »Ich verstehe dich nicht, Carolin. Wir haben hier neulich gesessen, und ich war ganz ehrlich zu dir. Da hätte ich wohl von dir das Gleiche erwarten können, findest du nicht?« Er ist richtig sauer.

Dabei hat der heutige Tag eigentlich ganz harmlos begonnen. Als wir nach unten in die Werkstatt kommen, steht dort ein großer Blumenstrauß auf Carolins Werkbank. Carolin freut sich - bis sie Daniel sieht, der mit mürrischem Gesicht an seinem eigenen Tisch steht. Und dann geht es ganz schnelclass="underline" Denn es stellt sich heraus, dass der Strauß von Jens stammt. Und das Daniel eifersüchtig ist. Sehr eifersüchtig. »Ich wollte dich eben nicht verletzen.« »Na, Glückwunsch. War 'ne super Idee. Falls es dich interessiert: Jetzt hast du mich richtig verletzt. Wenn du mir damals gleich gesagt hättest, dass du dich für jemand anderen interessierst, dann wäre es für mich viel leichter gewesen. Aber nun fühle ich mich wie der Riesendepp.«

Carolin schluckt. »Aber warum denn? Ich hab doch nur ...«

»Weil ich mir einen abgebrochen hab von wegen ist vielleicht keine so gute Idee mit uns und ist vielleicht besser so. Hab den Verständnisvollen gegeben. Mann, was bin ich blöd! Ich darf gar nicht daran denken, da wird mir schlecht.«

»Also nun beruhige dich mal wieder - ganz so war das schließlich nicht. Ich fand unser Kochen auch schön. Und dass ich mir mehr nicht vorstellen konnte, hat überhaupt nichts mit Jens zu tun. Den hatte ich da genau einmal gesehen. Was hätte ich dir denn da groß erzählen sollen? Da war doch überhaupt nichts.«

»Nun tu doch nicht so, du weißt genau, was ich meine. Ich hatte keine Chance. Und das hätte ich gerne gewusst. Ich dachte, wir sind Freunde.«

Auf Carolins Wangen bilden sich kleine rote Flecken. »Natürlich sind wir Freunde! Und ich kann mir auch vorstellen, dass die Situation für dich schwer ist. Aber für mich ist sie es auch, und ich finde nicht, dass ich hier die Böse bin!«

»Das habe ich auch nicht behauptet.«

»Hast du nicht? Finde ich aber doch.«

»O Mann, was für eine Scheiße!« Daniel haut mit seiner Faust so laut auf den Tisch, dass ich vor Schreck einen Satz unter die Werkbank mache. Dann rennt er von seinem Tisch weg, aus dem Raum hinaus und knallt hinter sich die Türe zu. Carolin und ich bleiben zurück. Sie beugt sich zu mir und holt mich unter der Werkbank hervor.

»Ganz schön laut, nicht?« Sie streichelt mich. »Tja, sieht so aus, als wären langsam alle meine Freunde sauer auf mich. Gut, dass ich dich noch habe.«

Ich schaue Carolin mit großen Augen an. Es ehrt mich natürlich, dass ich ihr als Freund genauso wichtig bin wie Daniel und Nina. Trotzdem hoffe ich, dass sich hier schnell alles wieder einrenkt. Ich bin doch eher für Harmonie zu haben. Carolin scheint meine Gedanken lesen zu können.

»Mach dir keine Sorgen. Ich verspreche dir, dass wir uns alle wieder vertragen werden. Und damit das möglichst schnell passiert, rufe ich jetzt auch mal die Nina an und verabrede mich mit ihr. Was meinst du, guter Plan?« Ich wedele mit dem Schwanz. »Aha. Guter Plan. Sehr schön, dann wird's so gemacht.«

Offensichtlich hat Nina auch das dringende Bedürfnis, mit Carolin zu sprechen. Denn kaum hat Carolin sie angerufen, da sind wir schon unterwegs in unser Stammcafe um die Ecke. Als wir eintrudeln, ist Nina schon da und winkt uns zu. Recht freundlich, wie ich mir einbilde.

»Hallo, Nina! Schön, dass es so spontan klappt«, begrüßt Carolin sie.

»Ja, glückliche Fügung. Mir waren auch gerade zwei Patienten ausgefallen. Als du anriefst, dachte ich mir: Das Schicksal will, dass wir endlich miteinander reden.«

Beide lachen. Na, das sieht doch wirklich nach einer Versöhnung aus. Die Kellnerin kommt an unseren Tisch.

»Ich weiß nicht, wie es dir geht. Aber ich finde, unser Treffen verlangt nach zwei Gläsern Sekt.«

Nina nickt. »Genau. Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Bringen Sie uns bitte zwei Gläser?«

Mir bitte auch eins!, würde ich gerne sagen. Denn wenn das etwas Besonderes ist, hätte ich es auch gerne probiert. Aber so bleibt mir gleich lediglich ein Gang zum Hundetrinknapf, den es in diesem Café netterweise gleich an der Tür gibt.