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»Okay, dann machen wir das. Ich weiß allerdings nicht, warum du jetzt beleidigt bist. Ich meine, ist doch noch gar nichts passiert. Was allerdings sehr schade ist.« Jens grinst, Carolin guckt ihn sehr böse an.

Wir fahren im offenen Wagen zurück. Meine Ohren wehen im Wind, was ein sehr schönes Gefühl ist. Ansonsten fühlt sich gerade gar nichts gut an. Ich komme mir wie ein Riesenidiot vor. Mit diesem Mann wollte ich Carolin verkuppeln. Unfassbar! Ich habe anscheinend überhaupt keine Menschenkenntnis. Gut, Carolin auch nicht, aber das ist nur ein schwacher Trost.

Vor dem Haus hält Jens an. Carolin will sich gerade verabschieden, da beugt sich Jens nach vorne und rückt ihr ziemlich nah auf die Pelle.

»Carolin, jetzt mal im Ernst. Du und ich - das knistert doch richtig. Lass es uns doch wenigstens mal versuchen. Ich will ehrlich sein - ich habe richtig Lust auf dich. Dass du dich jetzt ein bisschen sträubst, macht die Sache nur noch interessanter.«

Carolin sagt nichts und greift nach dem Türgriff. Da packt sie Jens auf einmal, drückt sie wieder in den Sitz und fängt an, sie auf den Mund zu küssen. Carolin schreit auf und will ihn wegstoßen, aber Jens hält sie an den Händen fest und küsst sie weiter.

Ich bin völlig geschockt - das darf doch nicht wahr sein.

Der Schreck hält aber nicht lange an: Ich springe aus dem Fußraum hoch zu den beiden und beiße Jens in genau die Stelle, die schon beim letzten Mal Wunder bewirkt hat. Er brüllt und versucht, nach mir zu schlagen. Dabei muss er Carolin natürlich loslassen. Die nutzt den Moment, reißt die Tür auf, greift mich und springt aus dem Auto. Jens krümmt sich vor Schmerzen. Carolin schmeißt die Beifahrertür zu und läuft Richtung Haus, dann überlegt sie es sich aber anders und dreht sich noch einmal zum Auto.

»Einen schönen Gruß an Alexa. Sie soll sich keine Sorgen machen. Eine Tetanusimpfung hält meines Wissens locker zehn Jahre.«

VIERUNDZWANZIG

»Ah, da ist der Heldenhund!« Nina kommt auf mich zu, bückt sich und überreicht mir mit großer Geste ein Stück Fleischwurst. »Das hast du richtig gemacht, und ich hoffe, der Herr Uhland muss noch sehr, sehr lange an dich denken. Brav!«

Ich muss zugeben, dass ich diese Reaktion durchaus angemessen finde. Auch die Tatsache, dass ich letzte Nacht in Carolins Bett schlafen durfte, erscheint mir die passende Belohnung für einen mutigen Dackel wie mich. Zufrieden kaue ich auf der Wurst herum, während sich Nina noch einmal alle Details des Vorabends schildern lässt. Ab und zu stößt sie ein »Unfassbar!« oder »Gibt's doch nicht« aus, und immer wieder streichelt mich eine der beiden. Mittlerweile liege ich nämlich zwischen Carolin und Nina auf Carolins Sofa und habe alle viere von mir gestreckt. Herrlich! Ich liebe es, am Bauch gekrault zu werden! Das Leben kann so schön sein. Wahrscheinlich brauchen wir doch keinen Mann.

»Hast du das auch schon Daniel erzählt?«

»Nein, und ich glaube, das mache ich auch nicht. Wir haben uns zwar wieder vertragen, und er sagt, es sei okay. Aber trotzdem ist die Stimmung irgendwie angespannt. Da muss ich ihn nicht noch mit einer Schilderung meines grandios verunglückten Rendezvous behelligen.«

»Hm, stimmt. Aber das wird sich schon wieder einrenken, ganz sicher.«

In diesem Moment klingelt es an der Wohnungstür.

»Erwartest du noch Besuch?«

»Ne, ich hatte nur dich eingeladen. Komisch.«

»Vielleicht Fleurop mit einem Entschuldigungsstrauß von Herrn Uhland?«

»Um neun Uhr abends? Eher unwahrscheinlich. Außerdem hat der Typ mit Sicherheit kein Unrechtsbewusstsein.«

Es klingelt noch einmal. Carolin steht auf und geht zu dem Telefon, mit dem man hören kann, wer unten vor dem Haus steht.

»Hallo?«

Jetzt klopft es auch noch.

»Ich bin's, Daniel. Ich stehe schon vor deiner Tür.«

Carolin wirft Nina, die mittlerweile auch in den Flur gekommen ist, einen fragenden Blick zu, dann öffnet sie. Tatsächlich. Daniel. Allerdings sieht er irgendwie anders aus als sonst. Irgendwie - traurig. Und entschlossen.

»Hallo, Carolin. Entschuldige die späte Störung, aber ich muss unbedingt mit dir sprechen.«

Jetzt erst sieht er Nina. »Oh, hallo!«

»Hallo, Daniel! Alles in Ordnung bei dir?«

»Ja, klar. Ich muss allerdings etwas Wichtiges mit Carolin besprechen. Würde es dir etwas ausmachen, uns allein zu lassen? Ich weiß, das ist nicht gerade höflich, aber es ist wirklich wichtig.«

Ich merke, wie meine Nackenhaare anfangen, sich zu sträuben. Der Ton in Daniels Stimme verheißt nichts Gutes. Ähnliches scheint auch Nina zu denken. Sie schaut fragend zu Carolin.

»Ist schon okay, Nina.«

»Na gut, dann räume ich das Feld. Tschüss ihr beiden, bis bald.«

Als sie gegangen ist, hängt Daniel seine Jacke an die Garderobe und setzt sich auf das Sofa. Carolin folgt ihm, setzt sich aber in den Sessel gegenüber.

»Was gibt es denn so Wichtiges?«, will sie wissen.

»Ich will nicht lange darum herum reden: Ich werde im nächsten Monat für ein Vierteljahr verschwinden.«

»Was?«

»Ja. Aurora hatte mich schon vor einiger Zeit gefragt, ob ich sie auf einer Konzertreise begleiten würde. Ich soll dabei gleichzeitig Geigen prüfen, die ihr angeboten werden.«

»Du willst drei Monate mit Aurora verreisen? Das ist nicht dein Ernst!«

»Doch. Ich muss mal raus. Weißt du, ich habe gedacht, ich würde das schon hinkriegen. Das mit dir und mir. Aber ich habe mich geirrt. Ich schaffe es nicht, es tut mir zu weh, dich jeden Tag zu sehen. Und deshalb brauche ich Abstand.«

Carolin schluckt. »Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.«

»Es muss dir nicht leidtun, ich wusste es ja auch nicht. Außerdem kannst du nichts dafür, dass du nicht so verliebt in mich bist wie ich in dich. So ist es nun einmal.«

»Wirst du wiederkommen? Ich meine, nach den drei Monaten?«

»Ehrlich gesagt: Ich weiß es noch nicht. Aber darüber will ich mir jetzt noch keine Gedanken machen. Ich zahle natürlich meinen Werkstattanteil weiter, mach dir darüber keine Sorgen.«

Carolin steht auf und setzt sich neben Daniel. Dann nimmt sie seine Hand und drückt sie fest. »Daniel, das ist nun wirklich das Letzte, worüber ich mir gerade Gedanken mache. Ich bin traurig, dass es so kommt, denn du bist mein engster Freund.«

»Ich weiß. Aber gerade jetzt kann ich nur schwer ertragen, dein Kumpel zu sein.«

Ich schlafe schon tief und fest, als jemand an meinem Körbchen rüttelt. Ich blicke nach oben. Es ist der alte von Eschersbach! Böse funkelt er mich an.

»Los, aufstehen, Nichtsnutz! Du hast es dir hier lang genug bequem gemacht. Ich habe beschlossen, dass Carolin Abstand braucht von dir. Mindestens drei Monate. Also nimm deinen Kauknochen und raus mit dir!«

Mein Herz fängt an zu rasen. Ich will mich verstecken. Aber wo? Von Eschersbach greift nach mir, es gibt kein Entkommen. Ängstlich jaule ich auf und versuche, mich unter meine Kuscheldecke zu ducken, aber da hat er mich schon am Schlafittchen. O nein! Ich werde wieder im Tierheim landen!

»Herkules, wach auf! Du träumst!«

Vorsichtig schaue ich hoch - und blicke in die Augen von Carolin, die mich verwundert anschaut. »Meine Güte, du machst so einen Lärm. Träumst du wieder von der Kaninchenjagd?«

Kaninchenjagd? Wenn die wüsste. Ich hüpfe aus meinem Körbchen und kauere mich ganz eng an Carolin.

»Du zitterst ja, du Armer. Ist wohl eher ein Alptraum gewesen, was? Aber tröste dich. Ich kann auch nicht richtig gut schlafen. Das mit Daniel nimmt mich doch ziemlich mit. Warum muss bloß alles immer so kompliziert sein?« Sie seufzt. Ich auch. Dass bei Menschen immer alles kompliziert ist, habe ich schließlich auch schon festgestellt. Zum Trost schlecke ich ihr die nackten Zehen ab. Sie kichert. »Das kitzelt, Herkules!«