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Tatsächlich - sie holt das Telefon!

»Neumann hier. Ist Dr. Wagner zu sprechen? Danke.« Sie wartet kurz. »Hallo, Marc, hier ist Carolin. Es tut mir leid, dich zu stören, aber Herkules hat gerade wieder einen ganz furchtbaren Anfall. Viel schlimmer als beim letzten Mal. Ja? Du kommst gleich vorbei? Vielen Dank, das ist furchtbar nett von dir. Wir sind in der Werkstatt.«

Ziel erreicht! Ich kann meinen Anfall also langsam ausklingen lassen. Wurde auch ein bisschen anstrengend. Ruhig liege ich auf dem Rücken und mime den völlig Erschöpften. Carolin setzt sich neben mich auf den Boden und krault mich.

»Armer Herkules. Du tust mir so leid. Aber gleich kommt Dr. Wagner, und dann wird alles gut. Bestimmt.«

Kurz darauf klingelt es schon an der Tür. Wagner muss sofort losgestürmt sein. Er kommt rein und stellt seinen Arztkoffer neben mir ab. Dann untersucht er mich genau so wie beim letzten Mal, macht ab und zu hm, hm und setzt sich dann neben Carolin.

»Also, ich kann eine Epilepsie nun tatsächlich nicht mehr ausschließen. Ich mache dir deswegen folgenden Vorschlag:

Ich bin morgen Vormittag sowieso auf Schloss Eschersbach. Was hältst du davon, wenn ich euch beide morgen früh einsammle und wir fahren zusammen. Dann werden wir schnell herausfinden, ob Herkules wirklich ein gebürtiger von Eschersbach ist und ob es erbliche Epilepsie sein könnte.«

»Ja«, sagt Carolin leise, »das klingt nach einer sehr guten Idee. Ich komme gerne mit, vielen Dank.«

Schloss Eschersbach? Mit Carolin und Marc! Sensationell! Ich möchte am liebsten vor Freude hoch in die Luft springen, lasse es aber. Das sähe wahrscheinlich nicht sonderlich erschöpft aus.

Der Himmel ist strahlend blau. Ganz so, wie er an einem so wichtigen Tag sein muss. Und wichtig ist dieser Tag, daran habe ich keinen Zweifel. Ich werde Schloss Eschersbach und meine Familie wiedersehen. Und wenn Wagners Plan aufgeht, dann gibt es doch noch eine Chance für ihn und Carolin. Wie genau er sich das vorstellt, habe ich nicht verstanden. Aber ich verlasse mich mal darauf, dass er sich ausreichend Gedanken gemacht hat. Wie sagte Herr Beck so schön? Ein Typ, der einen Hund braucht, um die Frau seines Herzens zu gewinnen, der hat schlechte Karten. Also halte ich mich ab jetzt fein raus.

Ungeduldig warte ich darauf, dass Wagner endlich kommt. Carolin scheint auch nervös zu sein. Sie schaut immer wieder auf die Uhr. Da klopft es an die Fensterscheibe der Terrassentür. Wagner - und er hat Luisa mitgebracht.

Carolin öffnet die Tür.

»Hallo! Und? Bereit für unseren Ausflug?«

»Hallo, ja, ich bin schon fertig.« Sie schaut zu Luisa. Wagner folgt ihrem Blick.

»Ich habe heute jemanden mitgebracht, den ich dir gerne vorstellen würde. Das ist Luisa, meine Tochter. Luisa, das ist Carolin.«

Na, wenn das mal eine gute Idee war. Der Nachwuchs von fremden Dackeldamen ist bei Hündinnen jedenfalls nicht gut gelitten. Hoffentlich ist das bei Menschen anders. Ein Blick auf Carolins Gesicht sagt mir, dass es in der Menschenwelt ähnliche Spannungsfelder gibt.

»Deine Tochter? Ich verstehe nicht ganz ...«

»Ich war schon einmal verheiratet. Luisa ist meine Tochter. Sie lebt meistens bei Sabine, ihrer Mutter. Aber momentan sind Schulferien, und die verbringt Luisa immer bei mir.« Er holt tief Luft. Irgendetwas Bedeutsames muss er wohl noch sagen. »Tja, und weil ihr mir beide so wichtig seid, wollte ich, dass ihr euch kennt.«

»Du hast eine Tochter.« Carolin wiederholt es noch einmal, als hätte sie nicht richtig verstanden.

»Ja. Und was für eine. Ein tolles Mädchen.«

Luisa streckt Carolin die Hand entgegen. »Hallo!«

Jetzt lächelt Carolin. Von meinem Herzen fällt ein ziemlich großer Stein.

»Hallo, Luisa. Schön, dich kennenzulernen.«

»Darf ich mal in den Garten? Ich habe da eine Schaukel gesehen.«

»Natürlich, geh nur.«

Als Luisa gegangen ist, sagen beide erst einmal nichts. Dann räuspert sich Marc.

»Luisa ist so oft es geht bei mir. Ich möchte nämlich kein Wochenendpapa sein. Das wollte ich nie. Unter der Trennung sollte sie so wenig wie möglich leiden. Sabine und ich überlegen auch, ob Luisa demnächst ganz zu mir zieht. Sabine ist Stewardess und will jetzt wieder mehr arbeiten. Ehrlich gesagt, freue ich mich schon sehr darauf. Es wird zwar stressiger werden, aber ich möchte gerne den Alltag meines Kindes mit ihm teilen. Sie werden so schnell groß, und dann ist die Zeit vorbei und kommt nicht wieder.«

»Hast du dich deswegen so mit Nina gestritten? Weil sie dir gesagt hat, wie ätzend sie Kinder findet?«

Wagner nickt. »Auch. Aber es war nicht nur das. Schon beim zweiten Treffen war mir eigentlich klar, dass der Funke nicht so richtig überspringen will. Aber ihr Ausraster am Strand war dann schon ziemlich heftig. Ich hatte ihr noch nicht von Luisa erzählt, wollte es aber eigentlich gerade tun. Na ja. Du kennst ja die Geschichte. Für mich sind Kinder eben sehr wichtig. Mir war sofort klar, dass das keinen Sinn hat.«

»Ja, ich verstehe, dass dich das getroffen hat.«

»Tja, und als du sagtest, dass du mich erst mal nicht sehen willst, da hätte ich dir am liebsten die ganze Geschichte aus meiner Sicht erzählt. Aber du klangst so entschlossen, und ich wollte auch nicht schlecht über deine beste Freundin reden.«

Carolin greift nach seiner Hand und drückt sie. »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Im Nachhinein habe ich mich über mich selbst geärgert. Denn eigentlich bin ich sehr gerne mit dir zusammen.«

Wagner lächelt. »Na, dann haben wir ja Glück im Unglück, dass Herkules so schwach bei Gesundheit ist.« Er zwinkert mir zu.

»Apropos Gesundheit: Meinst du, für Herkules ist es schlimm, wieder dorthin zu fahren? Ich meine, immerhin haben diese Leute ihn ins Tierheim gegeben?«

»Im Gegenteil. Er hat doch jetzt einen großen Auftritt.«

»Ach ja?«

»Na, immerhin ist er möglicherweise der angehende Hund des Tierarztes.«

Carolin schaut ihn an. »So, meinst du?«

»Ja. Möglicherweise.« Er zögert kurz. »Quatsch! Ich bin mir ganz sicher.«

Dann zieht Marc Carolin dicht an sich heran und küsst sie ganz sanft auf die Nase. In diesem Moment kommt Luisa wieder aus dem Garten zurück.

»Mensch, Papa! Du bist echt peinlich!«

Marc lässt Carolin los. »Ne, ich bin verliebt!«

Carolin stellt sich auf die Zehenspitzen und flüstert Marc etwas ins Ohr. Aber so leise kann sie gar nicht flüstern, dass ich es mit meinen hervorragenden Ohren nicht gehört hätte: »Ich bin es auch.«

 

Ich schaue mit dem Kopf aus dem offenen Wagenfenster, und meine Ohren wehen im Wind. Heute ist wirklich ein ganz hervorragender Tag. Carl-Leopold von Eschersbach darf auf Schloss Eschersbach zurückkehren. Ich horche kurz in mich hinein. Nein. Es ist in Wirklichkeit ganz anders, viel schöner: Herkules Neumann erweist Schloss Eschersbach die Ehre seines Besuchs.

Impressum

Dackelblick: Roman

von Frauke Scheunemann (Autor)

Preis: EUR 14,95

Gebundene Ausgabe: 288 Seiten

Verlag: Page & Turner (22. Februar 2010)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3442203570

ISBN-13: 978-3442203574

ebook Erstellung - Mai 2010 - TUX

Ende