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Hey! Geht das etwa gegen mich? Ich knurre vorsichtshalber ein bisschen. Carolin beugt sich zu mir runter.

»Ist schon gut, Herkules. Nina meint es nicht so.«

Nina rollt mit den Augen. Das kann ich von meinem Platz neben Carolins Stuhl genau sehen. »Doch, ich meine es genau so, wie ich es sage! Was dir fehlt, ist ein Mann, der dich genauso liebt wie du ihn. Dafür ist so ein doofer Dackel garantiert kein Ersatz.«

Doofer Dackel? Weiß die eigentlich, wen sie hier vor sich hat? Mit einem Knurren ist es eindeutig nicht mehr getan, ich springe von meinem Platz auf und belle Nina einmal energisch an. Sie zieht erstaunt die Augenbrauen hoch.

»Hoppla, scheint wirklich so, als ob er mich verstanden hätte. Okay, das Letzte nehme ich zurück. Du bist kein doofer Dackel. Aber bei Ersterem bleibe ich - den doofen Thomas kannst du nicht wettmachen. Auch wenn du zugegebenermaßen ganz niedlich bist.«

Na also, geht doch. Ich lege mich wieder hin.

»Herkules ist kein Liebesersatz. Mit Thomas hat das gar nichts zu tun. Ich wollte schon lange einen Hund.«

»Quatsch. Das war eine typische Sublimierung.«

»Ja, ja, die Psychologin weiß es genau.«

Ich weiß nicht genau, was Psychologin bedeutet, scheint aber irgendetwas Gefährliches zu sein. Jedenfalls hat Carolin es schon ein paar Mal zu Nina gesagt, und es klang, als hätte Nina eine ernste Krankheit. Mindestens Zwingerhusten. Die Arme, dabei sieht sie so gesund aus - rosige Hautfarbe, große klare Augen, ich wette, sie hat auch eine ganz kalte Nase. Und ihre braunen Haare glänzen. Aber falls es doch eine Krankheit ist, hoffe ich, Carolin steckt sich nicht an und wird dann auch psychologisch.

»Also, reden wir doch mal Klartext: Du bist nicht glücklich mit Thomas und wirst es auch niemals sein. Behalte den Hund - aber trenn dich von dem Kerl.«

Genau, so machen wir es! Ich stehe auf und wedele mit dem Schwanz. Leider ist Carolin nicht so begeistert von diesem Rat wie ich - sie fängt an zu weinen.

»Du verstehst mich nicht. Thomas und ich - wir gehören einfach zusammen. Ich weiß es ganz genau. Allein, wie wir zusammengekommen sind: Das war Schicksal!«

Aha - Schicksal! Ein mysteriöses Wort. Sollte das die Instanz sein, die Menschen zusammenbringt? Und wenn ja, wie konnte das Schicksal bei Carolin so danebenliegen? Ich versuche mir, das Schicksal in Person vorzustellen. Vielleicht sieht es so aus wie der alte von Eschersbach. Streng. Angsteinflößend. Ein bisschen rechthaberisch. Wenn Schicksal allerdings so ist wie von Eschersbach, dann könnte es sich tatsächlich auch mal irren. Immerhin ist dem Alten bei der Einschätzung meiner Wenigkeit doch auch ein schwerer Fehler unterlaufen. Hätte er mich sonst ins Tierheim gebracht?

Mit einem Mal interessiert mich das Gespräch zwischen Nina und Carolin nicht mehr so sehr. Meine Gedanken sind wieder auf dem Schloss: Bei Mama, meiner Schwester Charlotte und Emilia. Wie es ihnen wohl geht? Zum ersten Mal seit den letzten drei aufregenden Tagen fühle ich eine merkwürdige Sehnsucht. Vermisst mich meine Familie? Oder reden sie schon nicht mehr über mich? Ob Charlotte auch gut schlafen kann, wenn ich nicht neben ihr im Körbchen liege? Ach, Charlotte, werde ich dich jemals wiedersehen?

»Hey, Herkules, was ist denn los mit dir? Geht es dir nicht gut?«

Anscheinend habe ich angefangen zu jaulen. Jedenfalls haben Carolin und Nina aufgehört sich zu unterhalten, und Carolin hebt mich auf ihren Schoß. Erstaunt schaue ich direkt in ihr Gesicht. Ihre Augen sind ganz rot - Menschen weinen zwar leicht, aber offensichtlich bekommt es ihnen nicht. Ich schlecke schnell ihre Hände ab. Alles in Ordnung soll das bedeuten, aber trotzdem guckt Carolin ganz besorgt.

»Hm, was er wohl hat?«

Nina zuckt mit den Schultern. »Vielleicht ist er auch nicht so glücklich mit Thomas? Immerhin würde der ihn am liebsten rausschmeißen.«

WUFF! Wie bitte? Thomas will mich rausschmeißen? Lande ich also morgen wieder im Tierheim? Bei Bozo und Boxer?

Als wir wieder zu Hause sind, bin ich immer noch ganz beunruhigt. Ob mich Carolin tatsächlich wieder zurückbringt? Das wäre furchtbar. Vielleicht komme ich doch nicht darum herum, mich mit Thomas gutzustellen. Ich beschließe, mich von meiner besten Dackelseite zu zeigen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Das geht mir zwar gegen den Strich, denn ein von Eschersbach kriecht grundsätzlich nicht zu Kreuze - aber andererseits war mein letzter Akt zivilen Ungehorsams auch nicht gerade ein voller Erfolg und endete bekanntermaßen mit einem schmerzhaften Biss in mein Öhrchen.

Momentan allerdings scheint Thomas gar nicht zu Hause zu sein. Carolin ruft jedenfalls nicht nach ihm, sie stellt nur kurz ihre Tasche ab und greift dann wieder nach dem Wohnungsschlüssel.

»Wir gehen nochmal kurz in die Werkstatt, Herkules.« Dann öffnet sie die Tür. »Komm, Süßer!«

Nichts lieber als das! Ich freue mich, Daniel wiederzusehen und laufe schwanzwedelnd hinter Carolin die Treppe hinunter.

Unten angekommen, muss ich allerdings feststellen, dass es immer noch sehr nach Holz, aber nicht unbedingt nach Daniel riecht. Komisch, wo steckt der nur? Während Carolin zu einem der Tische geht und dort ein wenig herumräumt, laufe ich los und suche Daniel. Ich stelle fest, dass die Räume hier in der Werkstatt ganz ähnlich wie in Carolins Wohnung angeordnet sind: Zwei in einander übergehende auf der einen Seite, ein dritter dahinter, dann ein langer Flur und hinten noch einmal ein Zimmer. Dort riecht es besonders stark nach Wald - und als ich hineinschnuppere, sehe ich, dass sich hier ganze Stapel von Holz türmen. Merkwürdig - was will Carolin bloß mit so viel Holz? Von Eschersbach sammelt Flaschen in seinem Keller, und der Mann von Emilia sammelt diese kleinen bunten, viereckigen Papierstücke mit den gezackten Rändern, aber Holz? Es gibt offensichtlich nichts, was Menschen nicht sammeln.

»Herkules, wo steckst du denn?«, ruft Carolin den Flur hinunter. Ich trabe aus dem Holzzimmer. »Na, was machst du denn im Holzlager? Riecht gut, oder?« Ich lege mich vor Carolins Füße, und sie streichelt mich kurz. »Oder suchst du Daniel?«

Als ich diesen Namen höre, wedele ich mit dem Schwanz. Carolin soll gleich mal wissen, was ich mir unter einem netten Herrchen vorstelle.

»Ah, daher weht der Wind. Daniel ist nett, nicht? Aber es ist Wochenende, und da arbeiten wir normalerweise nicht. Ich muss auch nur kurz ein paar Sachen erledigen, die seit deinem Einzug bei mir liegengeblieben sind. Dann gehen wir eine Runde spazieren, versprochen. Du kannst dich so lange ein bisschen im Garten umschauen, bis ich fertig bin, okay?«

Ein guter Plan, denn den Garten habe ich noch gar nicht inspiziert. Überhaupt - bis auf Wohnung und Werkstatt ist das Haus noch gänzlich unbekannt für mich, und ich freue mich schon darauf, es nach und nach zu erkunden. Carolin geht zu einem der Fenster im zweiten Raum und öffnet es. Erst jetzt sehe ich, dass von dort zwei Stufen hinauf in den Garten führen. Schnell springe ich sie hoch und sitze sofort im Gras. Herrlich - wie das am Bauch kitzelt! Die Sonne scheint mir auf die Nasenspitze, und ich muss niesen. Carolin lacht.

»So, dann viel Spaß - ich lasse die Tür auf, du kannst also reinkommen, wenn dir langweilig wird.«

Keine Sorge, Carolin, das wird garantiert nicht passieren! Ich trabe los und beschnuppere den riesigen Baum, der seitlich vorm Haus steht. Hm, interessant. Offensichtlich war hier schon längere Zeit kein Hund mehr, denn es ist absolut nichts markiert an diesem Stamm. Ich hole das sofort nach und hebe gleich mal mein Beinchen. Oft habe ich das noch nicht gemacht und an so einem breiten Stamm schon gleich gar nicht, deshalb sieht das Ganze bestimmt noch ein bisschen amateurhaft aus. Aber egal, das kann ich hier schließlich ausgiebig unter Ausschluss der Öffentlichkeit üben. So lange, bis ich es genauso gut hinkriege wie die erwachsenen Rüden, die ich dabei schon heimlich beobachtet habe. Total lässig sind die: laufen an einem Baum vorbei und heben - als wäre es keine große Sache - einfach ihr Bein.