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Ich versuche es noch einmal auf der anderen Seite, ist schließlich wichtig, dass man es mit beiden Beinen hinkriegt. Gar nicht so leicht, das! Nur gut, dass mich keiner sieht.

»Na, Kleiner?«, tönt es in diesem Moment von direkt über mir. »Das schaut noch ganz schön wackelig aus. Machst du wohl noch nicht so lang, he he!«

Wer, zum Teufel, ist das? Ich gucke nach oben und sehe in der Baumkrone eine dicke, schwarze Katze. O nein, welch Schmach! Ein heimlicher Beobachter und dann ausgerechnet noch eine Katze!

»Im Übrigen sind das hier mein Garten und mein Baum - ich möchte dich also auffordern, dieses Rumgepinkel hier zu unterlassen. Es ist ekelhaft und stinkt.«

Mit diesen Worten klettert die Katze gemächlich den dicken Stamm hinunter und steht dann vor mir. Für eine Katze ist sie ziemlich groß. Vor allen Dingen ist sie auch fett. Ich knurre sie an.

»Was denn? Ist das etwa eine korrekte Begrüßung? Ihr Hunde habt einfach kein Benehmen. Kommst hier quasi ohne anzuklopfen in mein Wohnzimmer und stellst dich nicht mal vor. Aber na gut«, die Katze seufzt, »fangen wir eben anders herum an: Ich bin Herr Beck.«

Aha, ein Kater.

»Ich bin Carl-Leopold von Eschersbach. Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Beck.« Schließlich will ich mir von so einem nicht nachsagen lassen, ich wüsste nicht, was sich gehört.

Der Kater kichert. »Carl-Leopold? Komisch, meine eben gehört zu haben, dass Carolin dich Herkules nennt. Und >von Eschersbach< klingt reichlich überkandidelt.«

Was für eine Frechheit! Am liebsten würde ich diesem fetten Viech gleich mal richtig in die Fersen beißen - aber vom Umgang mit den Schlosskatzen weiß ich, dass das für einen kleinen Hund wie mich ziemlich schmerzhaft ausgehen kann. Diese Biester sind echt schnell und haben richtig scharfe Krallen. Obwohl ich innerlich schäume, versuche ich also, mich ganz kühl zu geben.

»Eine tolle Frau wie Carolin kann mich nennen, wie sie will. Bei einer gewöhnlichen Katze wie Ihnen muss ich leider auf Carl-Leopold bestehen. Im Übrigen ist das hier mitnichten Ihr Wohnzimmer, sondern mein neuer Garten. Ich möchte Sie also bitten, in Zukunft nicht mehr auf meinen ebenfalls neuen Baum zu klettern. Sie beschädigen ihn mit Ihren Krallen.«

Der Schwanz des Katers beginnt zu zucken. Allerdings leider nicht, weil Beck vor Angst zittert, sondern weil er in geradezu hysterisches Gelächter ausbricht.

»Großartig - du hast hier gerade noch gefehlt! Gerade war mir ein bisschen langweilig geworden - aber mit einem Clown wie dir wird das bestimmt ein sehr unterhaltsamer Sommer.«

Beck fängt an, sich lachend auf dem Boden zu wälzen. Es ist offensichtlich, dass er sich blendend amüsiert. Ich hingegen könnte mir die Schwanzhaare ausreißen. Niemand nimmt mich für voll. Langsam beruhigt sich Herr Beck wieder, steht auf und schüttelt sich kurz.

»Jetzt mal im Ernst, Kleiner - was glaubst du eigentlich, wer du bist?«

Ich will darauf gerade etwas erwidern, da zischt Becks Tatze blitzschnell millimeterscharf an meiner Schnauze vorbei. »Halt - falsche Frage! Fang jetzt bloß nicht wieder mit diesem Adelsgequatsche an.«

Ich knurre. Beck soll nicht denken, dass ich mich hier ohne weiteres beleidigen lasse - Krallen hin, Krallen her. Beck ignoriert das leider völlig und fährt unbeeindruckt fort: »Ich lebe nun schon eine ganze Weile als einziges Tier in diesem Haus, wenn man mal von dem blöden Wellensittich im zweiten Stock absieht. Und nur, weil du von der zugegebenermaßen ganz reizenden Carolin hier angeschleppt wurdest, musst du nicht glauben, dass ich mein Revier räume. Das war mein Garten, das ist mein Garten, und das wird auch immer mein Garten bleiben! Also sei froh, wenn du dir hier ab und zu die Sonne auf die Nase scheinen lassen darfst und bleib weg von dem Baum. Verstanden?«

Mit diesen Worten dreht er sich um und will mich offensichtlich einfach so stehen lassen. Da platzt mir endgültig der Kragen. Ich mache einen Satz nach vorne und schnappe nach Becks Schwanz. Eigentlich mit dem Ziel, es ebenso knapp ausfallen zu lassen, wie Beck vorhin seinen Tatzenhieb. Leider senkt er in genau diesem Moment seine Schwanzspitze in Richtung meines Fangs - und ehe ich mich versehe, beiße ich genau hinein. Autsch. Das war bestimmt ein kleines bisschen schmerzhaft. Vielleicht auch ein großes bisschen. Aber keine Absicht, ehrlich!

Beck faucht laut auf und will sich rächen, ich gebe Fersengeld. An Tag zwei von einem Kater vermöbelt zu werden, gehört ganz sicher nicht zu meiner Vorstellung von einem gelungenen Einstand. Bevor er mich erwischt, springe ich mit einem beherzten Satz direkt durch das noch geöffnete Fenster der Werkstatt.

Ich lande fast auf Carolins Füßen, die schaut mich erstaunt an.

»Was machst du denn da, Herkules? Kunstfliegen?« Sie schaut aus dem Fenster und sieht Beck, der gerade noch eine Vollbremsung hinlegen kann. »Hast du dich etwa mit der Katze gestritten?«

Ich versuche, möglichst unschuldig zu gucken, und wedele mit dem Schwanz.

»Also wirklich, Herkules! Herr Beck ist ein ganz netter älterer Herr. Außerdem gießt sein Frauchen immer meine Blumen, wenn ich mal nicht da bin. Du musst dich also ein bisschen benehmen.«

Wie peinlich! Sie kennt den Kater näher. Ich tue so, als würde ich irgendetwas sehr Interessantes auf dem Boden beobachten. Allerdings kann ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass Carolins Männergeschmack sowohl bei Menschen als auch bei Katzen alles andere als exquisit ist. Erst dieser unmögliche Thomas, dann Herr Beck - es ist eigentlich fast ein Wunder, dass sie mich und nicht Bozo aus dem Tierheim mitgenommen hat.

Bei dem Gedanken an Thomas fällt mir wieder ein, dass ich heute noch dringend einen guten Eindruck bei dem Blödmann hinterlassen muss. Er soll doch gar nicht erst auf die Idee kommen, dass man mich auch zurückbringen könnte. Außerdem reicht ein Feind in meiner näheren Umgebung, und Herrn Beck brauche ich meine Freundschaft momentan wohl nicht mehr anzudienen. Ich nehme mir fest vor, die erstbeste Gelegenheit zur Verbrüderung mit Thomas beim Schopf zu packen.

Ein von Eschersbach fackelt nicht lange - er handelt, wenn sich die Möglichkeit bietet, und zwar kühn und unerschrocken. Genauso werde ich es machen, Opili. Kühn und unerschrocken.

VIER

Tatsächlich kommt die Gelegenheit zur Verbrüderung mit Thomas schon früher als gedacht. Eine Nacht später liege ich in meinem Körbchen und kann nicht schlafen. Zu viel geht mir durch den Kopf. Thomas. Der kleine Zwischenfall mit Herrn Beck. Das Gespräch zwischen Carolin und Nina. Selbst an Fritz, den Münsterländer aus dem Tierheim, muss ich denken. Unruhig wälze ich mich hin und her.

Plötzlich höre ich ein Geräusch. Es ist ein Murmeln ... oder eher ein ... Wimmern? Ich rapple mich hoch, klettre aus dem Körbchen und trabe aus dem Wohnzimmer in Richtung Flur. Dort kann ich das Geräusch noch viel besser hören. Es ist tatsächlich ein Wimmern, und es kommt aus dem Schlafzimmer! O Schreck - geht es Carolin nicht gut? Die Tür ist nur angelehnt, deswegen kann ich leise hineinhuschen. Leider ist es ist völlig dunkel, ich kann nichts erkennen.

Und wieder das Geräusch. Das Wimmern ist mittlerweile zu einem Stöhnen geworden. Zu meiner großen Erleichterung ist es aber eindeutig Thomas, dem es nicht gut zu gehen scheint. Mein erster Gedanke: Mit Carolin ist wohl alles in Ordnung. Mein zweiter Gedanke: Hier ist sie, meine Chance! Nun heißt es, kühn und unerschrocken zu handeln. Denn ganz offensichtlich liegt Thomas im Bett und windet sich vor Schmerzen. Carolin schläft anscheinend - jedenfalls scheint sie ihn nicht zu hören, denn sonst würde sie ihm ja helfen. Ich werde also dafür sorgen, dass sie aufwacht und Thomas nicht länger leiden muss. Dann wird er erkennen, was für ein toller Hund ich bin und wie gut es ist, dass Carolin mich geholt hat.