Sie hatten sich in einem Gartenlokal in St. John's Wood verabredet. Es war immer noch Mai, halb sechs Uhr an einem trüben Tag, und der Park war leer. Roy brachte ein Kind mit, einen etwa fünfjährigen Jungen, einen winzigen Bland, blond, stämmig und rosig. Er sagte nicht, wer der Junge sei, aber manchmal verstummte er während ihres Gesprächs plötzlich und schaute hinüber zu der entfernten Bank, auf der er saß und Nüsse knapperte. Nervenzusammenbrüche oder nicht, Bland trug noch den Stempel der Thatch-Philosophie für Agenten im feindlichen Lager; Selbstvertrauen, positive Beteiligung, Rattenfänger-Appeal und alle übrigen unbequemen Parolen, die in der Blütezeit des Kalten Krieges aus der Nursery fast so etwas wie ein Zentrum für moralische Aufrüstung gemacht hatten. »Also, wie lautet der Handel?« fragte Bland verbindlich. »Es geht nicht um einen Handel, Roy. Control findet die gegenwärtige Situation ungesund. Er sieht nicht gern zu, wie Sie in eine Kabale verwickelt werden. Und ich auch nicht.«
»Großartig. Also, wie lautet der Handel?«
»Was möchten Sie?«
Auf dem Tisch, der noch naß war vom Nachmittagsregen, stand eine Lunch-Garnitur mit Essig und öl und einem Päckchen Plastikzahnstocher in der Mitte. Bland nahm einen heraus, spuckte das Papier auf den Rasen und fing an, mit dem breiten Ende seine Backenzähne zu bearbeiten.
»Tja, wie war's mit fünftausend unter der Hand aus dem Reptilienfonds?«
»Und ein Haus und einen Wagen?« sagte Smiley und machte einen Scherz daraus.
»Und der Junge nach Eton«, fügte Bland hinzu und winkte über das Betonpflaster zu dem Jungen hinüber, während er weiter in den Zähnen stocherte. »Ich habe bezahlt, George. Sie wisssen es. Ich weiß nicht, was ich dafür eingekauft habe, aber ich habe einen gesalzenen Preis bezahlt. Davon will ich etwas zurückhaben. Zehn Jahre von allem abgeschnitten, nur für die fünfte Etage, das ist ein schöner Batzen in jedem Alter. Sogar in Ihrem. Es muß einen Grund gehabt haben, warum ich mich auf dieses Spiel einließ, aber ich weiß nicht mehr recht, was es war. Muß Ihre magnetische Persönlichkeit gewesen sein.«
Smileys Glas war noch nicht leer, also holte Bland sich selber eins an der Theke und auch etwas für den Jungen. »Sie haben doch die Bildung mit Löffeln gefressen«, erklärte er leichthin und setzte sich wieder. »Ein Künstler ist ein Kerl, der zwei fundamental entgegengesetzte Ansichten besitzen und damit leben kann. Wer hat sich das ausgedacht?«
»Scott Fitzgerald«, antwortete Smiley und dachte einen Augenblick lang, Bland wolle etwas über Bill Haydon sagen. »Ja. Fitzgerald war nicht dumm«, bestätigte Bland. Als er trank, glitten seine leicht vorstehenden Augen seitwärts zum Zaun, als suchte er jemanden. »Und ich kann durchaus damit leben, George. Als guter Sozialist bin ich auf Geld aus. Als guter Kapitalist halte ich es mit der Revolution, denn wenn man's nicht besiegen kann, soll man's bespitzeln. Schauen Sie mich nicht so an, George. Es ist heute die Spielregeclass="underline" Du kitzelst mein Gewissen, ich fahr dafür deinen Jaguar, stimmt's?« Noch während er das sagte, hatte er den Arm gehoben. »Bin gleich wieder da!« rief er über den Rasen. »Tischen Sie noch einen für mich auf!« Zwei Mädchen trieben sich jenseits des Zauns herum. »Stammt der Witz von Bill?« fragte Smiley und war plötzlich sehr ärgerlich.
»Wie bitte?«
»Ist das einer von Bills Witzen über das materialistische England die verhausschweinte Gesellschaft?«
»Wäre möglich«, sagte Bland und trank sein Glas aus. »Gefällt er Ihnen nicht?«
»Nicht besonders, nein.«
»Ich habe Bill nie als radikalen Reformer gekannt. Was ist denn plötzlich über ihn gekommen?«
»Das ist nicht radikal«, erwiderte Bland, der es nicht mochte, wenn jemand seinen Sozialismus oder Bill Haydon madig machte. »Das ist bloß, was man sieht, wenn man aus dem verdammten Fenster schaut. Das ist England heute, Mensch. Gefällt keinem, oder?«
»Wie sollte man Ihrer Meinung nach«, fragte Smiley und hörte sich in seinem bombastischsten Tonfall sprechen, »die Besitz- und Wettbewerbsinstinkte in der westlichen Gesellschaft ausrotten, ohne gleichzeitig ...«
Bland hatte sein Glas ausgetrunken; und damit die Unterredung beendet.
»Was regen Sie sich auf? Sie haben Bills Job bekommen. Was wollen Sie mehr? So lang, wie's dauert.«
Und Bill hat meine Frau bekommen, dachte Smiley, als Bland sich zum Gehen anschickte; und Gott verdamm ihn, er hat dir's erzählt.
Der Junge hatte ein Spiel erfunden. Er hatte einen Tisch hochgekantet und ließ eine Flasche in den Kies rollen. Jedesmal setzte er die Flasche höher an der Tischfläche an. Smiley ging, ehe sie zerschellte.
Zum Unterschied von Esterhase hatte Bland sich nicht einmal die Mühe gemacht, zu lügen. Lacons Akten ließen keine Zweifel an seiner Beteiligung an der Operation Witchcraft: »Quelle Merlin«, schrieb Alleline in einer Aktennotiz, die kurz nach Controls Verschwinden von der Whitehall-Bühne datiert war, »ist in jedem Sinn eine Operation des gesamten Ausschusses ... Ich vermag nicht zu entscheiden, welcher meiner drei Mitarbeiter die von Ihnen vorgeschlagene Auszeichnung verdient . . . Blands Tatkraft liefert uns allen einen Ansporn . . .« Er beantwortete hierin den Vorschlag des Ministers, daß die Verantwortlichen für Witchcraft in der Neujahrsliste lobend erwähnt werden sollten: ». . . während Haydons Ingenium zuweilen dem von Merlin selber kaum nachsteht«, fügte er hinzu. Die Orden wurden allen dreien verliehen; Allelines Ernennung zum Chef wurde bestätigt, und damit rückte der ersehnte Ritterschlag näher.