Brandons Farm war total heruntergekommen. Man sah ihr an, dass sie bessere Zeiten gesehen hatte und dass diese besseren Zeiten noch nicht allzu lange zurücklagen.
Sowohl das Wohnhaus als auch die Scheune (Walt würde zufrieden sein. Sie bestand nicht aus Wellblech, sondern aus gutem altmodischem Holz) waren frisch gestrichen, und der kleine Gemüsegarten neben dem Haus war mit großer Liebe angelegt worden, jetzt aber total verwildert. So wie das ganze Anwesen. Überall auf dem Hof standen landwirtschaftliche Geräte herum. Ein paar Hühner liefen frei umher, und direkt vor dem Wohnhaus parkte ein Wagen, dessen Türen offen standen.
»Ich steige jetzt aus«, sagte ich. Ich war allein im Wagen, aber Walt und sein Funkempfänger befanden sich kaum eine halbe Meile entfernt. »Irgendetwas stimmt hier nicht. Der Hof macht einen ... seltsamen Eindruck. Fast, als wäre er verlassen.«
Ich stieg aus, ging ein paar Schritte und rief laut Brandons Namen. Ich bekam keine Antwort, aber in der Scheune begann ein Hund zu kläffen, und einen Augenblick später klapperte etwas.
»Alles ist völlig heruntergekommen«, sagte ich, leiser und jetzt wieder nur für das Mikrofon unter meinem Hemd und Walts Tonband bestimmt. »Wenn hier noch jemand ist, dann scheint er sich nicht mehr besonders für den Hof zu interessieren.«
Und das war noch freundlich formuliert. Ich rief erneut Brandons Namen, drehte mich einmal im Kreis und sah mich dabei aufmerksam um. Mein erster Eindruck verstärkte sich noch. Überall lagen Abfälle und achtlos liegen gelassene Dinge herum. Die meisten Fenster des Hauses standen offen, und hier und da hatte der Wind eine Gardine ergriffen und herausgezerrt. Nur ein paar Meter entfernt lag ein toter Vogel auf dem Boden. Vielleicht eine Krähe - ich war nicht ganz sicher, denn er musste schon vor Tagen in Verwesung übergegangen sein.
»Mister Branden?« rief ich noch einmal. Ich bekam auch jetzt keine Antwort, aber aus der Scheune ertönte wieder schrilles Hundegebell. Ich beschloss, erst sie zu untersuchen, bevor ich mich dem Wohnhaus zuwandte.
»Ich gehe jetzt in die Scheune«, erklärte ich Walts Tonband. »Das Tor steht offen, und das Stroh scheint zu verfaulen. Es scheint hereingeregnet zu haben.«
In meinem ganzen Leben hatte ich noch nicht von einem Farmer gehört, der vergisst, sein Scheunentor zu schließen, sobald sich Regenwolken am Himmel zeigen. Aber ich hatte auch noch nie einen Hof wie diesen gesehen.
Direkt hinter dem Tor stand ein rostiger roter Pick-Up, dessen Motorhaube offen stand. Der Hund, dessen Gebell ich gehört hatte, war an der Stoßstange des Wagens festgebunden. Im allerersten Moment knurrte er drohend, aber dann kam er mir schwanzwedelnd entgegen.
Der Anblick des Tieres brach mir fast das Herz. Es war total abgemagert, und der Gestank, den es verströmte, drehte mir fast den Magen herum. Der Hund musste seit Tagen hier angebunden sein, ohne dass sich irgendjemand um ihn gekümmert hatte. Kurz entschlossen ließ ich mich in die Hocke sinken und knotete den groben Strick auf, der an seinem Halsband befestigt war. Das Tier jaulte befreit auf und raste mit Riesensätzen an mir vorbei aus der Scheune heraus.
»Was tun Sie da?« fragte eine Stimme hinter mir.
Erschrocken richtete ich mich auf und fuhr herum. Ein Mann war hinter dem Wagen hervorgetreten. Im Halbdunkel der Scheune konnte ich ihn nicht genau erkennen, doch schon das wenige, was ich sah, überzeugte mich davon, Brandon gegenüberzustehen. Er war ebenso heruntergekommen und verdreckt wie sein Anwesen, und er roch nicht sehr viel besser als sein Hund.
»Mister Brandon?« fragte ich.
»Wer will das wissen?« erwiderte er. Erst als er einen Schritt auf mich zu kam, bemerkte ich, dass er einen Schraubenzieher in der Hand hielt; allerdings auf die Art, auf die man ein Messer oder eine andere Waffe hielt, nicht ein Werkzeug. Sein Blick taxierte mich misstrauisch und blieb dann für eine Sekunde am Ende des Strickes hängen, an dem der Hund angebunden gewesen war. Aber er machte keine entsprechende Bemerkung.
»Wer sind Sie?« fragte er schleppend. »Was haben Sie hier zu suchen?« Seine Stimme klang sonderbar, fast wie die eines Betrunkenen.
»Mein Name ist Frank Gaber«, antwortete ich. »Sie sind Mister Brandon?«
»Und wenn?«
»Ich komme vom Landwirtschaftsministerium«, sagte ich.
»Ich habe Sie nicht gerufen«, antwortete Brandon feindselig. »Verschwinden Sie!«
»Ich werde Sie nicht lange belästigen, Mister Brandon«, versicherte ich. »Aber sehen Sie, das Büro hat mich hergeschickt, um Ihnen ein paar Fragen über das zu stellen, was mit Ihrem Feld geschehen ist. Jemand hat dort ziemlichen Schaden angerichtet.«
»Das ist meine Sache«, antwortete Brandon. Er kam mit sonderbar schleppenden Schritten näher und hob gleichzeitig seinen Schraubenzieher höher. Ich konnte seine Feindseligkeit deutlich spüren. Aber da war auch noch etwas ... Furcht?
Irgendwie brachte ich es fertig, nicht vor ihm zurückzuweichen, sondern ihm fest in die Augen zu sehen und sogar ein schüchternes Lächeln auf mein Gesicht zu zwingen. »Selbstverständlich, Mister Brandon. Es geht auch nur um ein paar Informationen.«
»Ich rede mit niemandem«, antwortete Brandon. Ich war jetzt sicher, dass er Angst hatte. Ich fragte mich nur, wovor. »Hauen Sie ab!«
»Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung ja«, sagte ich. »Sehen Sie, Mister Brandon, es ist Ihnen vielleicht nicht klar, aber ich bin hier, um über eine mögliche Entschädigung mit Ihnen zu reden.«
»Entschädigung?« Brandon wiederholte das Wort, als hätte er Mühe, seine Bedeutung zu erfassen.
»Nun ja ... die Sache ist nicht ganz so einfach. Es sieht so aus, als ob die Schäden in Ihrem Feld entweder auf Vandalismus oder durch ein tieffliegendes Flugzeug verursacht worden wären. Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Mister Brandon. Ihr Feld ist nicht das erste, das einem Kampfpiloten der Air Force zum Opfer fällt, der glaubt, es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen zu müssen. Wir versuchen schon seit einer geraumen Weile, diesen Rowdies das Handwerk zu legen, aber dazu brauchen wir natürlich Beweise.«
»Ich habe kein Flugzeug gesehen«, sagte Brandon.
»Vielleicht hat es nicht wie ein Flugzeug ausgesehen«, antwortete ich. »Es gibt da diese Air-Force-Bases, auf der anderen Seite des Tales. Wir wissen, dass sie dort neue Prototypen testen, aber Sie kennen ja das Militär: ohne stichhaltige Beweise oder einen Gerichtsbeschluss sagen sie Ihnen ja nicht einmal die Uhrzeit.«
Brandon lachte nicht. Ich bezweifelte, dass er den ironischen Unterton in meinen Worten verstanden hatte.
»Sie meinen, Sie ... wollen mir ... Geld zahlen?« fragte er schließlich. Ich war sicher, dass er alle Mühe hatte, die Worte zu formulieren. Er sprach schleppend, und in seinen Augen war etwas, das mich zutiefst erschreckte.
»Ja«, antwortete ich. »Falls wir beweisen können, dass die Air Force dahinter steckt. Wie gesagt, Mister Brandon: Das Landwirtschaftsministerium ist sehr daran interessiert, diesen Rowdies das Handwerk zu legen. Ich bin sicher, dass eine eventuelle Entschädigung entsprechend großzügig ausfallen wird.«
Brandon überlegte. Ich konnte fast sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete; als hätte er Mühe, die Worte, die er sein Leben lang benutzt hatte, in die richtige Reihenfolge zu bringen.
»Also gut«, sagte er. »Wir nehmen meinen Truck.«
»Ich bin mit dem Wagen da, Mister Brandon«, sagte ich.
Brandon hörte mir gar nicht zu. Mit einer unsicheren Bewegung schlug er die Motorhaube zu, schlurfte um den Wagen herum und öffnete die Tür auf der Fahrerseite.
»Also gut«, erklärte ich Walts Tonband. »Dann fahren wir jetzt mit Ihrem Wagen hinaus auf das Feld, um uns die Schäden anzusehen.«
Brandon reagierte auch jetzt nicht, sondern nahm umständlich hinter dem Steuer Platz, zog den Schlüssel aus der Tasche und starrte ihn eine geschlagene Sekunde lang an, ehe er ihn ins Zündschloss steckte. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich geschworen, dass dieser Mann in seinem ganzen Leben noch nicht hinter dem Steuer eines Wagens gesessen hatte.