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>Sie werden das Bernsteinzimmer wegschleppen, und niemand wird wissen, wohin es gekommen ist. Verloren wird es für immer sein. Warum kommt denn niemand und holt es aus Puschkin weg?< Telefoniert hat er, dreimal nach Leningrad ist er gefahren, aber dort waren sie beschäftigt, die größten Schätze der Eremitage und der anderen Museen in den Gewölben und der Isaaks-Kathedrale zu verstecken. Zu spät war es dann, als sie dann doch noch nach Puschkin kamen. Die Deutschen waren schneller. Nur die Bilder, Skulpturen, Möbel, Bücher, Teppiche und Porzellane konnten sie wegbringen. Für das Bernsteinzimmer blieb keine Zeit mehr.«

«Ich weiß es. «Sinowjew blickte ungeduldig zur Tür. Wo blieb der Wodka, das Essen. Es konnte doch nicht so schwer sein, etwas Eßbares herzubringen!» Mit Marschall Schukow habe ich darüber gesprochen. Er sieht nur die Hände, die schießen, keine Hände, die Kunstschätze retten. Vielleicht hat er recht, sicherlich hat er recht. Den deutschen Angriff müssen wir zum Stehen bringen.«

«Genauso sprach Väterchen Michail. «Jana Petrowna hatte die Schwäche überwunden, sie atmete wieder gleichmäßiger und sah hinüber zu Sinowjew.»Und da hatten wir einen Plan. Wenn die Deutschen Väterchen umbrachten, würde niemand mehr da sein, der das Bernsteinzimmer bewachte. Der immer in seiner Nähe war, der es auf allen Wegen begleitete, der die deutschen Räuber nicht aus den Augen ließ. Nur ich könnte das… als deutsche Krankenschwester. Wer kontrolliert eine Krankenschwester? Überallhin könnte ich kommen, ohne aufzufallen. Das war der Plan: Überrollen lasse ich mch von den deutschen Truppen, gut versteckt in einer Erdhöhle, und wenn sie weitergezogen sind, melde ich mich als versprengte Schwester in Puschkin. Zurückgekehrt zu unserem Bernsteinzimmer bin ich, und nie mehr aus den Augen werde ich es lassen. Ist das nicht ein guter Plan, Genosse General?«

Sie holte wieder tief Atem und sah zu, wie die Ordonnanz ein Tablett mit Wodka, Tee und Plätzchen hereinbrachte und Kowaljow damit einen runden Tisch in der gegenüberliegenden Ecke deckte.

«Irgendwie bekam Väterchen die Rote-Kreuz-Uniform und einen deutschen Militärmantel — erobert bei einem Vorstoß bei Luga, erklärte er. Und dann fuhren wir in den Wald, gruben die Höhle aus, und ich blieb in der Höhle und wartete. >Nur noch vier Tage, Janaschka<, sagte Väterchen zu mir, >vielleicht noch kürzer. Gott segne dich, mein Töchterchen. Wenn wir uns nicht wiedersehen und Nikolaj den Krieg überlebt, sei ihm eine gute Frau. Und laß nie das Bernsteinzimmer aus den Augen, wohin man es auch bringt. Eine Krankenschwester kommt überall hin.< So war es, und dann entdeckt mich der Rotarmist Solotwin, bringt mich zu Unterleutnant Wechajew. Und er will mich erschießen als Spionin. «Jana Petrowna blickte hungrig auf den gedeckten Tisch. Der Tee duftete, das Gebäck roch nach Zimt und Honig. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.»Glauben Sie mir, Genosse General?«

«Ich glaube Ihnen, Jana. «Sinowjews Stimme war gütig und beruhigend.»Essen und trinken Sie erst einmal, und dann erzählen Sie mir, wie das mit der Familie Wachter oder Wach-terowskij ist.«

Es wurde ein langer Tag und eine lange Nacht. Am nächsten Morgen setzte sich der Divisionsstab ab, das Schlößchen lag verlassen im Park, die Kolonnen rollten eilig nach Leningrad. Mit einem Fahrrad kehrte Jana Petrowna in den Wald zurück und verkroch sich wieder in ihrer Erdhöhle.

Die deutschen Truppen waren nur noch neun Kilometer von ihr entfernt.

Die Sondereinheit von Unterleutnant Lew Semjonowitsch Wechajew, die letzte Hoffnung von General Sinowjew, wenigstens die wichtigsten Teile wie die Wandtafeln des Bernsteinzimmers zu retten, kam, wie vorauszusehen war, zu spät nach Puschkin. Genauer gesagt: Der Unterleutnant erreichte Puschkin gar nicht. Die acht Lastwagen mit dem Sowjetstern fuhren fröhlich und unbekümmert in den Aufmarschraum der Deutschen hinein und direkt in die Arme der 1. Panzerdivision. Sie stand vor dem Stadtrand von Puschkin. Flugzeuge bombten ihr den Weg frei, trafen auch den Katharinen-Palast und trafen den Großen Saal. Von dem herrlichen, prunkvollen Saal, einem der wunderbarsten Werke des Hofarchitekten Rastrelli, war nichts mehr übrig. Auch eine Anzahl Nebenräume wurde schwer beschädigt… das Bernsteinzimmer, g5-schützt durch die von den Frauen vorgesetzten hölzernen Splitterwände, blieb erhalten.

Wechajew dachte weder an Gegenwehr noch an Flucht, als er die ersten deutschen Panzer sah, die ihm auf der Straße entgegenkamen. Nachdem er sich entschlossen hatte, den Wagen mit dem Achsenbruch liegen zu lassen und die Spionin mit dem Wagen von Solotwin zum General zu schicken, hatte er im tiefsten Inneren schon geahnt, daß dieser Einsatz der letzte für ihn in diesem Krieg sein konnte. Nur eines wünschte er sich heiß und innig: Nie in die Hände der SS fallen. Was man von ihr erzählte, ließ einem eisige Schauer über den Rücken laufen.

Nun war es geschehen: aber wenigstens deutsche Panzer, keine SS… Wechajew ließ seine Kolonne halten, stieg aus dem ersten Wagen, die anderen Rotarmisten machten es ihm nach, schließlich war er ja der Kommandant und damit das Vorbild/und als er die Arme hob, taten sie es auch und standen neben ihren Wagen. Ihre Gesichter zeigten ängstliche Erwartung, in ihren Herzen bohrte die Ungewisse Hoffnung, von den Deutschen wie Menschen behandelt zu werden und in eine erträgliche Gefangenschaft zu kommen. Sadisten und mitleidlose Grausame gab es bei allen Völkern — sie hofften, nicht alle Deutschen wären so.

«Meine Lieben — «rief Wechajew seinen Leuten zu, die Arme hoch in den Himmel gereckt;»Vorbei für uns ist der Krieg. Man kann's nicht ändern. Zu gern hätte ich mitgemacht, das Vaterland zu verteidigen. Aber das Schicksal, meine Lieben, wer kann gegen das Schicksal an? Seien wir mutig auch in der Gefangenschaft… schließlich sind wir von der Garde.«

Kurz vor ihnen hielt der erste deutsche Panzer an, nachdem Wechajew schon mit einem stechenden Gefühl in der Brust gedacht hatte: Jetzt überrollen sie uns. Niederwalzen werden sie uns! Sollen wir von der Straße flüchten, links und rechts in den Wald? Erschießen werden sie uns, aber das ist immer noch besser als unter Panzerketten zermalmt zu werden.

Doch er blieb stehen, biß nur die Zähne zusammen und schloß die Augen bis auf einen Schlitz. Als der rollende Tod nahe vor ihm knirschend und scheppernd bremste und stehenblieb und aus der Turmluke der Kopf des Kommandanten, ein junger Leutnant war's, auftauchte, atmete Wechajew tief durch und sandte wieder einen Gedanken an das Schicksal. Danke, sagte er lautlos. Danke, Schicksal. Jetzt weiß ich, was das heißt, dem Tod ins Auge zu schauen. Nie werde ich das vergessen, wenn ich diesen Krieg überlebe. Nie.

Eine Panzertruppe kann mit Gefangenen wenig anfangen. Wohin mit ihnen? Sie im Panzer mitzunehmen, ist unmöglich. Zur Bewachung einige Soldaten zurücklassen… ebenfalls unmöglich, denn bei der Besatzung eines Panzers ist kein Mann zuviel, jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe. Wechajew überlegte noch, als der junge deutsche Leutnant schon aus seinem Turm kletterte und von hinten ein Mann gelaufen kam, nicht in Uniform, sondern in Zivil. Den Russen sah man ihm sofort an. Er trug eine Schirmmütze, einen labberigen Anzug, derbe Stiefel und über der Hose ein weites, blaues Hemd, so wie viele Bauern herumliefen, wenn sie sich sonntags besonders fein gemacht hatten.

Wechajew zog die Brauen zusammen, starrte den Landsmann böse an, behielt aber die Hände noch immer hochgestreckt über dem Kopf. Der Russe, etwa um die Sechzig herum, stellte sich neben den Offizier und wartete. Die Deutschen hatten ihn einfach als Dolmetscher mitgenommen, als sie erfuhren, daß Stepan Fjodorowitsch Piwojanow — so hieß er — ihre Sprache verstand. Er hatte von 1927 bis 1932 in Ostpreußen auf einem Gut gearbeitet und hatte dort nicht nur deutsch sprechen, sondern auch wild fluchen gelernt. Was ein ostpreußischer Bauer ist, hat viele derbe Worte.